BAG, Urt. 13.12.2018 - 2 AZR 370/18

Kollusives Zusammenwirken beim Arbeitszeitbetrug – Kündigung

Autor: RAin FAinArbR Dr. Cornelia Marquardt, Norton Rose Fulbright LLP München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2019
Die vorsätzlich falsche Erfassung von Überstunden kann grds. eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dabei kann bei der Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass dieser mit anderen Beschäftigten kollusiv zum Nachteil des Arbeitgebers zusammengewirkt hat.

BAG, Urt. v. 13.12.2018 - 2 AZR 370/18

Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg - 19 Sa 61/17

BGB § 626 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Nach seiner Ernennung zum Abteilungsleiter teilt die Personalreferentin der Beklagten dem Kläger im Januar 2012 mit, dass er keinen Anspruch auf eine Erschwerniszulage mehr habe. Sie schlägt ihm in Anwesenheit des zur Unterzeichnung von Überstundenformularen berechtigten Vorgesetzten des Klägers vor, künftig sieben zusätzliche Überstunden pro Monat abzurechnen, deren Wert der bisherigen Erschwerniszulage entspreche. Der Kläger folgt diesem Vorschlag.

Nachdem der Beklagten dies bei der Jahresabschlussprüfung aufgefallen ist, erklärt der Kläger, die sieben Stunden „wie vereinbart” als Ausgleich für den Wegfall der Erschwerniszulage abgerechnet zu haben. Daraufhin kündigt die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Arbeitsgericht und LAG geben der Klage statt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das BAG hält die Voraussetzungen eines wichtigen Kündigungsgrundes auch nach einer umfassenden Interessenabwägung für gegeben.

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

Der Kläger habe vorsätzlich gehandelt und sich in keinem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden. Er habe damit rechnen müssen, dass er nicht anstelle der Erschwerniszulage monatlich sieben Überstunden hätte abrechnen dürfen. Dabei komme ihm nicht zugute, dass er auf Anraten der Personalreferentin so gehandelt habe. Im Gegenteil verstärke das bewusste, kollusive Zusammenwirken mit den zur Unterzeichnung der Überstundenformulare berechtigten Personen das Gewicht der Pflichtverletzung, da der gegenüber der Beklagten begangene Vertrauensmissbrauch durch diese Vorgehensweise vergleichsweise sicher vor Entdeckung habe umgesetzt werden können.

Wenn der Kläger subjektiv davon ausgegangen sei, ihm stünden die Zuschläge nach wie vor zu, hätte er die Sach- und Rechtslage sorgfältig prüfen und ggf. gerichtlich klären lassen können. Stattdessen eine Absprache mit der Personalreferentin und seinem Vorgesetzten zu treffen, um eine Klage zu vermeiden, spreche nicht zu seinen Gunsten. Dieses Vorgehen zeige vielmehr, dass der Kläger allein seine Interessen habe durchsetzen wollen, ohne sich auf eine Überprüfung der ihm vermeintlich zustehenden Ansprüche einlassen zu müssen.


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