BAG, Urt. 5.12.2024 - 8 AZR 370/20

Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei tariflichen Überstundenzuschlägen

Autor: RA FAArbR Dr. Norbert Windeln, LL.M., avocado rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2025
Eine tarifvertragliche Regelung, die für das Verdienen von Überstundenzuschlägen auch bei Teilzeitarbeit das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers voraussetzt, behandelt in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitarbeitnehmer. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung von in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern nach § 4 Abs. 1 TzBfG, wenn es an sachlichen Gründen für die Ungleichbehandlung fehlt. (...)

TzBfG § 4 Abs. 1; BGB § 134; AGG §§ 7, 15 Abs. 2

Das Problem

Die Parteien streiten über eine Zeitgutschrift und einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG.

Die Klägerin ist bei der Beklagten in Teilzeit im Umfang von 40 % einer Vollzeitkraft beschäftigt. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sieht vor, dass für Überstunden ein Zuschlag von 30 % gewährt wird, der auch als Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto in Anspruch genommen werden kann. Zuschlagspflichtig sind nach der tariflichen Regelung jedoch nur solche Überstunden, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden.

Die Klägerin erachtet die tarifliche Regelung für unwirksam und begehrt eine Zeitgutschrift auch für ihre Überstunden, d.h. die Stunden, die zwar ihre individuelle monatliche Sollarbeitszeit überschreiten, nicht aber die monatliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Zugleich sieht sich die Klägerin als weibliche Teilzeitbeschäftigte durch die tarifliche Regelung mittelbar diskriminiert und verlangt eine Entschädigung nach dem AGG.

Das Arbeitsgericht weist die Klage ab. Das LAG erkennt die Zeitgutschrift zu, nicht aber die begehrte Entschädigung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG bestätigt die Entscheidung des LAG zur Zuerkennung der Zeitgutschrift und spricht der Klägerin zudem eine Entschädigung i.H.v. 250 € zu.

Die tarifliche Regelung, wonach nur solche Überstunden zuschlagspflichtig sein sollen, die die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten, behandele Teilzeitkräfte wegen der Teilzeitarbeit schlechter als Vollzeitkräfte. Für diese Ungleichbehandlung sei kein sachlicher Grund zu erkennen, so dass die tarifliche Regelung Teilzeitkräfte entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG diskriminiere und somit gem. § 134 BGB nichtig sei. Die Nichtigkeit der Überstundenzuschlagsregelung führe zu einem Anspruch der Klägerin auf die begehrte Zeitgutschrift.

Zugleich stelle sich die tarifliche Regelung als eine gegen § 7 Abs. 1 AGG verstoßende mittelbare Benachteiligung weiblicher Arbeitnehmer wegen des Geschlechts dar, da in der Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mit über 90 % signifikant mehr Frauen als Männer vertreten seien. Der der Klägerin als Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochene Betrag von 250 € sei erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den durch die mittelbare Geschlechtsdiskriminierung erlittenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber der Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.


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