Schlussanträge des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez Bordona 25.4.2018 - Rs. C-161/17

Begriff der öffentlichen Wiedergabe auf einer Internetseite

Autor: RA Dr. Ilja Czernik, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2018
Das Einstellen einer Schularbeit, die eine allen Internetnutzern frei und kostenlos zugängliche Fotografie enthält, ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule stellt kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, wenn dieses Bild bereits ohne Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen auf dem Internetportal eines Reisemagazins veröffentlicht war.

Schlussanträge des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez Bordona v. 25.4.2018 - Rs. C-161/17

RL 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1

Das Problem

In dem Verfahren geht es um die Frage, ob das Kopieren eines Fotos von einer Webseite, dessen späteres Einfügen in eine schulische Präsentation und anschließendes Hochladen auf der Internetseite der Schule den Begriff der öffentlichen Wiedergabe i.S.d. Art. 3 der Richtlinie 2001/95/EG erfüllt. Die Frage wurde durch den BGH gestellt (vgl. dazu IPRB 2017, 195).

Hintergrund war, dass ein Berufsfotograf die Stadt Waltrop und das Land NRW wegen der Wiedergabe folgender von ihm gefertigten Fotografie der Stadt Cordoba im Rahmen einer Schülerarbeit auf der Webseite der Gesamtschule Waltrop auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt hatte:

Dieses Foto hatte er zuvor auf dem Portal des Online-Reisemagazins „www.schwarzaufweiss.de” eingestellt, von wo es die Schülerin übernommen hatte. Das Reisemagazin enthielt weder eine Urheberangabe, noch technische Schutzmaßnahmen oder den Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen. Letztere machte der Berufsfotograf jedoch geltend, in dem er darauf hinwies, dem Reiseportal nur einfache Nutzungsrechte erteilt zu haben.

Der BGH äußerte keine ernsthaften Zweifel daran, dass in dem Verhalten der Schülerin keine öffentliche Wiedergabe i.S.v. Art. 3 der Richtlinie 2001/95/EG zu sehen war, hatte jedoch „sicherheitshalber” um mögliche Restzweifel auszuschließen, ob ein neues Publikum angesprochen würde, die Frage dennoch dem EuGH vorgelegt und folgende Frage gestellt:

Stellt die Einfügung eines auf einer fremden Internetseite mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene öffentlich zugängliche Internetseite ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar, wenn das Werk zunächst auf einen Server kopiert und von dort auf die eigene Internetseite hochgeladen wird?

Die Entscheidung des Gerichts

Der Generalanwalt führt zunächst aus, dass mit dem Einstellen des Referats unabhängig vom eingesetzten technischen Verfahren eine Übertragung eines geschützten Werks an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend war, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nahm, erfolgt ist. Wegen der nachfolgend näher dargestellten Besonderheiten des Falls sei jedoch nicht von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen.

Einer Wiedergabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/95/EG stünde sowohl der akzessorische Charakter der Fotografie als Bestandteil einer Schularbeit, als auch der einfache „universelle” Zugang zu diesem Bild, das mit der Zustimmung seines Urhebers im Internet hochgeladen wurde, so dass jeder Internetnutzer es betrachten konnte, als auch der schulische Kontext ohne „Kunden” oder Gewinnerzielungsabsicht, in dem die Übertragung erfolgt sei, entgegen. Es fehle schlicht an der subjektiven Absicht, eine Urheberrechtsverletzung zu begehen. Dieser Aspekt sei aber bei der Bewertung, ob eine Wiedergabe vorliege, zu berücksichtigen, da der EuGH im Verfahren GS Media zur Bestimmung des Wiedergabebegriffs auch auf die Rolle des Nutzers und auf die Vorsätzlichkeit des Nutzerhandelns abgestellt habe und hierbei insbesondere subjektive Elemente in den Vordergrund gestellt habe (EuGH, Urt. v. 8.9.2016 – Rs. C-160/15 – GS Media/Sanomadie). Die Schularbeit lasse jedenfalls keine Absicht erkennen, die Betrachtung der Fotografie von Córdoba weit über das hinaus zu erstrecken, was ihr Einstellen auf der Internetseite des Reisemagazins mit sich gebracht habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass von demjenigen, der keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge, auch wenn er ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet, doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen handele, soweit das Werk bereits ohne Zugangsbeschränkung im Internet auf der Website verfügbar war, also grundsätzlich das gesamte Internetpublikum darauf bereits auch ohne diese Handlung zugreifen konnte bzw. soweit der Urheber demjenigen, der die Veröffentlichung seiner Fotografie im Netz beabsichtigt, mitgeteilt habe, dass er sie nicht genehmige.

Insofern sei dem normalen Internetnutzer, der kein gewerbliches Interesse verfolge, nicht zuzumuten, nachzuforschen, ob die Bilder, die ohne Einschränkungen und Hinweise im Internet veröffentlicht sind, urheberrechtlich geschützt sind, wenn er von ihnen bspw. zu Unterrichtszwecken Gebrauch machen will. Vielmehr könne ein solcher Nutzer vermuten, dass der Urheber keine Einwände gegen die beschränkte Nutzung dieser Bilder zu Unterrichtszwecken habe. Zumal andernfalls die Nutzung der Informationen, die das Internet in enormen Mengen zur Verfügung stellt, eingeschränkt wäre, was wiederum die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit (Art. 11 der Charta)und das Recht auf Bildung (Art. 14 Abs. 1 der Charta) unnötig beeinträchtigen würde.

Damit belässt es der Generalanwalt jedoch nicht, sondern er begründet seine Meinung weiter damit, dass keine neue Öffentlichkeit erreicht werde, da das Publikum, das zu der jeweiligen Internetseite potentiell Zugang habe, in beiden Fällen dasselbe (die Gemeinschaft der Internetnutzer) sei. Durch das Einstellen der Schularbeit werde keiner größeren Anzahl an Personen der Zugang ermöglicht. Ein neues Publikum müsste aber nach der VCAST/RTI – Entscheidung des EuGH angesprochen werden, da die Wiedergabe des Bildes im Reisemagazin und auf der Schulwebseite nach demselben technischen Verfahren erfolgt sei (EuGH, Urt. v. 29.11.2017 – Rs. C-265/16).

Schließlich seinicht davon auszugehen, dass der Urheber unverhältnismäßig betroffen sei, da jedenfalls von einem Gewerbetreibenden, der selbst oder über Dritte ein Werk im Internet veröffentliche, zu verlangen sei, dass er geeignete Maßnahmen auch technischer Art treffe, um zumindest sein Urheberrecht und den Willen, die Verbreitung seines Werks zu kontrollieren, zum Ausdruck zu bringen und den gegenteiligen Anschein zu vermeiden.


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