Neuwagen mit Mängeln: Welche Rechte hat der Käufer?

05.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Autos,Verkaufsraum Mängel bei Neuwagen sorgen oft für Rechtsstreitigkeiten. © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Nacherfüllung: Bei Mängeln am Neuwagen haben Kunden zunächst das Recht auf Nacherfüllung, d.h. sie können die Reparatur des Mangels oder die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen.

2. Rücktritt oder Minderung: Wenn die Nacherfüllung fehlschlägt, unzumutbar ist oder verweigert wird, haben Kunden das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder eine Minderung des Kaufpreises zu verlangen.

3. Schadensersatz: Unter Umständen können Kunden auch Schadensersatz geltend machen, z.B. wenn sie zusätzliche Kosten aufgrund des Mangels hatten oder wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
Nicht selten gibt es beim Kauf eines neuen Autos schon direkt nach der Auslieferung Ärger. So kommt es vor, dass das gelieferte Fahrzeug nicht den Vorstellungen des Käufers entspricht. Vielleicht weicht die Ausstattung oder die Farbe vom Vereinbarten ab. Oder der Käufer findet hässliche Kratzer im Lack. Womöglich treten auch technische Mängel auf. Welche Rechte hat nun der Autokäufer?

Was versteht man unter einem Sachmangel?


Grundsätzlich ist von einem Sachmangel die Rede, wenn ein gekaufter Gegenstand wie ein PKW von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Dies kann bei einem Auto zum Beispiel eine andere Motorisierung sein oder eine vom Kaufvertrag abweichende Ausstattung sein. Sachmängel sind jedoch auch Fehler, die die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs einschränken oder die unüblich sind und mit denen der Käufer nicht rechnen muss. Solche Mängel müssen zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges, also in der Regel bei Übergabe des Fahrzeugs, bestanden haben.

So einfach dies klingt: Immer wieder müssen Gerichte entscheiden, ob tatsächlich ein Sachmangel vorliegt. Gerade beim Autokauf gibt es zum Thema Mängel immer wieder neue Urteile. Käufer können je nach Fall bei Sachmängeln ein Recht auf Nacherfüllung bzw. Nachbesserung (Reparatur oder Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs) haben, auf einen Rücktritt vom Kaufvertrag oder stattdessen auf eine Minderung des Kaufpreises, sowie auf Schadensersatz.

Wie lange haftet der Händler für einen Sachmangel?


Hat ein privater Käufer einen Neuwagen von einem Händler gekauft, verjähren seine Ansprüche aus der Sachmängelhaftung innerhalb von zwei Jahren. Bei Neufahrzeugen kann der Autohändler diese Frist nicht vertraglich verkürzen. In den ersten 12 Monaten profitiert der Käufer von einer Erleichterung bei der Beweislast: Es wird per Gesetz vermutet, dass der Mangel schon bei der Übergabe des Fahrzeugs vorlag. Diese Frist wurde 2022 von sechs auf 12 Monate verlängert. Der Händler darf durch Beweise widerlegen, dass der Mangel schon bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden war. Dies dürfte ihm in der Regel schwerfallen. Tritt jedoch ein Mangel am Neuwagen erst nach Ablauf der 12-monatigen Frist auf, muss der Kunde beweisen, dass der jeweilige Mangel schon bei der Übergabe existiert hat.

Was ist der Unterschied zwischen Garantie und Sachmängelhaftung?


Umgangssprachlich wird die Sachmängelhaftung oft auch als Gewährleistung bezeichnet. Allerdings darf sie nicht mit einer Garantie verwechselt werden. Eine Herstellergarantie ist eine freiwillige Leistung des Herstellers. Daher kann dieser auch die Regeln dafür bestimmen. Hersteller beschränken Garantien oft auf bestimmte Bereiche. Bei Autos gibt es etwa Mobilitätsgarantien und zeitlich begrenzte Garantien gegen Durchrostung. Eine solche Garantie gilt unabhängig von den gesetzlichen Ansprüchen aus der Sachmängelhaftung. Diese geben dem Käufer per Gesetz gewisse Rechte. Solange also die zweijährige Sachmängelhaftung noch läuft, haben Neuwagenkäufer auch Ansprüche daraus - auch, wenn die Garantie schon abgelaufen sein sollte.

Urteile: Was macht man mit einem Montagsauto?


