BGH, Urt. 18.6.2025 - VIII ZR 291/23

Anspruch auf Nutzungsentschädigung setzt Rücknahmewillen des Vermieters voraus

Autor: Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 09/2025
a) Ein zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung gem. § 546a BGB erforderliches Vorenthalten der Mietsache liegt nur dann vor, wenn der Mieter die Räumlichkeiten entgegen dem Willen des Vermieters nicht zurückgibt.b) Der Vermieter hat den erforderlichen Rückerlangungswillen dann nicht, wenn er von der Unwirksamkeit einer Mieterkündigung und deshalb dem Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht.

BGB § 546a Abs. 1

Das Problem

Gibt der Mieter nach Ende des Mietverhältnisses die Wohnung nicht an den Vermieter zurück, schuldet er gem. § 546a Abs. 1 BGB mindestens die bisherige Miete und höchstens die aktuelle Marktmiete als Nutzungsentschädigung, wenn ein Fall der Vorenthaltung vorliegt. Das ist nicht bei jeder Nichtrückgabe der Fall. Insbesondere in den Fällen, in denen der Vermieter die Mietsache gar nicht zurückerhalten will, weil er vom weiteren Bestand des Mietverhältnisses ausgeht, scheiden Ansprüche nach § 546a BGB aus.

So war es auch vorliegend. Der Mieter hatte einen Mietvertrag nach einem Jahr ordentlich gekündigt, obwohl die Parteien das Kündigungsrecht für fünf Jahre ausgeschlossen hatten. In einem Vorprozess war die Wirksamkeit der Kündigung rechtskräftig für wirksam gehalten worden. Der Mieter wohnte auch nicht mehr in der Wohnung, lagerte dort jedoch noch eine Einbauküche und einige Möbelstücke. Später kündigte der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich wegen Zahlungsverzugs. Am 15.10.2018 gab der Kläger die zur Mietsache gehörenden Schlüssel an den Beklagten heraus. Die Parteien stritten in der Folge um die Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung. Das AG hat das Bestehen eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung gem. § 546a BGB verneint. Die dagegen gerichtete Berufung des Vermieters hat das LG zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Die zugelassene Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH hat auf seine bisherige ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach ein Anspruch nach § 546a BGB ein Vorenthalten verlangt. Ein solches Vorenthalten setzt sich aus zwei Tatbestandsmerkmalen zusammen, die kumulativ vorliegen müssen, nämlich das Unterlassen der Herausgabe der Mietsache durch den Mieter und der Rücknahmewille des Vermieters. Gerade an diesem letzten Merkmal fehlt es, wenn der Wille des Vermieters nicht auf die Rückgabe der Mietsache gerichtet ist, etwa weil er vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht. Soweit in der Literatur ganz vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass der Vermieter in diesen Fällen einen bedingten Rücknahmewillen hätte, falls die Kündigung wirksam sei, lehnt der Senat diese Auffassung ausdrücklich als unbillig ab. Diese Auffassung hätte zur Folge, dass das wirtschaftliche Risiko, das sich einzig daraus ergibt, dass der Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Mieter für unwirksam hält, ohne sachlichen Grund einseitig auf den Mieter verlagert würde. Selbst in den Fällen, in denen sich die Auffassung des Mieters als richtig herausstellen sollte, müsste er Zahlungen in Höhe der bisherigen Miete leisten.

Demgegenüber führt die Rechtsprechung des BGH zu dem sach- und interessengerechten Ergebnis, dass die Rechtsunsicherheit, die im Fall eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer vom Mieter ausgesprochenen Kündigung bis zur (gerichtlichen) Klärung für beide Seiten gleichermaßen besteht, zu Lasten derjenigen Partei geht, deren Standpunkt sich als unzutreffend erweist. Stellt sich heraus, dass die Kündigung des Mieters unwirksam ist, steht dem Vermieter aus § 535 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf die vereinbarte Miete für die Laufzeit des Mietvertrags auch dann zu, wenn der Mieter bereits aus der Wohnung ausgezogen ist und in diesem Zeitraum auch sonst keine Nutzungen aus der Wohnung gezogen hat. Erweist sich die Kündigung des Mieters hingegen als wirksam, hat der Vermieter für den Zeitraum nach Beendigung des Mietverhältnisses weder aus § 535 Abs. 2 BGB noch nach Maßgabe des § 546a Abs. 1 BGB einen Anspruch in Höhe der vereinbarten Miete.


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