Ist Autofahren barfuß, mit Flip-Flops oder High-Heels erlaubt?

08.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 5 Min. (946 mal gelesen)
Flipflops,Auto Mit welchem Schuhwerk darf man Autofahren? © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Kein explizites Verbot: Es gibt kein ausdrückliches gesetzliches Verbot gegen das Autofahren mit Flip-Flops, Sandalen, Highheels oder barfuß.

2. Verstoß gegen Sorgfaltspflicht: Ungeeignetes und deshalb unfallträchtiges Schuhwerk kann allerdings gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1 StVO) verstoßen, woraus sich eine Haftung für einen Unfall begründen kann.

3. Haftungsfragen: Kommt es zum Unfall, kann das Tragen von ungeeignetem Schuhwerk als Fahrlässigkeit ausgelegt werden, was möglicherweise zu einer Minderung des Versicherungsschutzes und auch strafrechtlichen Konsequenzen führt.
So mancher Autofahrer verzichtet im Sommer wie im Winter gerne auf normales Schuhwerk. Bei sommerlicher Hitze sind geschlossene Schuhe oft einfach zu warm. Da fährt es sich mit Flip-Flops, Pumps oder Highheels wegen der besseren Belüftung der Füße durchaus angenehmer. Ebenso fühlt man sich mit dicken, gefütterten Winterstiefeln im Winter wohler. Nur: Ist solches Schuhwerk überhaupt zum Autofahren geeignet? Und ist es eigentlich erlaubt?

Ungeeignetes Schuhwerk beim Autofahren: Was kann passieren?


Flip-Flops, lockere Sandalen oder bloße Füße bieten beim Autofahren keinen rechten Halt auf den Pedalen. Wenn einem unvermutet ein Fußgänger vor das Auto läuft, kann man häufig nicht den nötigen Druck auf das Pedal übertragen, um eine Vollbremsung durchzuführen. Wer von Gas oder Bremse abrutscht, landet mit seinem Auto schnell im Straßengraben oder gar im nächsten Gemüsegeschäft – schlecht, wenn dann noch ein Fußgänger im Weg steht. Im Straßenverkehr sind schnelle Reaktionen nötig. Diese setzen voraus, dass man schnell mit dem Fuß von einem Pedal auf das andere wechseln kann. Verheddert man sich dabei mit Flip-Flops oder High Heels, funktioniert dies nicht. Ebenso können dicke Winterstiefel riskant sein. Mit ihnen hat der Fahrer kein Gefühl für das richtige Pedal und trifft beim Treten vielleicht auch mal zwei Pedale gleichzeitig. Ungeeignetes Schuhwerk oder barfuß Autofahren erhöhen daher drastisch die Unfallgefahr.

Schlappen, barfuß, ungeeignetes Schuhwerk: Was ist verboten?


Die Straßenverkehrsordnung (StVO) schreibt nicht vor, mit was für Schuhen ein Autofahrer sich hinter das Lenkrad setzen darf. Nach § 1 der StVO muss sich allerdings jeder Verkehrsteilnehmer an erster Stelle so verhalten, dass "kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." Diese Allgemeine Sorgfaltspflicht ist die Grundregel der StVO. Die Vorschrift gibt jedoch auch ein allgemeines Rücksichtnahmegebot vor. Das bedeutet: Wer sich mit ungeeignetem und unfallträchtigem Schuhwerk hinters Lenkrad setzt, verstößt gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht und muss nach einem Unfall die Folgen tragen. Bestraft wird man als Fahrer nach dieser Vorschrift also nur, wenn etwas passiert. Dann kann es aber teuer werden.

Wann gibt es ein Bußgeld für das Fahren mit Flip-Flops oder barfuß?


Einige Amtsgerichte haben bereits das Autofahren barfuß oder mit Flip-Flops auch ohne Unfall als Ordnungswidrigkeit angesehen. Dies begründeten sie nicht mit der Allgemeinen Sorgfaltspflicht, sondern mit § 23 der StVO. Nach dieser Vorschrift hat der Fahrer eines Kraftfahrzeuges dafür zu sorgen, "dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet."

Daraus schlossen die Amtsgerichte auf ein Verbot des Fahrens barfuß oder mit unsicherem Schuhwerk. Falsch, sagte jedoch das Oberlandesgericht Bamberg in insgesamt drei Urteilen: Diese Regelung bezieht sich nur auf die Ladung und die Mitfahrer ("Besetzung"). Sie gilt jedoch nicht für den Fahrer selbst. Gegen diesen Paragrafen verstößt also zum Beispiel, wer in der offenen Heckklappe ein Dreisitzersofa transportiert, zulässt, dass sich seine Beifahrer aus dem Fenster hängen und dabei 2 x 2 Meter große Fußball-Fahnen schwenken oder wer seine Hunde und Katzen nach Belieben durch das Auto turnen lässt. All dies hat jedoch nichts mit Schuhen oder Fußbekleidung zu tun.

Das OLG erklärte zwar, dass unsicheres Schuhwerk grundsätzlich zu erhöhter Unfallgefahr führen könne. In allen drei Fällen sah es jedoch die Bußgeldbescheide als unwirksam an (Az. 2 Ss OWi 577/06, Az. 3 Ss OWi 1796/06, Az. Ss OWi 338/07).

Unfall: Was halten Versicherungen von Flip-Flops oder Barfuß-Fahrern?


