AG Zossen, Urt. 13.1.2025 - 5 C 63/24

Sittenwidriger Mietvertrag: gezielte Benachteiligung des Ersteigerers durch unangemessen niedrige Miete

Autor: RA FAMuWR Norbert Monschau, Anwaltkooperation Schneider & Monschau, Neunkirchen-Seelscheid, Erftstadt
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 03/2025
Ein Mietvertrag ist sittenwidrig, wenn er darauf gerichtet ist, eine nahestehende Person trotz einer absehbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung zu Lasten des künftigen Ersteigerers im Besitz der betreffenden Wohnung zu halten, ohne dass hierfür ein angemessener Mietzins vereinbart wird, und wenn er in dem Bewusstsein geschlossen wird, dass eine vergleichbare Wohnung zu diesen Konditionen nicht erhältlich wäre.

ZVG § 57; BGB §§ 566, 138, 546, 985

Das Problem

Die damalige Eigentümerin erwarb im April 2019 ein Hausgrundstück mit zwei Wohnungen. Mit Zuschlagsbeschluss vom 17.7.2024 ging das Eigentum im Rahmen der Zwangsversteigerung auf den Erwerber über. Bis Mai 2023 wurden aufgrund erheblicher Schulden der Voreigentümerin ein Veräußerungsverbot wegen eines Vermögensarrests sowie mehrere Zwangssicherungshypotheken eingetragen. 2020 schloss die Voreigentümerin mit ihrem Ehemann einen Mietvertrag über die 130 m² große Erdgeschosswohnung, der auch einen Garten, einen Pool, Nebengebäude, Stellplätze und eine Doppelgarage umfasste. Die vereinbarte Miete betrug netto 500 € monatlich, wobei durch Abzüge für Gartenpflege und Streupflichten 300 € erlassen wurden. Ein inhaltlich vergleichbarer Mietvertrag wurde mit ihrer Tochter über die 105 m² große Wohnung im ersten Obergeschoss geschlossen. Bereits am 31.1.2019 hatten die Eheleute einen Ehevertrag geschlossen, der dem Ehemann ausdrücklich keine Rechte an der Immobilie einräumte. Der Erwerber forderte von den Eheleuten die Räumung und Herausgabe des Grundstücks.

Die Entscheidung des Gerichts

Das AG bejahte einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB bestehe nicht, da der Mietvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und somit nichtig sei. Die monatliche Miete von 500 € für die Gebrauchsüberlassung einer 130 m² großen Wohnung mit Garten etc. habe weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete von mind. 2.000 € gelegen. Durch Abzüge für Gartenpflege etc. sei die tatsächlich zu zahlende Miete auf 200 € gesenkt worden. Dieses besonders grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung lasse auf eine verwerfliche Gesinnung schließen, die nach Ansicht des Gerichts durch die Gesamtumstände bestätigt werde.

Die damaligen Bewohner hätten darauf spekuliert, den Erwerber durch das Mietverhältnis an die extrem niedrige Miete zu binden, wodurch dieser erheblich benachteiligt worden wäre. Der Mietvertrag habe darauf abgezielt, den Ehemann trotz der absehbaren Zwangsvollstreckung im Besitz der Immobilie zu halten und die Rechte des zukünftigen Ersteigerers zu beeinträchtigen. Ihnen sei bereits beim Abschluss des Mietvertrags bewusst gewesen, dass die damalige Eigentümerin das Grundstück aufgrund ihrer erheblichen Schulden im Rahmen der Zwangsvollstreckung verlieren würde. Der Mietvertrag sei daher kollusiv geschlossen worden, um das Objekt weiterhin innerhalb der Familie nutzen zu können, ohne eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Die verwerfliche Gesinnung werde zudem durch den vergleichbaren Mietvertrag mit der Tochter bestätigt.

Die Klage sei jedoch insoweit unbegründet, als sie auf Räumung gerichtet gewesen sei. Ein Räumungsanspruch ergebe sich nicht aus § 985 BGB, da die Rückgabe der Mieträume lediglich als Nebenpflicht aus der mietvertraglichen Verpflichtung zur Rückgabe der Mietsache gem. § 546 Abs. 1 BGB anzusehen sei.


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