Grundstückskauf

03.08.2012, Autor: Herr Erik Hauk / Lesedauer ca. 8 Min. (1707 mal gelesen)
Herr und Frau A ließen am 24. November 2006 als Käufer ein Angebot an die Verkäuferin B zum Kauf eines mit einem Altbau aus dem Jahre 1920 bebauten Grundstücks für 123950 € notariell beurkunden. Das Angebot enthält einen Haftungsausschluss für Sachmängel und sollte vier Wochen nicht widerruflich sein. Am 30. November 2006 besichtigten Herr und Frau A das Anwesen mit dem Makler, den sie mit der Vermittlung eines Käufers für den von vornherein beabsichtigten Weiterverkauf des Anwesens beauftragt hatten und stellten –nach dem Auszug der bisherigen Bewohner sichtbar gewordene- Feuchtigkeitsschäden fest. Sie teilten der Beklagten mit Schreiben vom 3. Dezember 2006 mit, sie erwarteten von der Verkäuferin, dass sie die Kosten der Beseitigung der Schäden von etwas 30000,- € übernehmen werde. Die Verkäuferin erhielt das Angebot des Ehepaares A mit einem bei ihr am 14. Dezember 2006 eingegangenen Telefax des Notars vom 12. Dezember 2006 und nahm es am 27.Dezember 2006 formgerecht an. Zu diesem Zeitpunkt kannte sie die Feuchtigkeitsschäden. Das Ehepaar A verkauften das Anwesen Ende 2007 unsaniert für 133000,- € und verlangen Ersatz der Schadensbeseitigungskosten, die auf 35000,- € beziffert wurden, sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1604,12 €, jeweils nebst Zinsen.

Der Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten lässt sich sowohl auf §§ 437 Nr. 3 i. V. m. 441 Abs. 1 und 4 und 346 Abs. 1 BGB auf Minderung als auch §§ 437 Nr. 2 BGB i. V. m. 280 Abs. 1 und 3 und 281 BGB auf Schadensersatz statt des ausgefallenen Leistungsteils stützen. Der Kaufvertrag ist wirksam zustande gekommen. Die Verkäuferin hat das Angebot zwar erst nach Ablauf von vier Wochen seit dem Tag der Beurkundung angenommen. Die Annahmefrist von vier Wochen begann aber nicht schon mit dem Tag der Beurkundung zu laufen, sondern erst mit dem Tag, an dem das Angebot und damit auch die in ihm vorgesehene Annahmefrist wirksam geworden sind. Das ist nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB der Tag, an dem das Angebot der Verkäuferin zugegangen ist, also am 14. Dezember 2006. Die Angebotsfrist, zu deren Einhaltung nach dem Angebot nur die rechtzeitige Abgabe der Annahmeerklärung, nicht auch deren rechtzeitiger Zugang bei dem Ehepaar A erforderlich war, ist durch die Erklärung der Verkäuferin vom 27. Dezember 2006 gewahrt. Das verkaufte Grundstück hatte einen Mangel. Feuchtigkeitserscheinungen stellen bei einem sehr alten Gebäude wie dem hier verkauften zwar nicht immer einen Mangel dar, die Feuchtigkeit war aber so erheblich, dass sie zur Bildung von Schimmel geführt und damit die Nutzung der Kellerräume in einem auch bei Altbauten nicht mehr bauartbedingt hinzunehmenden Umfang beeinträchtigt hatte. Diesen Mangel hat die Verkäuferin auch zu vertreten, worauf es bei einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ankommt. Die Verkäuferin hat die im Verkehr gebotene Sorgfalt im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB verletzt. Sie hat das Kaufangebot des Ehepaares A angenommen, ohne die Feuchtigkeitsschäden zu beseitigen und ohne auf die Aufnahme einer entsprechenden Vereinbarung in den Kaufvertrag zu dringen, obwohl sie jedenfalls bei Annahme des Angebots die Feuchtigkeitsschäden kannte. Die Ansprüche scheitern auch nicht an dem vertraglich vereinbarten Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Für die hier vorliegenden Feuchtigkeitsschäden gilt der Haftungsausschluss nicht. Der Haftungsausschluss bedarf der Auslegung. Die Auslegung ergibt, dass der Haftungsausschluss einschränkend auszulegen ist und für den Kaufentschluss eines Käufers wesentliche Mängel nicht erfasst, die der Verkäuferin bei Annahme des Angebots bekannt waren. Die Entscheidung darüber, ob sie den Grundstückskaufvertrag in einer gemeinsamen Verhandlung vor dem Notar schließen oder ob sie den Weg einer getrennten Beurkundung von Angebot und Annahme wählen oder wer von ihnen welche dieser beiden Erklärungen beurkunden lassen soll, treffen die Parteien nach praktischen Gesichtspunkten oder im Hinblick darauf, dass sich eine Partei ihre Entscheidung, ob sie den Vertrag schließen möchte, noch einige Zeit offen halten möchte. Die Wahl der Vertragsschlusstechnik wird dagegen nicht durch das im Vertrag geregelte Haftungsrecht bestimmt und hat ihrerseits darauf keinen Einfluss. Auszugehen ist vielmehr davon, dass die Parteien unabhängig von der gewählten Technik den Vertrag so abschließen wollen, als wenn sie beide von zu einer gemeinsamen Verhandlung vor dem Notar zusammenkämen. Ihre wechselseitige Rechtsstellung soll nicht besser, aber auch nicht schlechter sein, wenn sie stattdessen den Weg einer getrennten Beurkundung wählen, und auch nicht davon abhängen, ob der Käufer oder der Verkäufer das Angebot macht. Deshalb sind die Vertragserklärungen der Parteien bein einem Vertragsschluss durch eine gesondert beurkundete Annahme eines Angebots so auszulegen, dass sie inhaltlich einem unter Teilnahme beider Parteien beurkundeten Vertrag entsprechen. Bei gemeinsamer Teilnahme der Vertragsparteien am Beurkundungstermin träfe den Verkäufer die Pflicht, verborgene Mängel oder Umstände, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, auch ungefragt dem Käufer zu offenbaren, wenn sie für dessen Entschluss von Bedeutung, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind. Der Käufer hätte dann Gelegenheit, mit dem Verkäufer über Änderungen des Vertragstextes zu verhandeln oder von dem Vertragsschluss Abstand zu nehmen. Diese Möglichkeit besteht bei einem gestreckten Vertragsschluss durch gesonderte Annahme des Vertragsangebots des Käufers durch den Verkäufer nicht. Der Käufer wäre bei einem Vertragsschluss auf diesem Weg auch nicht in der Lage, auf Hinweise des Verkäufers zu Mängeln zu reagieren. Sein Vertragsangebot ist nach Zugang bei dem Verkäufer bindend. Er kann es weder zurückziehen noch ändern. Er kann nicht verhindern, dass der Verkäufer das Angebot annimmt. Für den Verkäufer ist bei dieser Situation offensichtlich, dass der Käufer den in das Angebot aufgenommenen Haftungsausschluss nicht für Mängel gelten lassen will, die der Verkäufer bei Erklärung der Annahme kennt. Offenbaren müsste der Verkäufer ihm diese Mängel zwar nur, wenn sie einer Besichtigung nicht zugänglich und nicht ohne weiteres erkennbar sind. Ob und zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen eingetreten sind, kann der Käufer aber bei Abgabe und Zugang seines Angebots typischerweise nicht einschätzen. Er kann dem Verkäufer sinnvollerweise nur einen Haftungsausschluss für Mängel anbieten, die dieser nicht kennt, und es ihm überlassen, ob er von der Annahme des Angebots absieht oder ob er das Angebot mit dem eingeschränkten Haftungsausschluss annimmt und eine etwaige Kenntnis des Käufers von dem Mangel nach Maßgabe des § 442 BGB einwendet. Gemäß § 442 Abs. 1Satz 1 BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels, den er bei Vertragsschluss kennt, ausgeschlossen. Zustande gekommen ist der Kaufvertrag hier mit der Annahme des Vertragsangebotes von Ehepaar A durch die Verkäuferin. Zu diesem Zeitpunkt waren dem Ehepaar A die Feuchtigkeitsschäden bekannt. Auf das förmliche Zustandekommen des Vertrags kommt es jedoch bei einem gestreckten Vertragsschluss nicht an. In dieser Fallkonstellation ist die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend auszulegen. Maßgeblich ist bei einem so zustande gekommenen Vertrag die Kenntnis des Käufers vom Mangel bei Beurkundung des Angebots, nicht bei Annahme des Angebots durch den Verkäufer. Ein notariell beurkundetes Vertragsangebot wird erst abgegeben, wenn der Notar es dem Verkäufer zuleitet. Wann dies geschieht, darauf hat der Käufer regelmäßig keinen Einfluss. In aller Regel erfährt er dies nicht einmal. Es fragt sich deshalb, ob es auf die Absendung des Angebots durch den Notar ankommt oder auf die Beurkundung der Erklärung. Grundsätzlich ist der Zeitpunkt der Abgabe des Angebots, bei einem notariell beurkundeten Angebot der Zeitpunkt der Beurkundung des Angebots durch den Notar maßgeblich. Der Vorschrift des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass der Käufer nicht in seinen berechtigten Erwartungen getäuscht wird, wenn er den Kauf trotz des Mangels gewollt hat. Er ist dann nicht schutzwürdig, denn mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen stellt er sich in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten, nämlich den Vertragsabschluss in Kenntnis des Mangels. Die Vorschrift stellt daher auf die Kenntnis des Käufers von dem Mangel bei Vertragsschluss ab. Wenn die Annahme des Angebots des Käufers durch den Verkäufer zeitlich versetzt erfolgt, führt das Abstellen auf das förmliche Zustandekommen des Vertrags zu einem von dem Zweck des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr gedeckten Ausschluss von Mängelrechten. Die Gewährleistungsansprüche des Käufers werden dann nämlich auch für Mängel ausgeschlossen, die er bei Beurkundung seiner Vertragserklärung nicht kannte. Der Haftungsausschluss lässt sich auch nicht mit einem widersprüchlichen Verhalten des Käufers rechtfertigen. Dieser kann sich von dem Angebot nicht mehr einseitig lösen und den Vertragsschluss verhindern, wenn er nachträglich Kenntnis von einem Mangel erhält. