Schwarzfahren und seine rechtlichen Folgen

11.01.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Schwarzfahren,Beförderungsentgelt,Bus,Bahn Schwarzfahren wird oft auf die leichte Schulter genommen. Zu recht? © Bu - Anwalt-Suchservice

Viele Menschen sehen Schwarzfahren als ”Kavaliersdelikt” an. In Wahrheit handelt es sich um eine Straftat. Diese kann durchaus drastische rechtliche Folgen nach sich ziehen.

So mancher fährt aus Prinzip schwarz, manch anderer tut es aus Geldmangel, und einige auch, weil sie ihre Fahrkarte und/oder ihr Geld zu Hause vergessen haben. Oder ganz einfach, weil sie das in manchen deutschen Großstädten herrschende Ticketsystem nicht verstehen oder fremd in der Stadt sind.

Schwarzfahren – was versteht man darunter?


Der Begriff Schwarzfahren bedeutet, dass jemand ein öffentliches Verkehrsmittel – Bus, Bahn oder Tram – nutzt, ohne eine gültige Fahrkarte bei sich zu haben. Dies bedeutet natürlich für den Verkehrsbetrieb einen Einnahmeverlust. Dieser lag zum Beispiel 2012 bei den Nürnberger Verkehrsbetrieben bei 1 Million Euro, in Köln waren es 9 Millionen, in München 10, in Berlin 20 und in Hamburg sogar 24 Millionen Euro. Man sieht: Schwarzfahren verursacht aus Sicht der ÖPNV-Betreiber große Schäden. Die Verkehrsbetriebe versuchen, dem Schwarzfahren durch Kontrollen zu begegnen. Wer erwischt wird, hat ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsentgelt zu entrichten, also eine Vertragsstrafe von oft 60 Euro. Unter Umständen gibt es auch eine Strafanzeige.

Was gilt alles als Schwarzfahren?


Als Fahren ohne gültigen Fahrschein gilt es aus Sicht der Verkehrsbetriebe auch, wenn ein Ticket gefälscht oder manipuliert wurde, wenn in einer Dauerkarte die aktuelle Wertmarke fehlt, wenn jemand die Monatskarte einer anderen Person benutzt oder ein Ticket auf einer Strecke oder zu einer Zeit verwendet, für die es nicht gilt. Fehlende Unterschriften oder Passbilder auf Monatskarten machen diese ungültig.

Feiner Unterschied: Zivilrecht und Strafrecht


Hier muss man zwischen zwei Rechtsgebieten unterscheiden. Schwarzfahren hat nämlich zwei Aspekte: Zum einen werden – zivilrechtlich – die Vertragsbedingungen des Beförderungsunternehmens verletzt. Die Folge ist eine Vertragsstrafe, also eine zusätzliche Zahlung von 60 Euro.
Ein Schwarzfahrer begeht jedoch unabhängig davon auch eine Straftat, zum Beispiel die Leistungserschleichung. Für diese kann er strafrechtlich von einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Beides hat nichts miteinander zu tun. Es ist also gut möglich, dass es mit der Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes nicht getan ist.

Wie kommt es zum Vertragsabschluss?


Ist von einem Vertragsabschluss die Rede, kommt mancher auf die Idee, dass er beim Einsteigen in den Bus doch gar keinen Vertrag unterschrieben hat. Und: Für einen Vertrag braucht man doch zwei Dinge: Ein Angebot und dessen Annahme. Es kann doch nicht ausreichen, in Bus oder Bahn einzusteigen?
Doch, das tut es. Mit der Inanspruchnahme der Leistung, die ganz offensichtlich durch das Hinstellen eines Busses der Linie 17 angeboten wird, kommt stillschweigend ein Beförderungsvertrag zustande. Und damit erkennt der Fahrgast auch die Beförderungsbedingungen des jeweiligen Unternehmens an – einschließlich der Regelung, dass ohne gültige Fahrkarte 60 Euro zu zahlen sind.

Welche Straftaten kommen in Betracht?


Ob es zu einer Strafanzeige kommt, ist Sache des einzelnen Verkehrsunternehmens. Manche Verkehrsbetriebe üben eine Null-Toleranz-Politik, andere zeigen nur Wiederholungstäter an. In den meisten Fällen erfolgt eine Anzeige nach § 265a des Strafgesetzbuches (StGB) wegen des Erschleichens von Leistungen.

§ 265a StGB besagt: Wer die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Schon der Versuch ist strafbar. Üblicherweise kommt es hier zu einer Geldstrafe. Diese wird unter Umständen im Führungszeugnis verzeichnet. Aber: Während das erhöhte Beförderungsentgelt von jedem erhoben werden kann, der ohne gültiges Ticket erwischt wird, ist die Voraussetzung für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Leistungserschleichung ein Vorsatz.

