OLG Hamm, Urt. 22.11.2018 - 4 U 73/18

Berufung auf den Unclean-hands Einwand im Wettbewerbsrecht

Autor: RA Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2019
Die auf den Produktseiten bei Amazon unterhalb der Artikelbezeichnung enthaltene Angabe „von (...)” wird von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf den Hersteller des betreffenden Artikels verstanden. Es ist dem Ersteller einer Produktseite bei Amazon gem. § 242 BGB verwehrt, wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung über den Hersteller des Produktes geltend zu machen, soweit diese Irreführung allein aus dem Anhängen an die vom Ersteller in gleichermaßen irreführender Weise erstellte Produktseite resultiert. Es ist wettbewerbsrechtlich inakzeptabel, ein Anhängen Dritter an bestehende Amazon – Produktseiten verhindern zu wollen, sofern damit das Angebot der betreffenden Produkte durch Dritte infolge der Bestimmungen von Amazon faktisch behindert oder vereitelt wird.

OLG Hamm, Urt. v. 22.11.2018 - 4 U 73/18

Vorinstanz: LG Bochum, Urt. v. 20.2.2018 - I-12 O 199/16

UWG § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1

Problem

Beide Parteien nutzen den Marktplatz der Internethandelsplattform Amazon für den Vertrieb von Zubehör für Mobiltelefone; beide sind Händler, nicht Hersteller der gleichen Produkte. Dort hat der Kläger zu einem Netzladegerät eine Produktseite mit dazugehöriger individueller Amazon Standard Identification Number (ASIN) erstellt. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon ist die Erstellung einer weiteren ASIN für ein bereits im Katalog von Amazon vorhandenes Produkt nicht gestattet, so dass sich die Händler auf dem Amazon Marketplace zur Eröffnung eines Angebots zum jeweiligen Produkt nach dessen Zuordnung zu der vorhandenen ASIN an die bereits bestehende Produktseite anhängen müssen. Das vom Kläger vertriebene Netzladegerät bezieht dieser über einen in Polen ansässigen Importeur aus China. Auf den Produktseiten von Amazon ist jeweils in der Zeile unterhalb der Artikelbezeichnung die Herkunftsangabe („von (...)”) vom jeweiligen Ersteller der Produktseite zu vervollständigen. An dieser Stelle hat der Kläger bei der Produktseitenerstellung seine eigene (bei Amazon genutzte) Unternehmensbezeichnung eingetragen. Der Beklagte hängt sich an das vom Kläger erstellte Angebot an, indem er Artikelbezeichnung, Herkunftsangabe sowie ASIN des klägerischen Angebots für ein eigenes Angebot übernimmt. Der Kläger hat dieses Vorgehen als i.S.d. §§ 3, 5 UWG irreführend beanstandet. Der Beklagte suggeriere durch die Übernahme der Angabe „von (...)” wahrheitswidrig, die betreffenden Produkte jedenfalls vom/über den Kläger bezogen zu haben. Das LG Bochum hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich der Beklagte mit seiner Berufung: Nach den AGB von Amazon sei er für die Eröffnung eines eigenen Angebots zu dem betreffenden Produkt gezwungen, sich in der streitgegenständlichen Weise an die bereits bestehenden Produktangaben des Klägers anzuhängen.

Lösung des Gerichts

Das OLG Hamm gibt der Berufung statt und weist die Klage zurück.

Die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Zwar sei das Verhalten des Beklagten in seiner Eigenschaft als bloßer Händler der betreffenden Produkte als irreführend i.S.d. §§ 3, 5 UWG anzusehen. Es suggeriere den Kaufinteressenten zu Unrecht, der Kläger sei Hersteller der angebotenen Produkte. Diese würden die auf den Produktseiten von Amazon enthaltene Angabe „von (...)” nämlich stets als Hinweis auf den jeweiligen Produkthersteller und nicht auf den anbietenden Händler verstehen. Dies folge schon aus der Tatsache, dass bei Amazon die anbietenden Händler an anderer Stelle explizit als solche benannt würden. Die Angabe weise zudem auch nicht auf die mittelbare Herkunft der Produkte von einem Zwischenhändler hin, da ein solcher Hinweis aus Sicht des angesprochenen Verkehrs regelmäßig ohne Belang sei.

Der Kläger könne sich aber auf die vorliegende Irreführung nach Treu und Glauben nicht berufen. Er müsse sich nicht nur vorwerfen lassen, die angesprochenen Verkehrskreise seinerseits durch die Verbindung seiner Amazon – Händlerkennung mit der Angabe „von (...)” über seine Eigenschaft als Händler in die Irre geführt zu haben; tatsächlich habe er den streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoß des Beklagten durch sein vorangehendes unlauteres Verhalten sogar provoziert. Insoweit sei das Verhalten Klägers auch nicht wie ein klassischer Fall des sog. Unclean hands – Einwands zu behandeln.

Die aus einem eigenen unlauteren Verhalten gegenüber einem Dritten erworbene Rechtsstellung könne nicht die Grundlage eines zulässigen wettbewerbsrechtlichen Vorgehens bilden. Darüber hinaus fehle es dem Vorgehen des Klägers auch an einem schutzwürdigen Eigeninteresse. Dessen Ziel, das Anhängen von Wettbewerbern an das eigene (Erst-)Angebot zu unterbinden, sei wettbewerbsrechtlich inakzeptabel. Die Mitbewerber würden angesichts der obligatorischen Vorgaben bei Amazon, die eine Erstellung von mehreren Produktseiten zum gleichen Produkt untersagen, so faktisch an einem Angebot gleicher Artikel gehindert.


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