OLG Köln, Urt. 5.1.2017 - 15 U 121/16

Kein Anspruch auf Löschung praxis- und personenbezogener Daten aus Ärztebewertungsportal

Autor: RA Martin Boden, LL.M., FA für Gewerblichen Rechtsschutz, FA für Urheber- und Medienrecht, BODEN RECHTSANWÄLTE, www.boden-rechtsanwaelte.de
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2017
Eine Ärztin hat keinen Anspruch auf Löschung ihrer praxis- und personenbezogenen Daten aus einem Online-Bewertungsportal. Diese gilt auch dann, wenn ihr Profil zur Anzeige kostenpflichtiger Werbung von Mitbewerbern genutzt wird.

OLG Köln, Urt. v. 5.1.2017 - 15 U 121/16

BDSG § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 28, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2

Das Problem

Eine Fachärztin begehrt von dem Ärztebewertungsportal Jameda die Löschung ihrer Daten. Zum einen wendet sie sich dagegen, überhaupt mit ihren Namens- und Adressangaben sowie ihren Öffnungszeiten wie folgt auf dem Portal aufgeführt zu werden:

Mit einem weiteren Antrag begehrt sie die Unterlassung der Veröffentlichung eines Profils auf der Portalseite, auf welchem Bewertungen durch Patienten eingestellt werden können wie auch Werbeanzeigen von weiteren Ärzten eingeblendet werden, wie im nachfolgenden Screenshot dargestellt:

Die Ärztin sieht bei der beanstandeten Werbung im Rahmen der datenschutzrechtlich vorzunehmenden Güterabwägung ein Überwiegen ihrer Interessen. Das Portal benutze gegen ihren Willen ihre Daten, um werbenden Kunden eine Werbeprojektionsfläche zu bieten. Das Portal biete keinen echten Nutzen, sondern der Portalbetreiber manipuliere die Nutzer zugunsten seiner zahlenden Kunden. Zudem ergebe sich aus der Möglichkeit anonymer Bewertungen eine Desinformation der Nutzer, die sich aufgrund falscher Bewertungen angeblicher Patienten für oder gegen einen Arzt entschieden. Ihr sei es zudem nicht zumutbar, ihr Profil ständig auf rechtswidrige Bewertungen -in der Vergangenheit waren auf ihrem Profil 18 negative Bewertungen zu finden- zu überprüfen. Die von dem Portal im Rahmen einer Registrierung mögliche Information über neue Bewertungen via E?Mail sei aufgrund der dann zu akzeptierenden nachteilhaften allgemeinen Geschäftsbedingungen des Portals keine hinnehmbare Alternative.

Sie macht weiter geltend, dass ihr Profil von dem Portal ohne ihre Zustimmung und ohne Mitwirkungsmöglichkeit eingerichtet wurde und dieses gegenüber dem Profil zahlender Kunden besonders abschreckend gestaltet sei. Das Portal sei noch dazu suchmaschinenoptimiert, so dass ein Nutzer womöglich eher auf ihrem unattraktiven Profil des Portals als ihrer Internetseite lande. Um eine Umleitung der Kunden auf dieses unattraktive Profil zu vermeiden, werde sie unter einen erheblichen wirtschaftlichen Druck in dem Sinne gesetzt, sich aus der misslichen Lage durch ein bezahltes Profil freizukaufen, was einer Zwangskommerzialisierung und erpresserischen Nutzung ihrer persönlichen Daten gleichkommt.

Das Portal beruft sich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach es dem grundrechtlich geschützten Zweck diene, dass medizinische Laien ihre Eindrücke schildern können, wobei der Anonymität bei Erfahrungsberichten über Ärzte eine besondere Bedeutung zukomme. Die Einträge der anderen Ärzte sei deutlich mit Anzeige gekennzeichnet, so dass sich dem Nutzer der werbliche Charakter sofort erschließe.-Die Ärztin habe keinen Anspruch auf ein werbefreies Umfeld. Das Portal manipuliere nicht, sondern biete Ärzten die Möglichkeit, sich mit zusätzlichen Informationen zu präsentieren. Diese bestünden lediglich in zusätzlichen Informationen zum Arzt und einem Profilbild. Das LG hat die Klage abgewiesen, welche die Ärztin nun mit der Berufung weiter verfolgt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht sieht die Speicherung der Daten der Ärztin als zulässig an und weist ihre Berufung zurück.

