Relatives Eintragungshindernis für Gemeinschaftsmarkenanmeldung bei faktischer Treuepflicht eines Agenten oder Vertreters

Autor: RA Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2014
Für ein Agenten- oder Vertreterverhältnis zwischen dem Markeninhaber und dem Anmelder einer Gemeinschaftsmarke i.S.v. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 207/2009 reicht es aus, wenn zwischen den Parteien eine Vereinbarung über eine geschäftliche Zusammenarbeit besteht, die ein Treuhandverhältnis beinhaltet und dem Anmelder entweder ausdrücklich oder implizit eine allgemeine Treuepflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Markeninhabers auferlegt.

EuG, Urt. v. 9.7.2014 - Rs. T-184/12

Vorinstanz: HABM, Erste Beschwerdekammer v. 26.1.2012 - R 1956/2010-1

Verordnung EG Nr. 207/2009 Art. 8 Abs. 3, Art. 75, Art. 76

Das Problem

Ein deutsches Handelsunternehmen meldete beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt im Oktober 2008 eine Gemeinschaftsmarke für die Bezeichnung „HEATSTRIP”, u.a. für Heizungsgeräte, Thermostate und mit diesen Geräten verbundene Einzelteile an. Dagegen legte ein australisches Unternehmen Widerspruch ein und beanspruchte ältere Rechte an der nicht eingetragenen Wortmarke „HEATSTRIP”, die u.a. in Australien für die angemeldeten Waren geschützt sei. Die Widerspruchsabteilung wies den Widerspruch als nicht hinreichend substantiiert zurück. Auf die Beschwerde des australischen Unternehmens hin hob die Beschwerdekammer des HABM die Entscheidung auf und wies die Gemeinschaftsmarkenanmeldung zurück. Anders als die Widerspruchabteilung nahm sie an, das australische Unternehmen habe nachgewiesen, dass in Australien ausschließliche Rechte an der Bezeichnung „HEATSTRIP” bestünden. Die Eintragung sei zu versagen, da ein Treuhandverhältnis zwischen den Beteiligten vorliege und eine Zustimmung des australischen Unternehmens zur erfolgten Gemeinschaftsmarkenanmeldung fehle. Hiergegen richtete sich die Klage des deutschen Handelsunternehmens.

Die Entscheidung des Gerichts

Das EuG wies die zulässige Klage vollumfänglich ab.

Bestehen eines australischen Markenschutzrechts: Das australische Unternehmen habe das Bestehen australischen Markenschutzes hinreichend nachgewiesen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Beschwerdekammer zur näheren Bestimmung des erforderlichen Grades an „reputation” auf das Konzept des „goodwill” zurückgegriffen habe. Bei Verfahren, in denen relative Eintragungshindernisse geltend gemacht werden, obliege es nach Auffassung des Gerichts dem Schutzbeanspruchenden, die Existenz einer älteren nationalen Marke zu beweisen. Nach dieser Regel habe er das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften, deren Anwendung er begehrt, nachzuweisen und zudem Angaben vorzubringen, aus denen sich der Inhalt dieser Rechtsvorschriften ergebe. Das sei hier in ausreichender Weise durch die Vorlage eines entsprechenden Auszugs aus dem World Trademark Yearbook geschehen. Darin sei zwar kein ausdrücklicher Bezug zu dem Konzept des „goodwill” und keine förmliche Interpretation des Begriffs „reputation” zu finden. Aus den aus dem Auszug folgenden Leitlinien ergebe sich jedoch mit hinreichender Klarheit, dass „reputation” nicht derselbe Begriff sei wie „Bekanntheit” im S. v. Art. 8 Abs. 5 der Verordnung 207/2009. Die Beschwerdekammer habe aufgrund der entsprechenden Hinweise in dem Auszug auf dem aus dem Common law bekannten Begriff des „goodwill” zurückgreifen dürfen, der aus dem Mitgliedstaat des Vereinigten Königreiches und der Gemeinschaftsrechtsprechung wohl bekannt sei.

Vorliegen eines Agenten- oder Vertreterverhältnisses: Das Gericht ging zudem davon aus, dass ein Agenten- oder Vertreterverhältnis vorliege. Ein solches sei anzunehmen, wenn zwischen den Parteien eine Vereinbarung über eine geschäftliche Zusammenarbeit bestehe, die ein Treuhandverhältnis beinhalte und dem Anmelder entweder ausdrücklich oder implizit eine allgemeine Treuepflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Markeninhabers auferlege. Handele der Anmelder völlig unabhängig, ohne jede Beziehung zum Markeninhaber, so sei er nicht als Agent i.S.v. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung anzusehen. Ein bloßer Abnehmer oder Kunde des Inhabers sei weder „Agent” noch „Vertreter”. Die Annahmen der Beschwerdeabteilung, das Nichtvorhandensein eines von den Beteiligten unterzeichneten förmlichen Vertriebs- oder Agenturvertrags schließe das Bestehen eines faktischen Verhältnisses nicht aus und ein bindendes Vertragsverhältnis könne mittels der Geschäftskorrespondenz der Beteiligten nachgewiesen werden, seien nicht zu beanstanden.

Aspekte für das Vorliegen eines Agenten- oder Vertreterverhältnisses: Aus der E-Mail-Korrespondenz ergebe sich, dass die Beteiligten eine Grundlage für einen umfassenden Vertrieb der Produkte des australischen Unternehmens durch das deutsche Handelsunternehmen – durch Herstellung von Werbematerial und Ausstellungen auf Messen – geschaffen hätten. Das australische Unternehmen habe hierzu umfassende Unterstützung geleistet, indem es Informationen, Anleitungen, Logos und Fotos zur Verfügung gestellt habe. Es sei daher mit der Beschwerdekammer davon auszugehen, dass die Beziehung der Beteiligten über ein einfaches Käufer-Verkäufer-Verhältnis hinaus gehe und eine stillschweigende Vereinbarung über eine geschäftliche Zusammenarbeit darstelle, die ein Treuhandverhältnis und damit eine Treuepflicht des deutschen Handelsunternehmen gegenüber dem australischen Unternehmen begründe. Eine Ausschließlichkeitsklausel sei nicht erforderlich.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „IP-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Urheber- / Medienrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme