LG Berlin II, Urt. 9.4.2025 - 64 S 101/24

Vorschussanspruch schließt Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus

Autor: RA FAMuWR Norbert Monschau, Anwaltkooperation Schneider | Monschau, Erftstadt, Köln, Neunkirchen-Seelscheid
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2025
1. Die Erklärung, „mit dem Anspruch auf die Kosten für die Mängelbeseitigung“ aufzurechnen, stellt eine prozessual zulässige Aufrechnungserklärung nur dar, wenn die zur Aufrechnung gestellte Aktivforderung entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nach Gegenstand und Grund hinreichend genau bezeichnet ist; dies setzt die konkrete Angabe der zu beseitigenden Mängel sowie zumindest die Skizzierung der durchzuführenden Maßnahmen und der dadurch entstehenden Kosten voraus.2. Die ausdrückliche Erhebung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB wirkt ex tunc auf den Zeitpunkt der Entstehung des Zurückbehaltungsrechts zurück, lässt also einen etwaigen Kündigungsgrund wegen Zahlungsverzugs rückwirkend entfallen. Neben dem – bloß vorübergehenden – Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB, welches zudem zeitlich und betragsmäßig beschränkt ist, steht einer Mieterin im Falle eines bestehenden Selbstbeseitigungsrechts Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten zu, mit dem sie gegen die Miete aufrechnen kann. Wegen dieses Vorschussanspruchs steht der Mieterin neben der Aufrechnung während der „Ansparung“ des Vorschussbetrages auch ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB i.V.m. § 536a Abs. 2 BGB zu (Anschluss/Abgrenzung BGH v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 = MietRB 2015, 291 u. 294 [Wichert] = MDR 2015, 876 = ZMR 2015, 11 = ZMR 2015, 868).3. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 oder § 320 BGB entfällt, wenn der Mieter ein ordnungsgemäß angebotenes Sanierungskonzept nach § 294 BGB verweigert. Dazu muss die Ankündigung nach § 555a Abs. 2 BGB Beginn, Dauer und Einschränkungen der Maßnahme schlüssig benennen. Wird die Nutzbarkeit des einzigen Bades pauschal zugesichert, obwohl es faktisch gesperrt werden muss, liegt kein wirksames Angebot vor.

BGB §§ 273, 294, 320, 535, 536a, 555a

Das Problem

Die Vermieterin von Wohnraum verlangt Räumung sowie Zahlung rückständiger Miete und Nebenkosten. Die Mieterin macht geltend, die Miete sei wegen Schimmel, Feuchtigkeit, eines defekten Fensters und eines unbrauchbaren Badezimmers erheblich gemindert. Sie habe mit einem Vorschussanspruch zur Mängelbeseitigung aufgerechnet. Die Vermieterin beruft sich auf fehlende Mitwirkung an der Sanierung und kündigte das Mietverhältnis mehrfach wegen Zahlungsverzugs. Das AG wies die Klage ab und verurteilte die Vermieterin zur Mängelbeseitigung.

Die Entscheidung des Gerichts

Ihre Berufung war überwiegend erfolglos. Die Kündigungen seien unwirksam, da die Mieterin sich jedenfalls auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB i.V.m. § 536a Abs. 2 BGB berufen könne. Zwar habe die ursprünglich erklärte Aufrechnung nicht den Anforderungen des § 388 BGB genügt, sie sei jedoch als Leistungsverweigerungsrecht umzudeuten. Dieses sei nicht wie § 320 BGB zeitlich begrenzt und bestehe unabhängig von einer konkreten Bezifferung, sofern der geltend gemachte Vorschussanspruch – wie hier – den Mietrückstand übersteige. Ein Verzug sei damit nicht eingetreten. Die Vermieterin habe die Sanierungsmaßnahme i.S.v. § 555a Abs. 2 BGB nicht wirksam angekündigt; Dauer und Einschränkungen seien nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Dass das Bad während der Fliesenarbeiten uneingeschränkt nutzbar bleibe, sei nicht plausibel. Ein Duldungsanspruch bestehe daher nicht. Die Zahlungsklage sei infolge wirksamer Aufrechnung unbegründet. Die Verpflichtung zur vollständigen Neuverfliesung sei jedoch auf die Wiederherstellung der beschädigten Flächen zu beschränken; insoweit sei die Berufung begründet.


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