BAG, Urt. 18.6.2025 - 2 AZR 96/24 (B)

Kein Verzicht auf Arbeitszeugnis vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Autor: RAin FAinArbR Dr. Cornelia Marquardt, maat Rechtsanwälte, München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2025
Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein Arbeitnehmer nicht wirksam auf die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses verzichten.

GewO § 109 Abs. 1; BGB § 134; EGBGB a.F. Art. 30 Abs. 1, Art. 34 Abs. 1

Das Problem

Neben einem Bestandsstreit war vorliegend über die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses zu entscheiden. Die Arbeitsvertragsparteien machten vorliegend von einer Rechtswahl Gebrauch und erklärten US-amerikanisches Recht, insbesondere das Recht des Bundesstaats Illinois, für anwendbar. Dieses sieht für Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses vor.

Die Entscheidung des Gerichts

Trotz der vorgenommenen Rechtswahl bejaht das BAG einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Dieser ergebe sich vorliegend aus § 109 Abs. 1 GewO, bei dem es sich um eine international zwingende Norm i.S.v. Art. 30 Abs. 1 EGBGB a.F. handle. Danach dürfe eine vereinbarte Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht den Schutz zwingenden deutschen Arbeitsrechts entziehen, wenn dieses nach den objektiven Anknüpfungen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB a.F. ohne die Rechtswahl anzuwenden wäre.

Art. 30 Abs. 1 EGBGB a.F. habe gegenüber Art. 34 EGBGB a.F., der nur Eingriffsnormen regle, eine eigenständige Bedeutung, weil die separate Regelung sonst überflüssig wäre. Für die Frage der dadurch zur Anwendung kommenden Vorschriften gelte ein im Vergleich zu Art. 34 EGBG a.F. abgesenkter Maßstab. „Zwingende Bestimmungen“ i.S.v. Art. 30 Abs. 1 EGBGB a.F. seien deshalb alle Vorschriften, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen (vgl. bereits BAG, Urt. v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15 Rz. 83, MDR 2017, 1371 = Otto Schmidt online; BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR 741/13 Rz. 39, IPRax 2015, 342). Die Dispositivität einer Vorschrift richte sich dabei nach dem nationalen Recht, das ohne Rechtswahl gelten würde.

Aufgrund der erheblichen Bedeutung, die das Arbeitszeugnis für das weitere berufliche Fortkommen von Arbeitnehmern habe, könne auf dieses jedenfalls vor der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht wirksam verzichtet werden, da insoweit die Möglichkeit der Druckausübung seitens des Arbeitgebers bestehe. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Vereinbarungen, die einen Zeugnisanspruch ausschließen, seien deshalb nach § 134 BGB nichtig.


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