BAG, Urt. 26.4.2022 - 9 AZR 228/21

Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung bei Auslandsbezug

Autor: RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2022
Verleiht ein ausländischer Verleiher einen ausländischen Leiharbeitnehmer nach Deutschland, ohne eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu besitzen, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags, wenn auf diesen kein deutsches Recht Anwendung findet.

AÜG a.F. § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1; Rom I-VO Art. 9 Abs. 1; AEntG § 2 Nr. 4

Das Problem

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen per gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.d.F. v. 31.3.2017 (AÜG a.F.) besteht.

Die Klägerin ist Französin und wohnt in Frankreich. Sie war als Arbeitnehmerin bei einer französischen Gesellschaft in Frankreich tätig. Der Arbeitsvertrag sah als Arbeitsort Illkirch in Frankreich vor. Die Gesellschaft behielt sich jedoch vor, die Klägerin vorübergehend auch im Ausland einzusetzen. Weiterhin verwies der Arbeitsvertrag u.a. auf den einschlägigen französischen Manteltarifvertrag, die französischen Sozialversicherungssysteme sowie das französische Datenschutzrecht.

Die Arbeitgeberin der Klägerin setzte diese in der Zeit vom 1.10.2014 bis zum 30.4.2016 bei der Beklagten ein, einem deutschen Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe. Der Einsatz erfolgte über einen Dienstleistungsvertrag.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin u.a. die Feststellung, dass zwischen ihr und der Beklagten wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zustande gekommen ist. Unstreitig besaß der französische Arbeitgeber keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Daneben erhebt die Klägerin auch Vergütungsansprüche.

Die Entscheidung des Gerichts

Der 9. Senat des BAG weist die Klage insgesamt ab. Zwischen der Klägerin und der Beklagten sei kein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. begründet worden, selbst wenn die Klägerin als Leiharbeitnehmerin tätig gewesen sei.

Tatbestandliche Voraussetzung der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. sei eine Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags infolge eines Verstoßes gegen § 9 Nr. 1 AÜG a.F. § 9 Nr. 1 AÜG a.F. sei vorliegend aber gar nicht anwendbar. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde kraft vertraglicher Vereinbarung französisches Recht Anwendung. Insbesondere sei § 9 Nr. 1 AÜG a.F. keine zwingende Eingriffsnorm i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. Auch über § 2 Nr. 4 AEntG sei § 9 Nr. 1 AÜG kein allgemeiner Vorrang im Sinn einer allgemein vorgehenden Norm beizumessen. § 2 Nr. 4 AEntG beziehe sich nicht auf den Bestand des Leiharbeitsverhältnisses, sondern auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften des nationalen Rechts.


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