BAG, Urt. 28.1.2025 - 9 AZR 48/24

Bereitstellung von Entgeltabrechnungen in digitaler Form

Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel, VAHLE KÜHNEL BECKER FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2025
Entgeltabrechnungen gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO sind vom Arbeitgeber nicht zwingend in Papier zu erteilen, sondern können für den Arbeitnehmer auch in Textform abrufbar in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach eingestellt werden.

GewO § 108 Abs. 1 Satz 1; BGB § 126b; BetrVG §§ 58, 87 Abs. 1 Nr. 6

Das Problem

Die Parteien streiten darüber, ob (Entgelt-)Abrechnungen elektronisch durch Einstellen in ein Mitarbeiterpostfach erteilt werden können.

Die im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin tätige Klägerin verlangt weiterhin die Übersendung von Abrechnungen in Papierform. Eine das bestehende Personalabrechnungs- und Informationssystem erweiternde Konzernbetriebsvereinbarung (digitales Mitarbeiterpostfach) sieht seit 2021 hingegen die elektronische Bereitstellung der Abrechnungen vor. Ab März 2022 stellte die Beklagte der Klägerin auf dieser Grundlage Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Diese sind eigenständig online über ein privates Endgerät via Login mit zur Verfügung gestellten Zugangsdaten abzurufen. Nur sofern dies Einzelnen nicht möglich ist, können sie die Abrechnungen im Betrieb einsehen und ausdrucken.

Die Klägerin meint, die Bereitstellung der Entgeltabrechnungen im digitalen Mitarbeiterpostfach erfülle nicht ihren Anspruch auf Erteilung von Entgeltabrechnungen. Einer Verwendung des Postfachs als Empfangsvorrichtung hätte sie vor Inbetriebnahme zustimmen müssen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das LAG hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG hebt das Urteil auf und verweist die Sache an das LAG zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung von Entgeltabrechnungen in „Papierform“. Für die Erfüllung der Verpflichtung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO genüge die Textform des § 126b Abs. 1 BGB.

Bei dieser Verpflichtung handele es sich um eine Holschuld. Diese könne der Arbeitgeber auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung für den Arbeitnehmer abrufbar in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstelle. Erfülle das digitale Mitarbeiterpostfach die Anforderungen an eine sog. fortgeschrittene Website, sei sie ein sicherer Datenträger i.S.v. § 126b Satz 1 BGB. Dazu müsse sie einen sicheren Speicherbereich für den einzelnen Arbeitnehmer aufweisen, auf den allein dieser mittels Eingabe des Benutzernamens und seines persönlichen Passworts zugreifen könne, so dass der Arbeitgeber keine Möglichkeit habe, die dort eingestellten Informationen zu ändern.

Die Erfüllung der Verpflichtung hänge nicht davon ab, dass die Abrechnung dem Arbeitnehmer entsprechend § 130 Abs. 1 BGB zugehe. Denn bei Abrechnungen handele es sich um Wissenserklärungen, die weder Willenserklärungen noch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen darstellen. Auch sei nicht nötig, dass der Arbeitnehmer der Nutzung des digitalen Mitarbeiterpostfachs zustimme.

Da Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs vorliegend gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig seien, das LAG aber nicht festgestellt habe, ob der Konzernbetriebsrat hierfür nach § 58 BetrVG zuständig gewesen sei, sei die Sache an das LAG zurückzuverweisen.

Inhaltlich würden die Regelungen der Konzernbetriebsvereinbarung weder gegen Datenschutzrecht verstoßen noch sich als unverhältnismäßig erweisen. Insbesondere müsse sich kein Beschäftigter privat eine IT‑Infrastruktur anschaffen, um auf seine Abrechnungen zugreifen zu können, da diejenigen, für die der Zugriff über ein privates Endgerät nicht möglich sei, die Abrechnungen im Betrieb einsehen und ausdrucken können.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „Arbeits-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Arbeitsrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme