BGH, Beschl. 17.3.2021 - XII ZB 221/19

Erneute Prüfung des Rechtsmissbrauchs bei Berufung auf Ehevertrag im Rahmen der Unterhaltsabänderung

Autor: VorsRiOLG Dr. Regina Bömelburg, Köln
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2021
Im Rahmen einer Unterhaltsabänderung nach § 238 FamFG kann, wenn die Voraussetzungen des § 238 FamFG erfüllt, d.h. Tatsachen vorgetragen sind, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ergibt, das Vorliegen eines möglichen Rechtsmissbrauchs im Rahmen der Ausübungskontrolle eines Ehevertrags nach § 242 BGB erneut geprüft werden.

FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 238; BGB § 138, § 242, § 1572, § 1573

Das Problem

Der im Jahr 1955 geborene Antragsteller und die im März 1956 geborene Antragsgegnerin heirateten im Jahr 1978. Aus der Ehe gingen die in den Jahren 1982 und 1983 geborenen Kinder hervor. Die Antragsgegnerin arbeitete seit der Heirat und bis zur Geburt des Sohnes im Jahr 1982 in Vollzeit ohne Berufsausbildung als Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst. Ab 1992 war sie dort zunächst halbschichtig und ab 1999 vollschichtig tätig. Ab dem 1.10.2013 bezieht sie eine durch den Versorgungsausgleich erhöhte Erwerbsminderungsrente, ferner von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und weiter eine Betriebsrente wegen voller Erwerbsminderung von der VBL.

Am 3.2.1981 schlossen die Beteiligten einen notariellen Ehevertrag, der einen Unterhaltsausschluss sowohl für den Trennungsunterhalt als auch den nachehelichen Unterhalt sowie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs regelte. Nach ihrer Trennung im Mai 2006 schlossen sie am 14.6.2006 einen weiteren notariellen Ehevertrag, mit dem sie Gütertrennung vereinbarten, den Zugewinnausgleich regelten und eine Vermögensaufteilung vornahmen. In den Vorbemerkungen des Vertrags erklärten die Beteiligten, dass die von ihnen in der notariellen Urkunde vom 3.2.1981 getroffenen Vereinbarungen aufrechterhalten bleiben sollten und auch gegenwärtig ihrem ausdrücklichen Willen entsprächen.

Die Ehe der Beteiligten wurde durch Urteil des AG vom 16.12.2009 geschieden. Der Antragsteller wurde in der Folgesache Ehegattenunterhalt verurteilt, an die Antragsgegnerin zunächst monatlich 622 € Elementarunterhalt und 157 € Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Nach einer durch das AG über einen Zeitraum von vier Jahren vorgenommenen stufenweisen Herabsetzung war der Ehemann ab dem 1.1.2014 noch verpflichtet, einen monatlichen Ehegattenunterhalt von 102 € Elementarunterhalt sowie 26 € Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Der Versorgungsausgleich ist durch das OLG mit Beschluss vom 30.6.2016 dahin gehend geregelt worden, dass ein Teilausgleich der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften in Höhe des ehebedingten Nachteils vorzunehmen sei.

Der Antragsteller bezieht Einkünfte als Angestellter und begehrt eine Herabsetzung seiner Verpflichtung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt auf „Null“ für die Zeit ab August 2014, da infolge des Rentenbezugs durch die Ehefrau eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten sei. Im Rahmen einer Abänderung seien aufgrund des neuen Unterhaltstatbestands auch die Wirksamkeit der Eheverträge und deren Anwendbarkeit auf den nachehelichen Unterhalt neu zu überprüfen.

Das AG hat den Abänderungsantrag des Ehemanns zurückgewiesen und die Unterhaltsbeträge auf den Widerantrag der Ehefrau für die Zeit ab April 2014 erhöht. Das KG hat auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin die Entscheidung des AG teilweise abgeändert, die Unterhaltsbeträge herabgesetzt und bestimmt, dass der Antragsteller ab 1.9.2016 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schulde. Zur Begründung hat das KG ausgeführt, es sei an die rechtskräftige Entscheidung des AG gebunden, wonach die Vereinbarung vom 3.2.1981 zwar wirksam sei, der Ausschluss des nachehelichen Unterhalts der Ausübungskontrolle aber nicht standhalte. Dabei habe das AG in der abzuändernden Entscheidung vom 16.12.2009 auch den Ehevertrag vom 14.6.2006 geprüft und entschieden, dass diesem auch hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts kein eigenständiger Regelungscharakter zukomme und der nacheheliche Unterhalt auch nicht durch die darin vereinbarte Ausgleichszahlung von 25.000 € (teilweise) wirksam abgefunden worden sei. Es sei deshalb auch nicht möglich, dessen Wirksamkeit zu prüfen. Daher sei auch für den sich nunmehr ergebenden Anschlussunterhalt gem. § 1572 Nr. 4 BGB nicht erneut zu prüfen, ob dieser Anspruch dem Grunde nach gegeben sei. Der Unterhalt wegen Krankheit sei lediglich an die Stelle des im Vorverfahren zugesprochenen Aufstockungsunterhalts gem. § 1573 BGB getreten. Dies eröffne auch im Rahmen der Ausübungskontrolle keine vollständige, von der Erstentscheidung losgelöste Prüfung. Im Abänderungsverfahren sei lediglich die Folge der Ausübungskontrolle, nämlich die Vertragsanpassung an die veränderten Umstände, anzugleichen. Dies bedeute konkret, dass Gegenstand des Verfahrens nur sei, ob der nacheheliche Unterhalt in dieser Höhe und möglicherweise hinsichtlich dieses Zeitraums abzuändern sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hebt auf die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers die Entscheidung des KG auf und verweist die Sache an dieses zurück, soweit zum Nachteil des Antragstellers entschieden wurde. Der BGH führt zur Begründung der Zurückweisung aus, das KG habe sich zutreffend im Rahmen des § 238 FamFG an die Bewertung des Ausgangsurteils des AG vom 16.12.2009 bezüglich der Sittenwidrigkeit des Ehevertrags vom 3.2.1981 und zur Bedeutung des weiteren Ehevertrags vom 14.6.2006 gebunden gesehen. Das KG habe sich jedoch zu Unrecht im Hinblick auf die abzuändernde Entscheidung des AG an einer erneuten Ausübungskontrolle hinsichtlich des Ehevertrags vom 3.2.1981 gem. § 242 BGB gehindert gesehen. Die Ausübungskontrolle sei einer Neubewertung im Rahmen der Abänderung nach § 238 FamFG zugänglich.


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