Die Leistungspflicht der KfZ-Versicherung hängt nicht vom Schuhwerk des Unfallfahrers ab. Die KfZ-Haftpflicht muss also zum Beispiel den Schaden des Unfallgegners auch dann zahlen, wenn man selbst mit Flip-Flops, Sandalen oder barfuß hinterm Lenkrad saß.

Wer sein eigenes Auto beschädigt, kann diesen Schaden höchstens bei der Kaskoversicherung geltend machen. Ist grobe Fahrlässigkeit die Unfallursache, kann die Kaskoversicherung die Leistungen für den Schaden am eigenen Auto reduzieren. Von grob fahrlässigem Verhalten geht man aus, wenn ganz selbstverständliche Sorgfaltsregeln vernachlässigt wurden, die jedem einleuchten müssen. Vor Gericht können Sandalen, Flip-Flops oder barfüßige Autofahrer durchaus unter grobe Fahrlässigkeit fallen. Immerhin schließen heute viele Versicherungsverträge den Einwand der groben Fahrlässigkeit aus.

2007 hat der Gesamtverband der deutschen Versicherer in einer Presseerklärung betont, dass man Flip-Flops oder bloße Füße grundsätzlich nicht als grob fahrlässig ansieht. Aber: Diese Beurteilung hängt sehr stark vom Einzelfall ab.

Was gilt beim Fahren mit Gipsbein?


Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) schreibt vor, dass jemand, der sich durch körperliche oder geistige Beeinträchtigungen nicht sicher im Straßenverkehr bewegen kann, nur dann autofahren darf, wenn sichergestellt ist, dass er andere nicht gefährdet (§ 2 Abs. 1 FeV). Ein Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit. Dazu hat das Oberlandesgericht Bamberg (sicherheitshalber) betont, dass auch diese Regelung sich nicht auf Sandalen- oder Barfußfahrer bezieht.

Was ist aber, wenn jemand wegen eines Gipsbeins oder ähnlicher Einschränkungen gar keine normalen Schuhe tragen kann? In diesem Fall greift die Vorschrift dann doch. Hier muss man also irgendwie sicherstellen, dass niemand anders gefährdet wird. Zum Beispiel, indem man mit Gipsbein oder ähnlichen Einschränkungen (Gips wird zunehmend unüblich) nicht selbst Auto fährt.

Schuhwerk im Auto: Was gilt für Berufskraftfahrer?


Wer beruflich per Auto unterwegs ist, unterliegt oft den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft. Diese ist Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Arbeitnehmer. Die Unfallverhütungsvorschrift "Fahrzeuge" (BGUV 71) besagt in § 44: "Der Fahrzeugführer muss zum sicheren Führen des Fahrzeuges den Fuß umschließendes Schuhwerk tragen."

Aber: Für welche Fahrzeugführer gilt diese Regel? Tatsächlich gilt sie für alle Personen, die unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen. Allerdings bezieht sie sich nur auf bestimmte Fahrzeuge. Dazu gehören keine Privatautos, auch wenn sie dienstlich oder geschäftlich genutzt werden, und auch keine Erdbaumaschinen wie Bagger, Straßenwalzen oder land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge (obwohl gerade bei letzteren geschlossenes Schuhwerk vielleicht zu empfehlen wäre). Stattdessen betrifft die Vorschrift Berufskraftfahrer in LKWs, solange sie wirklich beruflich und nicht privat unterwegs sind. Für sie ist also Autofahren mit Flip-Flops oder barfuß tabu.

Sommerurlaub: Was gilt in anderen europäischen Ländern?


Auch bei der Fahrt in den Sommerurlaub ist geeignetes Schuhwerk zu empfehlen. Einige Länder haben dazu spezielle Regelungen.

In Österreich gilt: Autofahrer dürfen durchaus mit Sandalen, Flip-Flops oder barfuß am Lenkrad sitzen. Verursachen sie deswegen jedoch einen Unfall, steht ein teures Bußgeld an.

Die Schweiz verbietet das Autofahren in Schlappen oder barfuß ebenfalls nicht. Aber: Kommt es zum Unfall, drohen außer einem Bußgeld auch der Entzug der Fahrerlaubnis und eine Strafanzeige.

In Italien war ungeeignetes Schuhwerk am Lenkrad bis vor einiger Zeit verboten. Dieses Verbot gibt es nicht mehr. Bei einem Unfall sind jedoch rechtliche Folgen wahrscheinlich.

In Spanien dagegen gibt es ein ausdrückliches Verbot von Sandalen, Flip-Flops und ähnlichem ungeeigneten Schuhwerk beim Autofahren. Hier droht ein hohes Bußgeld. Frankreich hat 2015 ein ähnliches Verbot eingeführt.

Praxistipp zum Autofahren barfuß oder mit Flip-Flops


Bei Hitze sollte man nicht nur auf sein Schuhwerk achten. Hitze heißt auch Stress, sie führt oft zu Kreislaufproblemen. Gesundheitsexperten sehen zum Teil ähnliche Folgen wie bei Alkohol: Aggressives Fahren sonst ruhiger Fahrer, falsches Einschätzen von Entfernungen und Bremswegen und reduzierte Reaktionszeit.
Wer wegen falschen Schuhwerks einen Bußgeldbescheid erhält oder einen Unfall verursacht hat, sollte sich von einem auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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