Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Dr. Ditz und Partner, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 12/2012
Eine sexuelle Belästigung ist ein „an sich” geeigneter wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB.Für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung ist allein maßgeblich, ob die Unerwünschtheit des sexuell bestimmten Verhaltens objektiv erkennbar war.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.8.2012 - 5 Sa 324/11

Vorinstanz: ArbG Schwerin - 3 Ca 586/11

AGG §§ 1, 3, 7

Das Problem:

Die Beklagte ist ein Pizzaproduktionsbetrieb. Der Kläger ist hier als Vorarbeiter beschäftigt, wobei ihm zumeist weibliche Beschäftigte unterstellt sind. Ihm werden zwei Annäherungen an eine Mitarbeiterin vorgeworfen:
  • Einmal ist er ganz nah an die Mitarbeiterin von hinten herangetreten, so dass es zu einer körperlichen Berührung kam. Die Mitarbeiterin hatte sich hierbei erschrocken und ist, wie von umstehenden Kollegen beobachtet worden war, rot angelaufen.
  • Beim zweiten Vorfall hat sich der Kläger der Mitarbeiterin angenähert und mit beiden Händen in Richtung des Gesäßes dieses zumindest mit der Innenfläche einer seiner Hände berührt.
Die Beklagte kündigt dem Kläger wegen dieser Vorfälle fristlos. Hiergegen wendet der Kläger insbesondere seine langjährige Betriebszugehörigkeit ein. Außerdem sei er lernfähig und werde sein Verhalten ändern.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat die Klage – entgegen der ersten Instanz – vollumfänglich abgewiesen. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG liege vor, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten – beispielsweise eine sexuelle Handlung, eine sexuell bestimmte körperliche Berührung oder eine Bemerkung sexuellen Inhaltes – bezwecke oder bewirke, dass die Würde der betreffenden Person verletzt werde. Im Unterschied zur Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 3 AGG sei auch schon eine einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweise ausreichend, um den Tatbestand einer sexuellen Belästigung zu erfüllen (so auch BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10, ArbRB online).

Für eine Verletzung der Würde der betreffenden Person genüge der bloße Eintritt der Belästigung. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordere auch nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hätten. Vielmehr sei allein maßgeblich, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar gewesen sei, womit auch die ältere Rechtsprechung des BAG zu dieser Frage nicht mehr anwendbar sei (so ausdrücklich auch BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10, ArbRB online).

Der Kläger habe die peinliche Situation unter Missachtung jeglichen Schamgefühls im Umgang mit Kolleginnen heraufbeschworen. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da nicht habe festgestellt werden können, dass in Zukunft mit einer Verhaltensänderung beim Kläger gerechnet werden könne. Vielmehr zeige sein Versuch, die Taten zunächst gänzlich zu leugnen und sie – nachdem dies nicht mehr möglich gewesen sei – zu verharmlosen, dass er zu seinen Verfehlungen eine fehlerhafte innere Einstellung habe. Daher liege eine negative Prognose vor.


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