Schwarzfahren in Bus und Bahn: Welche Strafen drohen?
30.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Viele Menschen betrachten Schwarzfahren als "Kavaliersdelikt". Tatsächlich handelt es sich um eine Straftat. Diese kann durchaus drastische rechtliche Folgen nach sich ziehen – bis hin zur Gefängnisstrafe.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was versteht man unter Schwarzfahren? Was gilt alles als Schwarzfahren? Feiner Unterschied: Zivilrecht und Strafrecht Wie kommt es zum Vertragsabschluss? Welche Straftaten begeht man beim Schwarzfahren? Wann landet man wegen Schwarzfahren im Knast? Was bringt eine Mütze mit der Aufschrift "ich fahre schwarz"? Welche weiteren Straftaten kommen in Betracht? Was, wenn der Ticketautomat defekt war? Was, wenn ich meine Monatskarte zu Hause vergesse? Zwei-Klassen-Gesellschaft Ist Schwarzfahren bald nicht mehr strafbar? Praxistipp zur Strafbarkeit des Schwarzfahrens Was versteht man unter Schwarzfahren?
Schwarzfahren bedeutet, dass jemand ein öffentliches Verkehrsmittel – Bus, Bahn oder Tram – nutzt, ohne eine gültige Fahrkarte bei sich zu haben. Für den Verkehrsbetrieb bedeutet dies natürlich einen Einnahmeverlust. Dieser lag zum Beispiel 2012 bei den Nürnberger Verkehrsbetrieben bei 1 Million Euro, in Köln waren es 9 Millionen, in München 10, in Berlin 20 und in Hamburg sogar 24 Millionen Euro. Bundesweit sollen es aktuell rund 300 Millionen Euro Schaden sein. Schwarzfahren verursacht also aus Sicht der ÖPNV-Betreiber große Schäden. Die Verkehrsbetriebe versuchen, dem Schwarzfahren durch Kontrollen zu begegnen. Wer erwischt wird, muss ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsentgelt entrichten, also eine Vertragsstrafe von oft 60 Euro. In manchen Fällen gibt es auch eine Strafanzeige. Meist ist dies bei Wiederholungstätern der Fall.
Was gilt alles als Schwarzfahren?
Als Fahren ohne gültigen Fahrschein zählt es aus Sicht der Verkehrsbetriebe auch, wenn jemand ein Ticket gefälscht oder manipuliert hat, wenn in einer Dauerkarte die aktuelle Wertmarke fehlt, wenn jemand die Monatskarte einer anderen Person verwendet oder ein Ticket auf einer Strecke oder zu einer Zeit nutzt, für die es nicht gilt. Monatskarten gelten als ungültig, wenn Unterschriften oder Passbilder fehlen.
Feiner Unterschied: Zivilrecht und Strafrecht
Schwarzfahren hat zwei Aspekte. Deshalb muss man dabei zwischen zwei Rechtsgebieten unterscheiden. Zum einen werden – zivilrechtlich – die Vertragsbedingungen des Beförderungsunternehmens verletzt. Dies führt zu einer Vertragsstrafe, also einer zusätzlichen Zahlung von 60 Euro.
Unabhängig davon begeht ein Schwarzfahrer aber auch eine Straftat, zum Beispiel die Leistungserschleichung. Dafür kann ein Gericht ihn strafrechtlich verurteilen. Die zivilrechtliche und die strafrechtliche Seite haben nichts miteinander zu tun. Es ist also gut möglich, dass es mit der Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes nicht getan ist. Zu einer Strafverfolgung kommt es, wenn die Verkehrsbetriebe den Schwarzfahrer oder die Schwarzfahrerin anzeigen.
Wie kommt es zum Vertragsabschluss?
Beim Thema Vertragsabschluss kommt mancher auf die Idee, dass er beim Einsteigen in den Bus eigentlich gar keinen Vertrag unterschrieben hat. Und: Für einen Vertrag braucht man doch zwei Dinge: ein Angebot und dessen Annahme. Es kann doch nicht ausreichen, in Bus oder Bahn einzusteigen?
