BGH, Beschl. 15.3.2017 - XII ZB 109/16

Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags bei einer Unternehmerehe

Autor: Notar Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regen und Zwiesel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2017
a) Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund einer Gesamtschau der zu den Scheidungsfolgen getroffenen Regelungen im Fall der sog. Unternehmerehe (im Anschluss an BGH v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 = FamRB 2014, 162; BGH v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195 = FamRB 2013, 34).b) Zum Erfordernis eines bestimmten Antrags der Beschwerdebegründung in einer Unterhaltsfolgesache (im Anschluss an BGH v. 10.6.2015 – XII ZB 611/14, FamRZ 2015, 1375 = FamRB 2015, 347; v. 4.9.2013 – XII ZB 87/12, FamRZ 2013, 1879 = FamRB 2014, 8).

BGH, Beschl. v. 15.3.2017 - XII ZB 109/16

Vorinstanz: OLG Bamberg v. 18.2.2016 - 2 UF 247/14

BGB §§ 138 Abs. 1, 1408

Das Problem

Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund um den nachehelichen Unterhalt und den Versorgungsausgleich. Sie heirateten im März 1993. Aus der Ehe ist eine am 3.12.1995 geborene Tochter hervorgegangen. Am 28.12.1995 schlossen sie einen notariellen „Ehevertrag und Erbverzicht”. Darin schlossen sie den Zugewinn- und Versorgungsausgleich aus. Den nachehelichen Unterhalt beschränkten sie auf den Kinderbetreuungsunterhalt, wobei dieser mit Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten gemeinschaftlichen Kindes auf jeden Fall enden sollte. Der Kinderbetreuungsunterhalt wurde ferner der Höhe nach auf 3.000 DM monatlich begrenzt. Hintergrund für den Abschluss des notariellen Ehevertrags war eine Umstrukturierung des der Mutter des Ehemanns gehörenden Unternehmens von einem Einzelunternehmen in eine GmbH & Co. KG. Die Mutter hatte die Übertragung von 12 % der Gesellschaftsanteile vom Abschluss des Ehevertrags abhängig gemacht. Später übertrug sie an den Sohn weitere 33 % der Anteile. Die Ehefrau arbeitete bis zur Eheschließung als Bürokauffrau, nach Eheschließung war sie im Familienunternehmen als Sekretärin beschäftigt und arbeitete bis zum 3. Lebensjahr der gemeinsamen Tochter bis 2008 in Teilzeitbeschäftigung als Sekretärin. Sie ist aufgrund einer erstmals 1997 diagnostizierten multiplen Sklerose zu 100 % schwerbehindert und in die Pflegestufe II eingestuft worden. Sie bezieht seit 2008 eine Erwerbsminderungsrente. Die Ehefrau beruft sich auf die Unwirksamkeit des Ehevertrags. Das AG hat den Antrag der Frau auf nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Das OLG hat den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Ehemann zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts

Aufgrund der nur hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts zugelassenen Rechtsbeschwerde bestätigt der BGH die Verurteilung des Ehemanns zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Der Ehevertrag ist aufgrund Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig. Er führt zu einer objektiv unangemessenen Benachteiligung der Ehefrau. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich noch nicht daraus, dass der Ehevertrag für die Ehefrau durchgehend nachteilig war. Selbst der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) ist nicht jeglicher Modifikation entzogen. Durch die höhenmäßige Beschränkung wurde die persönliche Kinderbetreuung durch die Ehefrau nicht in Frage gestellt. Der Ausschluss der Unterhaltsansprüche wegen Alters und Krankheit (§ 1571, § 1572 BGB) begegnet keinen Bedenken, wenn noch nicht absehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ein Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden kann. Gleiches gilt für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, da die Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin höhere Versorgungsanwartschaften erworben hatte als der Ehemann. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs stellte sich somit für die Ehefrau nicht als nachteilig dar. Auch der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bei einer Unternehmerehe, bei der der selbständig erwerbstätige Ehegatte seine Altersvorsorge wesentlich durch die Ansammlung privaten Vermögens aufbaut, wodurch eine nicht kompensierte Lücke in der Altersversorgung des nicht erwerbstätigen anderen Ehegatten entsteht, führt nicht zur Sittenwidrigkeit. Allerdings kann die Gesamtwürdigung zur Sittenwidrigkeit führen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen gibt.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass durch den Ausschluss des Alters- und Krankheitsunterhalts, der zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehört, einem Ehegatten, für den durch die Übernahme der Familienarbeit Versorgungsnachteile entstehen, künftig Einkommens- und Versorgungsnachteile entstehen können, die nicht kompensiert werden. In subjektiver Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Ehefrau in die Verhandlungen, die dem Abschluss des Ehevertrags vorausgingen, nicht miteingebunden war. Sie hatte keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung. Ihr wurde vor dem Abschluss des Ehevertrags kein Vertragsentwurf zur Verfügung gestellt. Beim Notartermin wurde der Vertrag zwar vorgelesen, von ihr auch unterschrieben; sie hatte den Vertrag zum Durchlesen jedoch nicht in der Hand gehabt. Sie hat somit lediglich eine passive Rolle eingenommen. Hinzu kam, dass das noch nicht einen Monat alte Kind bei der Beurkundung dabei war und die Ehefrau den Beurkundungstermin deswegen möglichst schnell hinter sich bringen wollte. Zusätzlich wurde in dem Termin hauptsächlich die Umwandlung des Unternehmens beurkundet, an welchem die Ehefrau nicht beteiligt war. Der Umstand, dass ihr die Regelungen im Ehevertrag „egal” waren und die Möglichkeit, den Ehevertrag zuvor im Büro des Unternehmens zu lesen, schließen den subjektiven Tatbestand nicht aus. Auch der benachteiligte Ehegatte, der den Vertrag nur mit Bedenken oder quasi widerwillig abschließt, wird durch § 138 Abs. 1 BGB geschützt.


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