Die Zulässigkeit der Datenspeicherung sei sowohl nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG -hinsichtlich der Übermittlung an die Portalnutzer- als auch nach § 28 BDSG zu beurteilen, da das Portal mit dem Angebot eines kostenpflichtigen Profils für Ärzte einen eigenen geschäftlichen Zweck verfolge. Das Gericht beruft sich in der Frage, ob die Ärztin generell die Speicherung ihrer Praxisdaten und anonyme Bewertungen hinnehmen müsse im Wesentlichen auf die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2014 (BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – jameda, AfP 2014, 529 = CR 2015, 116 = IPRB 2015, 28). Danach wiege die Beeinträchtigung des Arztes durch die Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines solchen Bewertungsportals nicht schwerer als das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit. Der Anonymität der Bewertungen komme aufgrund der häufig sensiblen Daten beim Arztbesuch besonderes Gewicht zu. Die Ärztin müsse negative Bewertungen hinnehmen, solange diese einen ausreichenden Sachbezug aufwiesen. Die Möglichkeit, per E?Mail über negative Bewertungen informiert zu werden, sei nur eine zusätzliche Option zu den bereits vom BGH als ausreichende angesehen Reaktionsmöglichkeiten der Ärztin. Für eine Manipulation zugunsten der zahlenden Nutzer seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, da deren Profile ohne Rücksicht auf die Bewertungen angezeigt würden, also auch alternativ Ärzte mit schlechteren Bewertungen unter dem Profil der klagenden Ärztin erschienen. Vielmehr erhöhe die Einblendung der als solche klar erkennbaren Werbeanzeigen den Nutzwert für den User, da diesem, ihm vorher vielleicht nicht bekannte, Alternativen aufgezeigt würden. Eine andere Gewichtung ergebe sich auch nicht aus dem in der BGH- Entscheidung aus prozessualen Gründen (Anm.: Erstmaliger, nicht berücksichtigungsfähiger Sachvortrag in der Revisionsinstanz) unberücksichtigt gebliebenen Werbeaspekt in Form der Einblendung von Anzeigenprofilen zahlender Ärztekunden auf dem Portal. Zwar würde hierdurch noch stärker in ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG eingegriffen. Sie werde durch die Aufnahme in das Portal nicht nur gegen ihren Willen gezwungen, sich in dem vom Portal vorgegebenen Rahmen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und dem Vergleich mit anderen Ärzten zu stellen. Zudem müsse sie in Kauf nehmen, dass andere Ärzte ihr Profil für eigene Werbung nutzten und die vom Portal ohnehin vorgegebene Darstellung zusätzlich beeinträchtigt werde. Diese Werbung könne dazu führen, dass potentielle Patienten einen dieser anderen Ärzte aufsuchen. Den zahlenden Ärzten würde so ein Wettbewerbsvorteil geschaffen, da auf ihren Profilen keine Werbeeinblendungen vorgehalten würden.

Aber in der Abwägung sei dem verfassungsrechtlich geschützten Recht des Portals auf freie Berufsausübung im Hinblick auf dessen Werbefunktion ein stärkeres Gewicht beizumessen. Wollte man eine Löschung der Daten der Ärztin befürworten, würde dies eine Beschränkung der Berufsfreiheit gerade auch im Hinblick auf den von ihr verfolgten selbständigen Geschäftszweck in Form der von ihr angebotenen kostenpflichtigen Werbefunktion bedeuten. Diese stelle auch keine unzulässige Manipulation potentieller Patienten dar, sondern eine noch zulässige Auswirkung des erlaubten Wettbewerbs um Aufmerksamkeit im Internet. Eine andere Wertung könne auch nicht aus wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten in die Abwägung zugunsten der Ärztin einfließen. Eine Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG scheitere jedenfalls an einer unangemessenen Einwirkung auf die Nutzer, zudem liege in der Einblendung der Werbung eines Mitbewerbers in unmittelbarer räumlicher Nähe keine Beschränkung der eigenen Werbemöglichkeiten der Ärztin. Letzten Endes sei dies auch nicht anders zu beurteilen als die Schaltung teurerer Werbeanzeigen in Printmedien. Der Umstand, dass sich die Ärztin, anders als etwa bei den „Gelben Seiten” einer Nennung nicht entziehen könne, rechtfertige keine andere Wertung, da sie im Internet eine Werbung in unmittelbarer räumlicher Nähe als auch die Verwendung ihres Namens als Schlüsselwort etwa bei Google Adwords hinnehmen müsse. Im Rahmen der Abwägung nach § 28 BDSG ergebe sich kein anderes Ergebnis.


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