BAG, Urt. 12.11.2024 - 9 AZR 13/24

Arbeitnehmerüberlassung und Konzernprivileg

Autor: Rechtsanwalt & Mediator Dr. Ralf Steffan, Prehm Steffan Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2025
Die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen unterfällt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG dann nicht dem AÜG, wenn der Arbeitnehmer nicht „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“ wird. Dieses sog. Konzernprivileg ist indes bereits dann ausgeschlossen, wenn entweder die Einstellung des Arbeitnehmers oder die Beschäftigung der Überlassung dient.

RL 2008/104/EG; AÜG § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1a, § 10 Abs. 1; ArbGG § 74 Abs. 1, § 46g; ZPO §§ 233, 234

Das Problem

Der Kläger war ca. acht Jahre lang bei einem Unternehmen angestellt. Seine Arbeit leistete er jedoch bei der Beklagten, die zum selben Konzern gehört wie die Vertragsarbeitgeberin. Die genauen Umstände der Arbeitsleistung sind umstritten.

Der Kläger ist der Ansicht, mit der Beklagten bestehe ein Arbeitsverhältnis wegen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung. Nach Ansicht der Beklagten lag bereits keine Arbeitnehmerüberlassung vor; außerdem sei ein Arbeitsverhältnis mit ihr nicht zustande gekommen, weil das AÜG aufgrund des Konzernprivilegs nicht anwendbar sei.

Das LAG hat angenommen, dass aufgrund des Konzernprivilegs in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG kein Arbeitsverhältnis zur Beklagten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 AÜG zustande gekommen ist. Das Konzernprivileg gelte nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt und auch zu diesem Zweck beschäftigt worden sei. Vorliegend fehle es bereits an der Einstellung zum Zweck der Überlassung.

Die Entscheidung des Gerichts

Nach Ansicht des BAG findet das Konzernprivileg hingegen auch dann keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt, wohl aber zum Zweck der Überlassung beschäftigt wird. Zwar spreche der Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG („eingestellt und beschäftigt“) auf den ersten Blick für ein kumulatives Verständnis, doch könne die Konjunktion „und“ auch eine Aufzählung oder Aneinanderreihung zum Ausdruck bringen.

Diese Auslegung sei nach Sinn und Zweck und Systematik des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sowie nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers geboten. Im Gesetzgebungsverfahren sei das Konzernprivileg zunächst nur dann vorgesehen gewesen, wenn die Arbeitnehmer „nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt“ worden seien; im weiteren Verfahren sei die Regelung dann um die Wörter „und beschäftigt“ ergänzt worden. Dadurch sollte explizit sichergestellt werden, dass es nicht allein auf den bei Abschluss des Arbeitsvertrags festgelegten Leistungsinhalt ankomme, sondern auch darauf, dass der Arbeitnehmer später nicht zum Zweck der Überlassung beschäftigt werde. Diesem Verständnis entspreche die Systematik des AÜG, nach der es nicht auf die vertragliche, sondern die tatsächliche Überlassung ankomme.


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