Ein Neuwagen sorgte durch laute klappernde Geräusche vom Unterboden für deutliches Missvergnügen beim Fahrer. Eine Reihe von Reparaturversuchen schlugen fehl. Der Autohändler wollte jedoch von einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag nichts wissen, da der Mangel nicht erheblich sei.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. war auf der Seite des Käufers. Das klappernde Geräusch von der Vorderradaufhängung sei trotz großer Mühe nicht zu beseitigen gewesen. Einem Sachverständigen zufolge trete das Geräusch unregelmäßig auf, sei aber deutlich wahrzunehmen. Daher komme bei den Insassen berechtigtermaßen das Gefühl auf, dass mit dem Fahrzeug etwas nicht stimme. Ein Auto, in dem sich die Insassen nicht sicher fühlten, sei mangelhaft (Az. 3 U 18/12).

In einem anderen Fall wurde vor dem Bundesgerichtshof um Mängel an einem Wohnmobil im Wert von etwa 133.000 Euro gestritten. Hier handelte es sich um ein echtes Montagsauto: Der Käufer listete zwanzig Mängel auf, darunter das Knarren der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, eine lose Stoßstange und eine sich während der Fahrt aus der Halterung lösende Toilettenkassette. Die Mängel konnten bei drei Werkstattbesuchen nicht wirklich beseitigt werden - stattdessen fand der Käufer immer noch weitere.

Dazu entschied der Bundesgerichtshof: Ist ein neues Auto wegen einer größeren Menge herstellungsbedingter Mängel insgesamt als fehlerhaft anzusehen und muss man zusätzlich befürchten, dass auch künftig eine Reparatur die andere jagt, ist eine Nachbesserung für den Käufer nicht zumutbar. Daher muss er dem Verkäufer auch keine Frist zur Nachbesserung setzen. Hier kann der Käufer also gleich vom Kaufvertrag zurücktreten.

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes gilt jedoch nur im Fall von Problemen mit der technischen Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs und nicht für Mängel bei der Optik oder der Ausstattung (Urteil vom 23.1.2013, Az. VIII ZR 140/12).

Urteil: Mangelhaftes Automatikgetriebe?


Ein Autokäufer hatte einen Neuwagen mit einem "Getriebe Autotronic, stufenloses Automatikgetriebe" als Sonderausstattung gekauft. Von diesem war er jedoch recht enttäuscht. Seiner Ansicht nach überdrehte das Getriebe den Motor und schaltete auch bei einer Verringerung der Geschwindigkeit nicht herunter. Er war der Meinung, dass die Fahreigenschaften des PKW nicht denen des Autos entsprachen, das er Probe gefahren hatte. Das Probefahrzeug hatte tatsächlich noch über ein älteres Automatikgetriebe verfügt. Daher trat der Autokäufer vom Kaufvertrag zurück.

Nur: Der Vertragshändler akzeptierte den Rücktritt nicht. Das Oberlandesgericht Brandenburg gab ihm recht. Nach einem Sachverständigengutachten schaltete das Automatikgetriebe einwandfrei und das Auto beschleunigte ordnungsgemäß. Zwar wurde im Fahrprogramm "S" bei plötzlichem Gaswegnehmen die Drehzahl nicht abgesenkt. Dies sei aber eine vom Hersteller gewollte Funktion des Automatikgetriebes und Stand der Technik.

Enthalte die Fahrzeugbestellung keine Angabe zu einer bestimmten Baureihe oder einem bestimmten Stand der Software des Automatikgetriebes, habe der Autohändler das Automatikgetriebe zu liefern, das zur Zeit der Bestellung in die Modellreihe des jeweiligen Typs eingebaut werde. Der Händler habe diese Pflicht hier erfüllt. Der Kunde wäre nach Ansicht des Gerichts nur zum Rücktritt berechtigt gewesen, wenn der Händler einen Pkw mit älterem Automatikgetriebe ausgeliefert hätte, das nicht mehr dem Stand der Technik entsprach (Urteil vom 19.3.2008, Az. 4 U 135/07).

Fall: Sind auch Lackschäden am Neuwagen ein Mangel?


Ein Autokäufer hatte einen Neuwagen bestellt. Dieser sollte ihm kostenlos nach Hause geliefert werden. Bei Eintreffen des Fahrzeugs stellte der Käufer einen Lackschaden an der Fahrertür fest. Im Lieferschein der Spedition stand: "Kleine Delle an der Fahrertür, Kosten werden von...(Verkäufer) übernommen."

Daraufhin erklärte der Käufer gegenüber dem Autohändler, dass er das Fahrzeug "zurückweise". Er weigerte sich, den Kaufpreis zu bezahlen. Der Händler sah den Schaden als Bagatelle an und forderte sein Geld. Der Käufer schickte ihm den Kostenvoranschlag eines Autolackierers: 528 Euro sollte das Ausbessern der Bagatelle kosten. Der Händler wollte aber nur höchstens 300 Euro zahlen – bei Vorlage der Originalrechnung. Da sich beide nicht einigen konnten, holte der Händler das Auto ab, ließ den Schaden lackieren und transportierte es wieder zum Kunden. Dieser zahlte daraufhin den Kaufpreis. Nun bekam er jedoch vom Händler eine Rechnung über die Transportkosten für Abholung und Rücktransport, ein "Standgeld" sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, insgesamt 1.138 Euro. Der Käufer zahlte nicht und wurde verklagt.

