„Private Viewing” in der Gastwirtschaft: Nur für geladene Gäste

Autor: RA Prof. Dr. Lambert Grosskopf, LL.M. Eur., Bremen
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2015
Eine öffentliche Wahrnehmbarmachung einer Fußballsendung in einer grundsätzlich frei zugänglichen Gaststätte liegt nicht vor, wenn tatsächlich die Sendung nur Mitgliedern eines Dartclubs und einer Skatrunde zugänglich gemacht wird und Möglichkeiten bestehen, die Wahrnehmung durch eine unbestimmte Zahl Dritter zu verhindern.

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.1.2015 - 11 U 95/14

Vorinstanz: LG Frankfurt/M., Urt. v. 16.7.2014 - 2-6 O 381/13

UrhG §§ 15 Abs. 2, 22, 31 Abs. 3, 89, 94, 97; EGRL 29/2001 Art. 3 Abs. 1

Das Problem

Der Pay-TV-Sender „Sky” bietet für Privatpersonen und Gaststätten unterschiedliche Tarife an. Nur der teure Gaststättentarif erlaubt ein kleines „Public Viewing” von Live-Sport-Übertragungen, nicht hingegen ein Privatabonnement von „Sky”. Ein solches Privatabonnement hatte eine Wirtin abgeschlossen, aber dennoch während der üblichen Öffnungszeiten ca. 20 Mitgliedern eines Dartclubs und einer Skatrunde, die zum Freundes- und Bekanntenkreis der Wirtin gehören, das gemeinsame Anschauen von Live-Fußballspielen ermöglicht, ohne das Lokal zu verschließen. „Sky” – Kontrolleure konnten deshalb das Lokal betreten und sich dort für etwa 3 Minuten aufhalten, wobei es in einem Fall auch zu einem Kontakt mit einer Person in dem Lokal gekommen sein soll, die eine Wegauskunft erteilt habe. Die Wirtin behauptete, Fremde seien der Lokalität verwiesen worden und es habe sich an der Tür der Gaststätte auch ein Schild „Geschlossene Gesellschaft” befunden. Nach Ansicht von „Sky” hätte die Lokaltür aber verschlossen werden müssen, damit keine Wiedergabe für die breite Öffentlichkeit vorliege, weshalb „Sky” von der Wirtin Schadensersatz in Höhe des Gaststättentarifs verlangte. Das LG Frankfurt/M. wies die Klage nach Beweisaufnahme ab.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Frankfurt bestätigt die Entscheidung des LG Frankfurt/M.

Nicht sämtliche der vier miteinander verflochtenen Kriterien für eine öffentlichen Wiedergabe nach der EuGH-Rechtsprechung seien durch die Wahrnehmbarmachung des „Sky”-Programms in der Gaststätte erfüllt worden: Die Live-Sport-Übertragung sei zwar (i) nicht nur zufällig und (ii) auch zu Erwerbszwecken einem (iii) neuen Publikum öffentlich wahrnehmbar gemacht worden, jedoch (iv) keiner aus recht vielen Personen bestehenden Gruppe von Zuschauern.

Die Wirtin habe absichtlich und gezielt, den Mitgliedern des Dartclubs und der Skatrunde einen Zugang zur Live-Sport-Übertragung ermöglicht, den diese ohne ihr Tätigwerden nicht gehabt hätten. Die Mitglieder seien für die Live-Sport-Übertragung auch aufnahmebereit gewesen, da sie nicht unabhängig von ihrem Willen in deren Genuss gekommen sind, wie etwa Patienten in einer Arztpraxis (EuGH, Urt. v. 15.3.2012 – Rs. C-135/10 – Del Corso, WRP 2012, 689; Urt. v. 15.3.2012 – Rs. C-162/10 – PPL/Irland, K&R 2012, 340; Urt. v. 4.10.2011 – Rs. C-403/08, Rs. C-429/08 – Murphy, CR 2012, 36).

Der Verkauf von Speisen und Getränken, den die Wirtin mit der Wiedergabe der Live-Sport-Übertragung bezweckt hat, ist zwar keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe, jedoch ist ein Erwerbszeck nicht unerheblich für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt (EuGH, Urt. v. 7.3.2013 – Rs. C-607/11 – ITV Broadcasting/TVC, IPRB 2013, 76 = AfP 2013, 126).

Die Live-Sport-Übertragung wurde auch vor einem neuen Publikum wiedergegeben, also einem Publikum, das „Sky” bei Abschluss des Privatabonnement mit der Gaststättenbetreiberin nicht berücksichtigt hatte (EuGH, Urt. v. 4.10.2011 – Rs. C-403/08, Rs. C-429/08 – Murphy, CR 2012, 36; Urt. v. 15.3.2012 – Rs. C-162/10 – PPL/Irland, K&R 2012, 340).

Eine „Öffentlichkeit” besteht aber nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen. Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten” handelt es sich nur, wenn die Wiedergabe nicht auf einen besonderen Kreis von Personen beschränkt sei, wobei nicht Voraussetzung ist, dass es sich um einen Kreis von Personen handelt, der in einem besonderen persönlichen Verhältnis steht (EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-89/04, AfP 2005, 348 – Mediakabel/Kommissariat für die Medien; Urt. v.14.7.2005 – Rs. C-192/04 – Lagardère/SPRE und GVL; Urt. v. 7.12.2006 – Rs. C-306/05 – SGAE/Rafael; Urt. v. 4.10.2011 – Rs. C-403/08, Rs. C-429/08 – Murphy, CR 2012, 36; Urt. v. 15.3.2012 – Rs. C-135/10 – Del Corso, WRP 2012, 689). Es muss also eine bestimmte Mindestschwelle erreicht werden, damit eine „öffentliche Wiedergabe” vorliegt, die nach Ansicht des OLG Frankfurt bei ca. 20 Mitgliedern eines Dartclubs und einer Skatrunde nicht überschritten wird.

Eine „öffentliche Wiedergabe” liege nur vor, wenn die Wirtin Jedermann den Zugang zu ihren Räumlichkeiten während der Live-Sport-Übertragung erlaube und nicht verhindere, dass die Sendung für eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten wahrnehmbar ist. Ein Abschließen der Tür und eine Einlasskontrolle könne aber nicht verlangt werden. Vielmehr reiche es aus, ein Hinweisschild an der Tür anzubringen und bereits eingetretene Unbekannte ausdrücklich des Lokals zu verweisen, es sei denn, es sei erkennbar, dass sie sich dort nicht auf Dauer aufhalten wollten, etwa weil sie – wie der „Sky” Kontrolleur – nach dem Weg zu einem Kreditinstitut fragen. Schließlich obliege es auch „Sky” zu beweisen, dass entsprechende Maßnahmen entweder nicht durchgeführt wurden oder nicht geeignet sind, um den Kreis der Personen zu begrenzen, denen die Live-Sport-Übertragung präsentiert wird. Auch der Umstand, dass die Übertragung in einem öffentlichen Lokal während der üblichen Öffnungszeiten gezeigt wurde, führe nicht zu einer Beweislastumkehr.


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