BAG, Urt. 11.8.2016 - 8 AZR 375/15

Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers

Autor: RAin FAinArbR Dr. Christina Suberg,Suberg Kanzlei für Arbeitsrecht, München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2017
Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch ein, begründet dies regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Die Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch setzt allerdings regelmäßig voraus, dass der Bewerber dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seiner Qualifikation die Prüfung ermöglicht hat, ob er für die ausgeschriebene Stelle fachlich geeignet ist.

BAG, Urt. v. 11.8.2016 - 8 AZR 375/15

Vorinstanz: Hessisches LAG - 8 Sa 1374/14

SGB IX § 82 Satz 2 u. 3; AGG §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 2, 22

Das Problem

Die Parteien streiten über eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Kläger hatte sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung bei der beklagten Stadt beworben. Die Stellenausschreibung verlangte eine Qualifikation als „Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation”. Der Kläger ist ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich alternative Energien. Er hatte seiner Bewerbung einen ausführlichen Lebenslauf, aber keine Zeugnisse beigefügt. Die Stadt lehnte die Bewerbung ab, ohne den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG sprach dem Kläger ebenso wie die Vorinstanzen einen Entschädigungsanspruch zu. Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründe regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Von dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX ausnahmsweise wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit gewesen.

Auch wenn der Kläger seiner Bewerbung keine Zeugnisse beigefügt habe, sei er „Bewerber” i.S.v. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen. Es gelte ebenso wie in § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG der formale Bewerberbegriff. Danach sei derjenige Bewerber, der eine Bewerbung eingereicht habe.

Die Eignung des Klägers für die ausgeschriebene Position habe auch nicht offensichtlich gefehlt. Hierfür sei auf das Anforderungsprofil abzustellen. „Offensichtlich” fachlich nicht geeignet sei nur, wer „unzweifelhaft” nicht dem Anforderungsprofil entspreche. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigten es demgegenüber nicht, von einer Einladung abzusehen.


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