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sein Angebot zu diesem Zeitpunkt dem Verkäufer zugegangen ist. Er kann davon ausgehen, dass der Verkäufer das Angebot nur annimmt, wenn er die darin vorgeschlagenen Verkäuferpflichten auch erfüllen kann und sich dessen notfalls vor Annahme des Angebots vergewissert. Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten wegen solcher Mängel kann ihm dann nicht als widersprüchliches Verhalten angelastet werden. Die Vorschrift muss deshalb ihrem Zweck entsprechen eingeschränkt werden. Ausgeschlossen sind nur Mängel, die der Käufer bei Beurkundung seines Angebots kannte. Nichts anderes gilt, wenn der Käufer in dem Zeitpunkt, in dem er von dem Mangel erfährt, seine Vertragserklärung noch nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB widerrufen könnte. Mit dem Widerruf könnte er sich zwar von der Bindung an sein Angebot lösen. Nutzen kann er diese Möglichkeit aber nur, wenn er die rechtliche Möglichkeit, sich von seiner Erklärung zu lösen, und die tatsächlichen Voraussetzungen dafür kennt oder wenigstens Veranlassung hat, sich nach beidem zu erkundigen. Das ist möglich, wenn der Käufer nach Abschluss eines nichtigen Vertrags, aber vor dessen Heilung von dem Mangel erfährt, von der Nichtigkeit aber keine Kenntnis hatte. Für das Fehlen der Kenntnis von einer Widerrufsmöglichkeit nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt nichts anderes. An der Kenntnis wird es typischerweise fehlen, weil der Käufer die Weiterleitung eines notariell beurkundeten Angebots gewöhnlich nicht verfolgen kann und daher nicht weiß, wann es dem Verkäufer zugeht. Deshalb kann dem Käufer auch bei theoretischer Widerruflichkeit seines Angebots der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens nicht gemacht werden. Das gilt auch für die zusätzliche Lösungsmöglichkeit, die sich für einen Käufer bei der Abgabe eines notariellen Angebots ergeben kann. Bei einem solchen Angebot könnte der Käufer schon die förmliche Abgabe vermeiden, wenn er nachträglich von dem Mangel erfährt. Er müsste den Notar nur anweisen, von der Zuleitung des Angebots an den Verkäufer abzusehen. Voraussetzung dafür ist, dass der Notar das Angebot noch nicht dem Verkäufer zugeleitet hat. Auch diese Möglichkeit kann der Käufer nur nutzen, wenn er weiß oder wenigstens Anhaltspunkte dafür hat, dass der Notar noch nicht tätig geworden ist. Das ist ein Ausnahmefall. Normalerweise fertigt der Notar ein Angebot unverzüglich aus. Das wird insbesondere dann gelten, wenn es befristet sein soll. Deshalb kann dem Käufer auch unter diesem Gesichtspunkt regelmäßig nicht der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens gemacht werden, wenn er sich auf einen Mangel beruft, von dem er nach Beurkundung seines Angebots Kenntnis erlangt hat. Etwas anderes gilt nur, wenn der Käufer die Versendung seines Angebots selbst hinausgezögert hat oder wenn er Veranlassung hatte, sich nach Möglichkeiten zu erkundigen, den Eintritt der Bindungswirkung seines Angebots zu verhindern, und rechtzeitig hätte entsprechend tätig werden können. Denn dann verhielte er sich widersprüchlich. Er ließe den Vertrag in Kenntnis des Mangels zustande kommen, obwohl er das hätte verhindern können. Das entspricht dem Verhalten, das nach § 442 BGB zum Ausschluss von Mängelrechten führen soll. Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift im vorbeschriebenen Sinn wäre dann nicht gerechtfertigt. Es bliebe beim Wortlaut der Regelung in § 442 Abs. 1 BGB, wonach es auf die Kenntnis des Käufers bei Zustandekommen des Vertrages ankommt. Lassen sich Mängelansprüche nicht ausschließen, kann auch ein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB begründet sein.

Quelle: BGH, Urteil vom 15.06.2012, Az. V ZR 198/11