Doch, das tut es. Sobald man einsteigt und damit die Leistung in Anspruch nimmt, die ganz offensichtlich durch das Hinstellen eines Busses der Linie 17 angeboten wird, kommt stillschweigend ein Beförderungsvertrag zustande. Damit erkennt der Fahrgast auch die Beförderungsbedingungen des jeweiligen Unternehmens an. Dies schließt die Regelung ein, dass ohne gültige Fahrkarte 60 Euro zu zahlen sind.
Welche Straftaten begeht man beim Schwarzfahren?
Ob es zu einer Strafanzeige kommt, entscheidet das einzelne Verkehrsunternehmen. Manche Verkehrsbetriebe üben eine Null-Toleranz-Politik, andere zeigen nur Wiederholungstäter an. Wieder andere verzichten inzwischen komplett auf Strafanzeigen.
Keine Strafanzeige erfolgt mittlerweile mehr in: Bremerhaven, Karlsruhe, Mainz, Wiesbaden, Köln, Düsseldorf, Münster, Bremen, Halle, Dresden und Potsdam.
Wenn es dazu kommt, erfolgt meist eine Anzeige nach § 265a des Strafgesetzbuches (StGB) wegen des Erschleichens von Leistungen. Nach § 265a StGB wird jemand, der die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Bereits der Versuch ist strafbar. Meist kommt es zu einer Geldstrafe. Unter Umständen wird diese im Führungszeugnis vermerkt. Aber: Während die Verkehrsbetriebe das erhöhte Beförderungsentgelt von jedem erheben können, der ohne gültiges Ticket erwischt wird, ist die Voraussetzung für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Leistungserschleichung ein Vorsatz.
Vorsatz bedeutet: Man muss mit der Absicht eingestiegen sein, kostenlos befördert zu werden. Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden: Wer ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt und dabei den Anschein erweckt, er habe ein gültiges Ticket, begeht eine Straftat. Dafür reicht schon ein unauffälliges Vorgehen bzw. die Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Man muss also nicht erst irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen umgehen, damit die Gerichte eine "Absicht" annehmen (Beschluss vom 8.1.2009, Az. 4 StR 117/08).
Wann landet man wegen Schwarzfahren im Knast?
Nach Recherchen des Deutschlandfunks vom August 2024 kommen in Deutschland jedes Jahr 6.000 bis 9.000 Schwarzfahrer ins Gefängnis. Der Grund: Es handelt sich um Menschen, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können. Gegen sie wird dann eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Immerhin wurde mit Wirkung ab 1.2.2024 die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe durch eine Änderung des Umrechnungsmaßstabes halbiert. Trotzdem enden immer noch viele Schwarzfahrer im Gefängnis.
Was bringt eine Mütze mit der Aufschrift "ich fahre schwarz"?
Weder T-Shirts noch Mützen noch Zettel mit der Aufschrift "ich fahre schwarz" ändern nach überwiegender Meinung der Gerichte irgendetwas daran, dass eine Leistung erschlichen wird. Man macht sich also mit solchen aussagekräftigen Accessoires genauso strafbar wie ohne diese (Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28.9.2015, Az. III-1 RVs 118/15, Amtsgericht Hannover, Urteil vom 24.2.2010, Az. 223 Cs 549/09).
Welche weiteren Straftaten kommen in Betracht?
Unter Umständen können sich Schwarzfahrer auch wegen Betrugs oder Urkundenfälschung strafbar machen. Dazu kann es kommen, wenn sie besondere Täuschungshandlungen vornehmen, um das Schwarzfahren zu ermöglichen – zum Beispiel den Entwertungsstempel des Tickets mit einer Rasierklinge abkratzen, um neu stempeln zu können. Oder auch zu Hause mit heimischer Elektronik eigene Tickets oder Wertmarken anfertigen. Für beides riskierten die Täter eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.
Was, wenn der Ticketautomat defekt war?
