BAG, Urt. 24.5.2022 - 9 AZR 337/21

Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb – Notwendigkeit synchronisierter Mitbestimmungsinhalte

Autor: RA FAArbR Axel Braun, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 12/2022
Bestehen in einem Betrieb nach § 3 BetrVG mehrere Betriebsräte, die nur für die Arbeitnehmer „ihres“ Arbeitgebers zuständig sind, spricht dies gegen einen Gemeinschaftsbetrieb. Stellt ein beteiligtes Unternehmen einem anderen in diesem Fall Arbeitnehmer zur Verfügung, handelt es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG.

AÜG § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1

Das Problem

Der Kläger ist seit 2004 bei einer Arbeitgeberin beschäftigt, die gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung ausübt. Ihre Muttergesellschaft betreibt einen Flughafen, wohin die beklagte Arbeitgeberin den Kläger dauerhaft überließ.

Im Sommer 2017 schlossen die Beklagte, die Muttergesellschaft und ein Drittunternehmen eine Vereinbarung über einen Gemeinschaftsbetrieb, für den sie eine einheitliche Personalleitung vorsahen. Auf Basis tarifvertraglicher Regelungen sollte gleichwohl kein gemeinsamer Betriebsrat gebildet werden, sondern die Arbeitnehmer sollten durch den jeweiligen Betriebsrat bei ihrem Vertragsarbeitgeber vertreten werden.

Weil die Muttergesellschaft höhere Löhne nach dem TVöD zahlt, hat der Kläger die Beklagte 2018 aufgefordert, seine Arbeitsleistung rückwirkend danach zu vergüten. Dabei hat er geltend gemacht, dass gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1b AÜG ein Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft zustanden gekommen sei, da tatsächlich kein Gemeinschaftsbetrieb bestehe. Das Arbeitsgericht und das LAG haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Auf die Revision des Klägers hebt das BAG das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zurück an die Vorinstanz. Zwar liege keine Arbeitnehmerüberlassung an einen Dritten vor, wenn der Vertragsarbeitgeber mit diesem einen gemeinsamen Betrieb unterhalte. Das LAG habe jedoch nicht alle wesentlichen Aspekte für die Frage gewürdigt, ob hier wirklich ein Gemeinschaftsbetrieb bestehe.

Die tarifvertraglich bewirkte Aufteilung der betrieblichen Mitbestimmung lasse daran zweifeln, dass die Arbeitgeberfunktion tatsächlich einheitlich wahrgenommen werde. Die gewillkürte Etablierung zweier Betriebsräte könne in diesem Zusammenhang erhebliche Auswirkungen auf die Personalleitung haben, insbesondere, weil sich unterschiedliche betriebliche Regelungen in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben können. Von einer Einheitlichkeit sei nur auszugehen, wenn diese Regelungen weitgehend übereinstimmen oder zumindest aufeinander abgestimmt seien; dies habe das LAG im zweiten Rechtsgang zu klären.


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