BGH, Urt. 31.7.2025 - I ZR 131/23

Urheberrechtswidrigkeit eines Werbeblockers – Werbeblocker IV

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 09/2025
Die Verneinung eines Eingriffs in ein urheberrechtlich geschütztes Recht bei gleichzeitiger Unterstellung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des in Rede stehenden Schutzgegenstands kommt nur dann in Betracht, wenn der als urheberrechtlich geschützt unterstellte Gegenstand selbst und die seinen Schutz begründenden Merkmale eindeutig bestimmt sind.

UrhG §§ 69a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 69c Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 Satz 1

Das Problem

Das Browser-Plugin „Adblock Plus“ blockiert den Abruf von Werbeinhalten oder verhindert deren Anzeige nach dem Laden anhand von Black- und Whitelists mit spezifischen Serverpfaden sowie globalen Dateimerkmalen von Werbeanzeigen. Die in den Arbeitsspeicher des jeweiligen Browsers heruntergeladene HTML-Datei einer Website enthält direkt darstellbare Elemente, Verweise zur weiteren Inhalteanforderung auf etwa AdServer sowie teilweise JavaScript zur situativ angepassten Seitendarstellung. Der Browser interpretiert das HTML-Dokument mittels Parsing-Engine zu einem DOM-Knotenbaum, dessen Knoten initial und auch später durch JavaScript verändert werden. DOM und formatierendes CSSOM werden als temporären Datenstrukturen in den Render Tree zusammengeführt und vom Werbeblocker beeinflusst.

Der Springer-Verlag betreibt Online-Portale seiner Zeitungen und hat den technischen Betrieb an ein externes Unternehmen ausgelagert. Neben der Werbeunterdrückung kam es im Jahr 2016 durch fehlerhaften Eintrag in einer Blacklist zur Nichtanzeige bestimmter redaktioneller Elemente.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Klage des Verlags gegen den Anbieter des Adblockers sowie dreier seiner ehemaligen Geschäftsführer auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen abändernder Vervielfältigung und Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 1 und 2 UrhG werde zurückverwiesen.

Schutzumfang:Geschützt sei nach § 69a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 UrhG der Text von Quellcode und Objektcode als Folge von Befehlen, da sie die Vervielfältigung oder spätere Entstehung des Programms ermöglichten, während insb. seine Funktionalität oder Elemente zu deren Benutzung nicht geschützt seien (Rz. 24–28; EuGH v. 17.10.2024 – C-159/23 – Sony Computer Entertainment Europe Rz. 37 f., CR 2025, 46 = ITRB 2025, 3 [Kötter]).

Unzureichende Bestimmung des Programmcodes:Die Verneinung eines Eingriffs – hier in den Schutzbereich einer Umarbeitung gem. § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG – setze die eindeutige Bestimmung der Schutz begründenden Merkmale des konkreten Schutzgegenstands voraus, woran es hier fehle (Rz. 31–34 m.w.N.; Ls. 1 und 2).

Datenstrukturen als Steuerbefehle:Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass lediglich in die Programmausführung eingegriffen werde, aber einzelne Programmbefehle blockiert und überschrieben würden und auch aktiv und direkt Code in den vom Browser erzeugten Datenstrukturen verändert werde, sei widersprüchlich. Die Beurteilung des LG, dass die Webseitenprogrammierung nicht betroffen sei, weil die DOM-Datenstrukturen wegen deren permanenter Änderung nicht Ausdruck des Webseitenprogramms seien, verkenne rechtsfehlerhaft, dass es sich bei den dadurch entstehenden Datenstrukturen weiterhin um Steuerbefehle handele (Rz. 35–38).

Bytecode als Ausdrucksform des Seitenprogramms:Es sei zu Unrecht angenommen worden, der DOM-Knotenbaum sei keine Übersetzung des Webseitenprogramms entsprechend Quell- und Objektcode, da die virtuellen Browser-Engines rechnerunabhängig durch Bytecode mit Just-in-time-Kompilierung zu Objektcode gesteuert würden. Wenn DOM-Knotenbaum und CSSOM ausführbare Programmbefehle etwa in Form von Get-Befehlen zum Nachladen redaktioneller oder werblicher Inhalte enthielten, dann handle es sich um die Ausdrucksform der Webseitenprogrammierung, in die vom Werbeblocker durch Befehlsunterdrückung unter Fehlermeldung im Browser eingegriffen werde (Rz. 40 f.).

Bestimmung der Ausdrucksform:Für die Frage der Umarbeitung oder abändernden Vervielfältigung sei zu prüfen, ob das Webseitenprogramm (Byte-)Code als urheberrechtlich geschützte Ausdrucksform enthalte oder erzeuge. Dies sei der Fall, wenn dieser Code – vergleichbar mit Quell- und Objektcodes – die Vervielfältigung oder spätere Entstehung des Webseitenprogramms ermögliche, als sich im Text dieser Codes widerspiegelnde geistige Schöpfung anzusehen sei und sich ebenfalls als buchstäblicher Ausdruck des Computerprogramms i.S.e. vom Programmierer vorgesehenen Befehlsfolge zur Ausführung bestimmter Aufgaben durch den Computer darstelle. Es komme darauf an, ob – anders als im Verfahren „Action Replay“ – nicht lediglich vom Programm im Arbeitsspeicher abgelegte variable Daten verändert würden, sondern der vom Bytecode erstellte Objektcode als Ausdrucksform der Webseitenprogrammierung selbst (Rz. 42, 45 f. m.w.N.).

Weitere Anspruchsvoraussetzungen:Ggf. sei zu prüfen, ob eine abändernde Vervielfältigung oder Umarbeitung vorliege, ob der Verlag über die ausschließlichen Nutzungsrechte verfüge, ob eine urheberrechtliche Einwilligung oder aber eine zustimmungsfreie Handlung gem. § 69d Abs. 1 UrhG, § 44a UrhG vorgelegen habe und ob der Anbieter oder dessen ehemalige Geschäftsführer als Täter, Mittäter oder Gehilfen verantwortlich seien (Rz. 47).


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