BAG, Beschl. 1.10.2024 - 9 AZR 264/23 (A)

EuGH-Vorlage zur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bei einem Betriebsübergang

Autor: Rechtsanwalt & Mediator Dr. Ralf Steffan, Prehm Steffan Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 03/2025
Das BAG hat den EuGH angerufen, um im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens klären zu lassen, wie sich ein Betriebsübergang des Entleiherbetriebs auf die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG geregelte Überlassungshöchstdauer auswirkt.

AEUV Art. 267; RL 2008/104/EG Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 5 Abs. 5 Satz 1; BGB §§ 242, 613a Abs. 1; AÜG § 1 Abs. 1b, § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob wegen Verletzung der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande gekommen ist.

Die Beklagte gehört einer Unternehmensgruppe an. Der Kläger war als Leiharbeitnehmer ab dem 16.6.2017 im Betrieb eines anderen Konzernunternehmens beschäftigt. Der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, ging am 1.7.2018 auf die Beklagte über. Bis zum 6.4.2022 war der Kläger weiterhin als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt.

Der Kläger ist der Ansicht, zum 16.12.2018 sei wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen. Der Betriebsveräußerer und die Beklagte als Betriebserwerberin seien im Sinne des AÜG als derselbe Entleiher anzusehen. Die Beklagte hingegen meint, die Überlassungshöchstdauer sei rechtsträger- und nicht betriebsbezogen zu bestimmen. Im Übrigen gelte für sie ein Tarifvertrag, der die Überlassungshöchstdauer auf 48 Monate verlängert habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das LAG hat festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 16.6.2021 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG ruft den EuGH an und stellt ihm im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens folgende Fragen:
  • 1. Sind Betriebsveräußerer und -erwerber bei der Frage einer „vorübergehenden“ Überlassung als ein entleihendes Unternehmen zu werten?
  • 2. Gilt ggf. etwas anderes, wenn Veräußerer und Erwerber demselben Konzern angehören?
  • 3. Wenn kein einheitliches Unternehmen vorliegt, sind dann die Einsatzzeiten bei Veräußerer und Erwerber im Rahmen einer Missbrauchskontrolle zu berücksichtigen?
Zunächst stellt das BAG fest, dass die von der Beklagten geltend gemachte Verlängerung auf 48 Monate nicht eingreift, weil sie vom Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht erfasst wird.

Die Frage, ob es sich beim Betriebsveräußerer und Betriebserwerber um ein „entleihendes Unternehmen“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d RL 2008/104/EG handele, sei vom EuGH zu entscheiden. Im nationalen Recht werde die Frage, ob in dieser Konstellation derselbe Entleihers i.S.v. § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG vorliege, kontrovers diskutiert. Zwar spreche der Wortlaut dafür, dass es sich bei Veräußerer und Erwerber nicht um denselben Entleiher handeln; doch könne es unionsrechtlich geboten sein, unter Berücksichtigung des vorübergehenden Charakters der Arbeitnehmerüberlassung die Überlassungszeiten beim Veräußerer und Erwerber zusammenzurechnen.

Sollte der EuGH die erste Frage verneinen, sei es gleichwohl möglich, dass ein entleihendes Unternehmen vorliege, wenn Veräußerer und Erwerber demselben Konzern angehören. Diese Frage stelle sich deshalb, weil der EuGH in der Rechtssache „Albron Catering“ (EuGH, Urt. v. 21.10.2010 – C-242/09, ECLI:EU:C:2010:625 = ArbRB 2010, 358 [Hülbach]) den Übergang des Arbeitsverhältnisses eines beim Veräußerer beschäftigten Leiharbeitnehmers angenommen habe, wenn der Betriebsübergang konzernintern erfolgt sei.

Verneine der EuGH die beiden ersten Fragen, sei zu entscheiden, ob die Weiterbeschäftigung eines Leiharbeitnehmers beim Betriebserwerber im Rahmen einer Missbrauchskontrolle nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 RL 2008/104/EG zu berücksichtigen sei. Im konkreten Fall geht das BAG allerdings davon aus, dass eine Überlassungsdauer von unter fünf Jahren noch „vorübergehend“ ist und deshalb kein Missbrauch vorliegt.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „Arbeits-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Arbeitsrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme