LG München I, Urt. 7.2.2024 - 14 S 10625/23

Verweigerung der Besichtigung kein zwingender Kündigungsgrund

Autor: RiAG Dr. jur. Dr. phil. Andrik Abramenko, Idstein-Walsdorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2025
Die bloße Mitteilung eines vertragswidrigen Wohnverhaltens durch einen Mitbewohner rechtfertigt nicht zwingend eine Besichtigung der Mieträume durch den Vermieter. Selbst wenn ein solches Recht besteht, kann eine ordentliche oder gar fristlose Kündigung, die auf die Verweigerung des Zutritts gestützt wird, unverhältnismäßig sein.

GG Art. 13 Abs. 1; BGB § 543 Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 1

Das Problem

Die Parteien streiten um die Räumung von Wohnraum. Auf die Mitteilung einer Mitbewohnerin, aus der Wohnung der Mieterin dringe starker Urin- und Modergeruch, begehrte die Hausverwaltung der Vermieterin Zutritt und schlug drei Besichtigungstermine vor. Dieses Schreiben sandte die Mieterin geöffnet zurück. Die Vermieterin begehrte daraufhin nochmals mit zwei weiteren Schreiben, die sie zugleich als Abmahnung bezeichnete, jeweils unter Nennung von drei Terminvorschlägen Zutritt. Auch diese schickte die Mieterin geöffnet zurück. Hierauf sprach die Klägerin mit Schreiben vom 15.6.2022 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Ihre Räumungsklage hatte erstinstanzlich Erfolg. Hiergegen richtet sich die Berufung der Mieterin.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Die Kündigung vom 15.6.2022 ist unwirksam. Denn die Voraussetzungen der §§ 543 Abs. 1, 573 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Zwar können bereits Beschwerden von Mitbewohnern über vertragswidriges Wohnverhalten den Verdacht einer Gefährdung der Mietsache und damit die Kündigung des Mietverhältnisses begründen. Dies setzt jedoch eine Einzelfallbetrachtung voraus, die hier zugunsten der Mieterin ausfällt. Denn hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass nur eine vereinzelte Beschwerde einer einzigen Mitbewohnerin vorlag, die sich zudem vorrangig über das Verhalten des Sohnes der Mieterin beklagte. Zudem war der Hausmeister 2017, 2018 und 2019 in der Wohnung, ohne unangenehme Gerüche wahrzunehmen. Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung von Gerüchen stark subjektiv geprägt ist und nur eine Momentaufnahme darstellen kann. Schließlich machte die Mieterin in der mündlichen Verhandlung zwar einen aggressiven, aber gepflegten Eindruck. Nach alledem kann die singuläre Mitteilung einer einzigen Mieterin hier kein Besichtigungsrecht der Vermieterin und somit einen Eingriff in den grundgesetzlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Mietbesitz begründen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde die Weigerung, die Besichtigung zu dulden, hier keine Kündigung rechtfertigen. Zwar ist die Kündigung in Fällen der verweigerten Besichtigung keine ultima ratio, die zunächst eine gerichtliche Geltendmachung des Duldungsanspruchs voraussetzt. Die Pflichtverletzung in Form der verweigerten Besichtigung muss jedoch eine hinreichende Schwere aufweisen, an der es umso eher fehlen kann, je geringfügiger der sachliche Grund für die Besichtigung ausfällt. Dies ist hier der Fall, da nur eine singuläre Beschwerde einer einzigen Mitbewohnerin vorliegt. In dieser Situation wäre eine Klage auf Duldung einer Besichtigung zumutbar gewesen. Zudem bestehen hier Anhaltspunkte, dass es der Vermieterin eher auf die Beendigung eines unwirtschaftlichen Mietverhältnisses ankam.


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