Das heißt: Der Betreffende muss mit der Absicht eingestiegen sein, kostenlos befördert zu werden. Dazu hat der Bundesgerichtshof entschieden: Wer ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt und dabei den Anschein erweckt, er habe ein gültiges Ticket, begeht eine Straftat. Ausreichend dafür ist ein unauffälliges Vorgehen bzw. die Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Man muss also nicht erst irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen umgehen, damit die Gerichte von einer ”Absicht” ausgehen (Beschluss vom 8.1.2009, Az. 4 StR 117/08).

Was bringt eine Mütze mit der Aufschrift ”ich fahre schwarz”?


Und nein: Weder T-Shirts, noch Mützen, noch Zettel mit der Aufschrift ”ich fahre schwarz” ändern nach überwiegender Meinung der Gerichte irgendetwas daran, dass eine Leistung erschlichen wird. Auch mit solchen aussagekräftigen Accessoires macht man sich also strafbar (Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28.09.2015, Az. III-1 RVs 118/15, Amtsgericht Hannover, Urteil vom 24.02.2010, Az. 223 Cs 549/09).

Welche weiteren Straftaten kommen in Betracht?


Schwarzfahrer können sich unter Umständen auch wegen Betrug oder Urkundenfälschung strafbar machen. Dazu kann es kommen, wenn besondere Täuschungshandlungen vorgenommen werden, um das Schwarzfahren zu ermöglichen – beispielsweise das Abkratzen des Entwertungsstempels des Tickets mit einer Rasierklinge, um neu stempeln zu können. Oder auch das Anfertigen eigener Tickets oder Wertmarken mit heimischer Elektronik. Für beide Delikte riskierten die Täter eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Was, wenn der Ticketautomat defekt war?


Wenn der erste Ticketautomat defekt ist, wird von Fahrgästen erwartet, dass sie den nächsten aufsuchen. Wenn keiner erreichbar ist oder mehrere defekt sind, sollte man dies mit Datum und Uhrzeit sowie Standort und Gerätenummer notieren. Die Verkehrsbetriebe handhaben eine solche Situation unterschiedlich: Zum Teil erwarten sie, dass der Fahrgast an der nächsten Station eine Karte zieht, zum Teil reicht der Kartenkauf am nächsten Umsteigebahnhof aus. Hier sollte man sich beim jeweiligen Verkehrsbetrieb informieren. Fahrgäste sind auch bei E-Tickets dafür verantwortlich, dass diese mit Hilfe eines Smartphones vorzeigbar sind, wenn ein Kontrolleur kommt. Bei leerem Akku hilft höchstens ein späterer Nachweis des Tickets. Bis dahin gilt der Betreffende jedoch als Schwarzfahrer.

Was, wenn ich meine Monatskarte zu Hause vergesse?


Dieser Fall wird zunächst als Schwarzfahrt behandelt. Falls der oder die Betreffende später dann doch das Ticket vorlegen kann, wird kein erhöhtes Beförderungsentgelt berechnet – sondern in der Regel nur eine geringere Bearbeitungsgebühr. Wichtig ist jedoch: Dies gilt nur für personalisierte, nicht übertragbare Tickets, die auf den Namen einer bestimmten Person lauten. Auch eine Straftat liegt in diesem Fall nicht vor – wenn man beweisen kann, dass man das Ticket tatsächlich besaß.

Zwei-Klassen-Gesellschaft


In manchen Städten soll es heute immer noch S-Bahnen mit erster und zweiter Klasse geben. Dort wird das Fahren in der ersten Klasse mit zweiter Klasse-Ticket ebenfalls als Schwarzfahren angesehen. Ortsunkundige müssen hier besonders aufpassen.
Nicht als Entschuldigung zählen auch das Nicht-Verstehen des Ticketsystems oder die Unkenntnis darüber, dass in der jeweiligen Stadt Tickets in der Bahn noch selbst entwertet werden müssen.

Praxistipp


Wer meint, ungerechtfertigt als Schwarzfahrer behandelt zu werden, sollte den Kontrolleuren gegenüber ruhig bleiben und die Situation erklären. Wissen sollte man aber: Die Kontrolleure selbst haben kaum Ermessensspielraum. Es ist daher wichtig, baldmöglichst beim Verkehrsbetrieb mit Begründung Widerspruch gegen das erhöhte Beförderungsentgelt einzulegen. Falls es zu einem Strafverfahren kommt, sollte frühzeitig ein Anwalt für Strafrecht hinzugezogen werden. Dieser kann Akteneinsicht nehmen, um herauszufinden, was die Ermittlungsbehörden für Argumente und Beweise haben. So kann er eine sinnvolle Verteidigung vorbereiten.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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