Abordnungsvertretung – Anforderungen an die Rückkehrprognose

Autor: RA FAArbR Dr. Henning Hülbach, Rechtsanwälte Verweyen Lenz-Voß Boisserée, Köln Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht (FH Köln)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2013
Es kann einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG darstellen, wenn ein Arbeitnehmer zur Vertretung einer vorübergehend auf eine andere Tätigkeit abgeordneten Stammkraft eingesetzt wird. Die erforderliche Rückkehrprognose bei Vereinbarung der Befristung erfordert – anders als bei einem fremdbestimmten Ausfall der Stammkraft – die Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, wozu auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählen.

BAG, Urt. v. 16.1.2013 - 7 AZR 661/11

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 26 Sa 103/11

TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3

Das Problem:

Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge vom 1.9.2006 bis zum 30.9.2010 beschäftigt. Der letzte befristete Vertrag vom 1.6.2010 bis zum 30.9.2010 erfolgte mit dem Vermerk:

§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG (Vertretung) für Herrn H. (Abordnung zu ...).

Herr H. war seit 2007 mehrfach verschiedentlich auf höherwertige Stellen abgeordnet worden. Noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses erhob der Kläger Entfristungsklage beim zuständigen Arbeitsgericht, das die Klage abwies. Die Berufung des Klägers hiergegen blieb erfolglos.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG hob das Urteil des LAG auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Zwar sei das LAG zutreffend davon ausgegangen, dass auch die Abordnung einer Stammkraft einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG darstellen könne. Allerdings sei die Überprüfung der von der Beklagten zum Zeitpunkt der Befristungsabrede anzustellenden Rückkehrprognose fehlerhaft. Diese sei nicht auf die Anwendung der Grundsätze beschränkt, die bei vollständiger Abwesenheit der Stammkraft etwa durch Krankheit, Urlaub, Elternzeit oder Freistellung gelten. Im Fall der Abordnung läge – anders als in den vorgenannten Fällen – die Rückkehr der Stammkraft auf ihren Arbeitsplatz regelmäßig auch wesentlich im Einflussbereich des Arbeitgebers. Daher müsse in einem solchen Fall die vom Arbeitgeber anzustellende Prognose alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, insbesondere auch solche, die aus seiner eigenen Organisationssphäre stammten.

Zwar folge grds. aus der Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG sowohl nach Wortsinn, Gesetzesbegründung und Systematik, dass auch ein Abordnungsfall einen Sachgrund darstellen könne. Da allerdings eine Auslegung des Gesetzes, die dem Arbeitgeber Möglichkeiten schaffen würde, sich ohne sachliche Rechtfertigung Befristungsmöglichkeiten selbst zu schaffen, dem Gebot einer wirksamen Befristungskontrolle widerspräche, müssten bei der anzustellenden Rückkehrprognose strengere Anforderungen gelten. Insbesondere reiche als Indiz für eine Rückkehrprognose – anders als bei fremdbestimmter Vertretung – der fehlende Widerspruch des Vertretenen bezüglich der Rückkehr auf seinen Arbeitsplatz nicht aus.

Bei der entsprechenden Prognose müssten daher insbesondere auch Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über Rückkehrabsichten sowie interne Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Auch könne berücksichtigt werden, ob eine Rückkehr nach Ablauf der Abordnung automatisch erfolgen solle oder etwa lediglich vom Willen der Stammkraft abhänge. Zu all diesen Punkten enthalte das Berufungsurteil keine Feststellungen, so dass diese im zweiten Rechtsgang nachzuholen seien.


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