Außerordentliche Kündigung bei Missbrauch von Einkaufsgutscheinen

Autor: RA FAArbR Werner M. Mues, CBH – Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2011
Begeht der Arbeitnehmer anlässlich eines privaten Einkaufs außerhalb der Arbeitszeit eine strafbare Handlung zu Lasten des Vermögens seines Arbeitgebers, kann dies auch ohne Abmahnung eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht in jedem Fall, unstreitige Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht unmittelbar durch die Videoaufzeichnung, sondern durch die Reaktion hierauf bekannt geworden sind.

BAG, Urt. v. 16.12.2010 - 2 AZR 485/08

Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt - 11 Sa 522/07

BGB § 626; BDSG § 6b; ZPO § 138

Das Problem:

Die Parteien streiten um die außerordentliche Kündigung der seit 14 Jahren als Verkäuferin und Kassiererin in einem betriebsratslosen Drogeriemarkt der Beklagten beschäftigten Klägerin. Diese hatte beim Einkauf von Süßigkeiten im Wert von 60 € produktbezogene Herstellergutscheine im Wert von 36 € eingesetzt, die nach den ihr bekannten Richtlinien der Beklagten für die gekauften Waren nicht hätten eingesetzt werden dürfen. Dies war der Arbeitgeberin durch eine heimliche Videoüberwachung des Kassenbereichs bekannt und von der zur Rede gestellten Klägerin zugegeben worden.

Die Klägerin hält die Kündigung für ungerechtfertigt, weil der Wert der Gutscheine von den ausstellenden Firmen in jedem Fall erstattet werde und die Erkenntnisse aus der heimlichen Videoüberwachung nicht verwertet werden dürften.

Die Entscheidung des Gerichts:

Die außerordentliche Kündigung erfolgte zu Recht. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Dass die Klägerin sich auf Kosten der Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft hat, ist nach dem beiderseitigen Prozessvortrag gem. § 138 ZPO unstreitig. Die Klägerin hat auch nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für die Einlösung produktbezogener Herstellergutscheine bekannt waren.

Dass die Einlösung der Gutscheine außerhalb der Arbeitszeit der Klägerin erfolgte, hindert wegen des Bezugs zum Arbeitsverhältnis als Verkäuferin und Kassiererin nicht die Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. Die Pflichtverletzung war auch für die Klägerin erkennbar, so dass eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich war.

Ob die heimliche Videoüberwachung gegen § 6b BDSG verstoßen hat, konnte offenbleiben. Das Gericht ist bei der Urteilsfindung grds. an das Nichtbestreiten einer Partei gem. § 138 ZPO gebunden, sofern sich daraus nicht die Perpetuierung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine heimliche Videoüberwachung ergibt. Dies war vorliegend deshalb nicht der Fall, weil der Arbeitgeber seine Erkenntnisse auch auf die Auswertung des Kassenstreifens über den Kassiervorgang und die Äußerungen der Klägerin im anschließenden Personalgespräch stützen konnte.


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