Ist der erste Ticketautomat defekt, wird von Fahrgästen erwartet, dass sie den nächsten aufsuchen. Wenn keiner erreichbar ist oder mehrere defekt sind, sollte man dies mit Datum und Uhrzeit sowie Standort und Gerätenummer notieren. Solche Situationen werden von den Verkehrsbetrieben unterschiedlich gehandhabt: Manche Unternehmen erwarten, dass der Fahrgast an der nächsten Station eine Karte zieht, zum Teil reicht der Kartenkauf am nächsten Umsteigebahnhof aus. Dazu sollte man sich beim jeweiligen Verkehrsbetrieb informieren.
Auch bei E-Tickets auf dem Smartphone sind die Fahrgäste selbst dafür verantwortlich, dass diese tatsächlich vorzeigbar sind, wenn ein Kontrolleur kommt. Bei leerem Akku hilft höchstens ein späterer Nachweis des Tickets. Bis dahin gilt der Betreffende allerdings als Schwarzfahrer.
Was, wenn ich meine Monatskarte zu Hause vergesse?
Zunächst einmal wird auch dieser Fall als Schwarzfahrt behandelt. Falls der oder die Betreffende später doch noch das Ticket vorlegen kann, wird kein erhöhtes Beförderungsentgelt erhoben, sondern meist nur eine geringere Bearbeitungsgebühr. Wichtig: Dies gilt nur für personalisierte, nicht übertragbare Tickets, die auf den Namen einer bestimmten Person lauten. Kann man beweisen, dass man das Ticket tatsächlich besaß, liegt auch keine Straftat vor.
Zwei-Klassen-Gesellschaft
Auch heute noch soll es in manchen Städten S-Bahnen mit erster und zweiter Klasse geben. Dort wird das Fahren in der ersten Klasse mit zweiter Klasse-Ticket ebenfalls als Schwarzfahren angesehen. Hier müssen Ortsunkundige besonders aufpassen.
Nicht als Entschuldigung gelten auch das Nicht-Verstehen des Ticketsystems oder die Unkenntnis darüber, dass in der jeweiligen Stadt Tickets in der Bahn noch selbst mit einem Stempelautomaten entwertet werden müssen.
Ist Schwarzfahren bald nicht mehr strafbar?
Verschiedene Gruppierungen sowie auch der ehemalige Justizminister Marco Buschmann haben sich dafür eingesetzt, Schwarzfahren als strafbares Erschleichen einer Beförderung aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Es soll dann nur noch als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Die Begründung ist, dass durch die Ersatzfreiheitsstrafen viele Menschen im Gefängnis landen, die dort eigentlich nicht hingehören, weil sie eben keine Straftäter sind, sondern lediglich arm.
Für den Staat entstehen so erhebliche Kosten, und es werden Haftplätze für "richtige" Straftäter blockiert. So gab der Leiter der JVA Plötzensee gegenüber dem Deutschlandfunk an, dass in seiner Haftanstalt 250 von 670 Haftplätzen durch Menschen mit Ersatzfreiheitsstrafen besetzt seien. Die Verkehrsbetriebe wehren sich allerdings vehement gegen eine Reform, da sie befürchten, Einnahmen zu verlieren, wenn Schwarzfahren keine Straftat mehr ist. Bisher ist noch keine Gesetzesänderung absehbar.
Praxistipp zur Strafbarkeit des Schwarzfahrens
Wer meint, ungerechtfertigt als Schwarzfahrer behandelt zu werden, sollte den Kontrolleuren gegenüber ruhig bleiben und die Situation erklären. Man sollte jedoch wissen: Die Kontrolleure selbst haben kaum Ermessensspielraum. Daher ist es wichtig, so bald wie möglich beim Verkehrsbetrieb mit Begründung Widerspruch gegen das erhöhte Beförderungsentgelt einzulegen. Kommt es zu einem Strafverfahren, sollten Sie möglichst frühzeitig einen Anwalt für Strafrecht hinzuziehen. Dieser kann Akteneinsicht nehmen, um herauszufinden, was die Ermittlungsbehörden für Argumente und Beweise haben. So kann er eine sinnvolle Verteidigung vorbereiten.
(Ma)