BayObLG, Beschl. 12.9.2019 - 1 VA 86/19

Akteneinsicht in Insolvenzakte des anderen Ehegatten im Zugewinnausgleichsverfahren

Autor: Prof. Dr. Gabriele Janlewing, Duisburg
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2020
Ein Recht auf Akteneinsicht in die Insolvenzakte des Ehegatten besteht nur bei rechtlichem Eigeninteresse. Ein solches rechtliches Interesse liegt vor, wenn durch den Gegenstand, in dessen Akte Einsicht begehrt wird, persönliche und nicht nur wirtschaftliche Rechte des Antragstellers berührt werden.

BGB § 810, § 882g Abs. 2 Nr. 3, § 1378; EGGVG § 23, § 26 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 S. 2; GG Art. 20 Abs. 1, Abs. 3; GNotKG § 22 Abs. 1; InsO § 4; ZPO § 299 Abs. 2

Das Problem

Die Ehefrau begehrt für die rechtshängige Folgesache Zugewinnausgleich Akteneinsicht in die bereits abgeschlossene Insolvenzakte des Ehemannes.

Der Ehemann ist mit Schulden in die Ehe gegangen und hat sich während der Ehe durch die Erteilung der Restschuldbefreiung saniert. Im familiengerichtlichen Zugewinnausgleichsverfahren ist die Bewertung des Anfangsvermögens streitig. Während der Ehemann dieses mit „Null“ ansetzt, geht die Ehefrau von einem negativen Anfangsvermögen aus, da das Insolvenzverfahren des Ehemannes zwar schon vor der Eheschließung abgeschlossen war, ihm die Restschuldbefreiung jedoch erst nach Eheschließung erteilt wurde. Zur genauen Bezifferung des Anfangsvermögens ist aus Sicht der Ehefrau die Einsicht in die Insolvenzakte erforderlich, da der im familiengerichtlichen Verfahren zur Auskunft über seine Schulden vor Eheschließung verurteilte Schuldner seiner Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BayObLG lehnt ein Akteneinsichtsrecht der Ehefrau mit überzeugenden Argumenten und umfassender Begründung ab. Es handelt sich um ein Lehrstück in juristischer Auslegungstechnik, wenn die Begriffe „rechtliches Interesse“, „berechtigtes Interesse“ und „wirtschaftliches Interesse“ systematisch und teleologisch sauber voneinander abgegrenzt werden. Ein hier erforderliches rechtliches Interesse setzt demnach voraus, dass durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akte Einsicht begehrt wird, persönliche Rechte des Antragstellers berührt werden. Ein rechtlicher Bezug des gegenwärtig im Streit stehenden Rechtsverhältnisses „Güterrecht“ zwischen der Antragstellerin und dem vormaligen Schuldner zu dem Verfahrensstoff der einzusehenden Insolvenzakte besteht nicht. Die Klärung des für die Berechnung des Zugewinns maßgeblichen Anfangsvermögens steht deshalb in keiner rechtlichen Beziehung zum Gegenstand des Insolvenzverfahrens. Letzteres soll vielmehr als Auskunftsquelle für die in anderem rechtlichen Zusammenhang bedeutsame Höhe der damaligen Verbindlichkeiten genutzt werden.


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