Welche Rechte haben Neuwagenkäufer bei geringfügigen Mängeln?


Der Fall ging durch drei Instanzen. Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Autokäufers. Der Verkäufer habe die Pflicht, dem Käufer die Kaufsache frei von Mängeln zu verschaffen. Daher dürfe der Käufer die Behebung vorhandener Mängel verlangen. Bis diese erfolgt sei, dürfe er die Abnahme des Kaufobjekts ebenso verweigern wie die Zahlung des Kaufpreises. Zu begründen sei dies mit den §§ 320 Abs. 1 und 273 Abs. 1 BGB. Die letztere Vorschrift gibt dem Käufer ein Zurückbehaltungsrecht, das so lange gilt, bis der Verkäufer seine vertragsgemäße Leistung erbracht hat. Dem Bundesgerichtshof zufolge kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen erheblichen oder einen geringfügigen und behebbaren Mangel handelt. Hier war letzteres der Fall.

Wer muss die Nachbesserung organisieren?


In diesem Urteil wies der Bundesgerichtshof auch auf die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts hin. Dessen Ausübung könne auch unangemessen sein. Dies sei hier allerdings nicht der Fall: Schließlich habe der Händler nicht einmal angeboten, den Schaden selbst zu beseitigen. Dies sei aber seine Pflicht. Es sei nicht Sache des Käufers, das Auto zum Lackierer zu befördern und dann diesen zu beauftragen, zu bezahlen und schließlich mit dem Verkäufer darüber zu diskutieren, welchen Anteil dieser zahlen wolle. Der Verkäufer müsse stattdessen die Reparatur in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko durchführen.

Der Händler habe dem Autokäufer mit der Obergrenze von 300 Euro das komplette Risiko der Reparatur auferlegt – zum Beispiel für unwirtschaftliche oder unsachgemäße Arbeit des Lackierers. Genau dieses Risiko müsse jedoch der Händler tragen.

Die geforderten Beträge wie Transportkosten und Standgeld gehörten zu den Kosten, die der Verkäufer im Rahmen der ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages sowieso tragen müsse. Daher könne er diese Kosten nicht dem Käufer aufbürden. Daher war die Klage des Autohändlers hier auf ganzer Linie erfolglos (BGH, Urteil vom 26.10.2016, Az. VIII ZR 211/15).

Der Abgasskandal und die Folgen


Die Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Abgasskandal ist bisher nicht einheitlich. In einigen Fällen haben Autokäufer aber Zivilprozesse gewonnen und erfolgreich unterschiedliche Ansprüche aus der Sachmängelhaftung der Hersteller geltend gemacht.

Von großer Bedeutung ist hier das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25. Mai 2020. Geklagt hatte hier ein Autokäufer, der einen VW Sharan erworben hatte (Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5). Das Auto war mit der bekannten Software ausgestattet, die erkennt, ob es sich in normaler Fahrt oder auf einem Abgasprüfstand befindet, und die Messwerte auf dem Prüfstand manipuliert.

Der Bundesgerichtshof ging von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung durch VW aus und gestand dem Käufer Schadensersatz zu. Dieser könne sich gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis abzüglich einer Entschädigung für die zwischenzeitliche Nutzung zurückzahlen lassen (Urteil vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19).

In einem laufenden Verfahren geht es vor dem BGH darum, inwieweit ein sogenanntes Thermofenster zu einem Schadensersatz führt. Dabei wird die Abgasreinigung bei einer bestimmten Temperatur abgeschaltet. Allerdings erfolgt dies oft bei in Deutschland vollkommen üblichen Außentemperaturen. Es wird damit gerechnet, dass der BGH Autokäufern hier eine Art Vertrauensschaden in Geld zugesteht. Die endgültige Entscheidung soll Ende Juni 2023 erfolgen.

Praxistipp zu Mängeln an Neuwagen


Hat ein neues Auto Mängel, können Käufer innerhalb einer angemessenen Frist Nachbesserung oder ggf. Ersatzlieferung von ihrem Autohändler verlangen. Ist es dem Händler nicht möglich, mit zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen ein einwandfreies Fahrzeug ohne erheblichen Mangel zu liefern, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung vom Händler fordern. Beratung und Vertretung vor Gericht können betroffene Neuwagenkäufer bei einem Fachanwalt für Verkehrsrecht oder einem im Zivilrecht tätigen Anwalt finden.

(Bu)


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 Stephan Buch
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