LG Frankenthal, Urt. 18.9.2018 - 6 O 39/18

Unzulässige negative Bewertung ohne belastbaren Tatsachenkern

Autor: RA Dr. jur. Thomas Schulteis, LL.M., Gladbeck
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 02/2019
Der Betreiber eines Internetportals, in dem ärztliche Leistungen mit Textbeiträgen und Schulnoten bewertet werden können, hat die Veröffentlichung negativer Beurteilungen derartiger Leistungen zu unterlassen, wenn er für die Beurteilung keinen belastbaren Tatsachenkern aufweisen kann und die Beurteilung den Arzt in seinen Rechten aus Art. 1, Art. 2 und Art. 12 GG verletzt.

LG Frankenthal, Urt. v. 18.9.2018 - 6 O 39/18

GG Art. 1 Abs. 1, 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004; StGB § 185; TMG §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 6

Das Problem

Ein Hostprovider betreibt ein Internet-Bewertungsportal, in dem Patienten ohne Nennung ihres Klarnamens ärztliche Leistungen mit Textbeiträgen und Schulnoten bewerten können. In dem Portal verfasste ein Patient eine Bewertung unter der Überschrift „Überaus unhöflich und unprofessionell”, wonach er sich „während der Behandlungszeiten immer sehr unwohl” gefühlt hatte und er den Bewerteten „für einen extrem schlechten Arzt” und „ganz furchtbaren Mensch” hält, dessen Umgang mit ihm „als Patient eine Katastrophe” war; die Behandlung bewertete der Patient mit der Gesamtnote 5,2. Der betroffene Arzt forderte den Portalbetreiber zur Löschung auf, woraufhin er den Patienten in einem sog. Prüfverfahren um Stellungnahme und Belege bat und die Bewertung zunächst löschte. Der Patient erklärte u.a., nicht im Detail schildern zu wollen, was er erlebt hatte, und übersandte eine Behandlungsbescheinigung. Der Betreiber leitete dem Bewerteten die Behandlungsbescheidung fast vollständig geschwärzt zu, so dass insb. deren Datum und der Patientenname nicht erkennbar waren; sodann stellte sie die Bewertung in weiten Teilen unverändert wieder online. Der Arzt klagte daraufhin auf Unterlassung der Bewertung.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Klage sei begründet.

Unterlassungsanspruch: Dem Arzt stehe ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bewertung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu, da diese ihn in seinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und in seiner beruflichen Integrität aus Art. 12 GG verletze.

Haftung als mittelbarer Störer: Zwar sei der Portalbetreiber kein unmittelbarer Störer, da er sich nicht die Bewertung des Patienten zu eigen machte und auch nicht inhaltlich abgeändert habe. Als Hostprovider hafte er aber als mittelbarer Störer. Als solcher sei verpflichtet, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Die Haftung als mittelbarer Störer dürfe nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen hätten. Grundsätzlich zu unterlassen seien aber Äußerungen, die nicht durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt seien.

Grenzen der Meinungsfreiheit: Im vorliegenden Fall habe der Patient eine Meinung geäußert; diese müsse jedoch zumindest einen Tatsachenkern enthalten, wonach überhaupt ein Arzt/Patienten-Kontakt i.S.e. Behandlung stattgefunden habe. Ohne Behandlungskontakt überwiege das grundrechtlich gewährleistete Interesse des Bewerteten am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs-)Ehre gegenüber den von Art. 5 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Patienten an der Äußerung und des Plattformbetreibers an der Kommunikation dieser Meinung.

Keine Darlegung eines Tatsachenkerns: Zwar müsse grundsätzlich der Bewertete beweisen, dass kein Behandlungskontakt vorgelegen habe. Allerdings müsse der Provider im Rahmen der sekundären Darlegungslast und unter Wahrung der Anonymität des Patienten gem. § 13 Abs. 6 TMG Tatsachen vortragen, die der Betroffene dann möglicherweise entkräften könne. Den Betreiber eines Bewertungsportals treffe keine Pflicht, Beiträge schon vorab auf Rechtsverletzungen zu prüfen, zumal er hiermit wirtschaftlich und personell überfordert wäre. Indes habe der Arzt hier die Beanstandung so konkret gefasst, dass ein Rechtsverstoß unschwer habe bejaht werden können. Der Betreiber habe daraufhin das sog. Prüfverfahren durchzuführen und hierbei den Patienten aufzufordern, den Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Indizien zu übermitteln, die dann ggf. geschwärzt an den Bewerteten weiterzuleiten seien. Dies sei nicht im ausreichenden Maß geschehen, denn die übermittelte Stellungnahme des Patienten habe bis auf die geschwärzte Bescheinigung keinerlei belastbaren Tatsachenkern enthalten, so dass ein Schutz der Bewertung durch die Meinungsfreiheit gegenüber den Grundrechten des Arztes nicht festzustellen sei.


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