BGH, Beschl. 18.7.2024 - V ZB 43/23

Zuschlagsversagung bei einem Verstoß gegen die Regeln des „fairen Verfahrens“ im Rahmen der Teilungsversteigerung

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2025
Bei falschen oder die wahre Sachlage verzerrenden Erklärungen eines Miteigentümers im Teilungsversteigerungstermin, die in der tatrichterlichen Gesamtschau der protokollierten Vorgänge die Annahme rechtfertigen, dass Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden sollen, damit der Miteigentümer das Grundstück selbst günstig ersteigern kann, kann die Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung verstoßen. Der Zuschlag ist nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieses Verhalten nachteilig auf die Abgabe von Geboten ausgewirkt hat.

ZVG §§ 83 Nr. 6, 180 Abs. 1; BGB § 242; GG Art. 14

Das Problem

Die Beteiligten, geschiedene Eheleute, betrieben beide die Teilungsversteigerung des ihnen zu je ½ gehörenden Einfamilienhauses. Der Verkehrswert des Objektes wurde mit 452.000 € festgesetzt. Das geringste Gebot betrug 370.000 € (Übernahme einer Grundschuld von 360.000 € sowie 10.000 € Bargebot zur Deckung der Kosten). Der Ehemann, der weiterhin im Hause wohnte, versuchte im Versteigerungstermin, durch falsche und verzerrende Erklärungen Interessenten abzuschrecken. Unter anderem wies er auf einen von ihm bedingt gestellten Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO hin. Mehrere Mietverträge, die sogar eine gewerbliche Nutzung des Objektes an „Ausländer“ belegen sollten, wurden vorgelegt. Er betonte seine Pflegebedürftigkeit nach Stufe 3. Sein Verfahrensbevollmächtigter wies während der Bietzeit auf die Pflicht eines Erstehers zur Übernahme der dinglichen Zinsen der bestehen bleibenden Grundschuld hin. Da nicht klar sei, an wen und auf welches Konto die Ablösung der Grundschuld erfolgen könne, wurde von ihm eine mögliche Zuzahlung i.H.v. 200.000 € auf Zinsen nach dem Zuschlag in den Raum gestellt. Dies veranlasste den Rechtspfleger zu dem Hinweis, dass sich der Erwerber aus der Zinsverpflichtung ggf. durch Hinterlegung befreien könne. Interessenten waren aber derart verunsichert, dass keine weiteren Gebote als das des „Störers“ abgegeben wurden. Dieser hatte ein Gebot geringfügig über dem niedrigsten bar zu zahlenden Betrag abgegeben. Zum Zeitpunkt der Zuschlagsversagung wurden ähnliche Objekte regelmäßig zu etwa 150 % des festgesetzten Verkehrswertes versteigert. Der Rechtspfleger verweigerte die Zuschlagserteilung. Das LG bestätigte diese Entscheidung. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat bestätigt die Zuschlagsversagung. Regelmäßig verfolgten Miteigentümer in der Teilungsversteigerung entgegengesetzte Interessen. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, auf bestehende Mietverträge zu verweisen. Diese müssten von einem Erwerber übernommen werden, wobei in der Teilungsversteigerung das Sonderkündigungsrecht des § 57a ZVG durch § 183 ZVG ausgeschlossen sei. Auch könne jeder Miteigentümer mitbieten.

Allerdings bestünden Grenzen bei der Wahrnehmung eigener Interessen. Das Verfahren auf Teilungsversteigerung sei kein rechtsfreier Raum. Die Grundsätze von Treu und Glauben und hieraus ableitend einer „fairen Verhandlungsführung“ müssten beachtet werden. Zwar seien hohe Hürden für eine Zuschlagsversagung zu setzen. Diese seien aber dann erreicht, wenn Störmanöver nur dazu dienten, manipulativ auf Interessenten einzuwirken, um sie vom Steigern abzuhalten. Immerhin sei vordringliches Ziel der Teilungsversteigerung, einen höchstmöglichen Erlös zu erzielen. Neben falschen Erklärungen seien damit auch die Sachlage grob verzerrende Erklärungen unzulässig, sofern sie nur darauf ausgerichtet seien, das Bietverhalten anderer Interessenten nachhaltig zu beeinträchtigen.

Dies müsse in einer Gesamtschau gewürdigt werden. Das LG hatte angenommen, dass einzelne Punkte für sich allein gesehen noch keine Zuschlagsversagung rechtfertigt hätten. Wenn man aber alle Störmanöver zusammen betrachte, sei von einer sittenwidrigen Vorgehensweise auszugehen, die auf eine Manipulation des Verfahrens abgezielt habe.
  • Zwar sei der Hinweis auf die Übernahme angeblich bestehender Mietverträge richtig gewesen. Allerdings sei die Bemerkung der Vermietung an „Ausländer“ nur darauf ausgerichtet gewesen, Probleme bei der Vollstreckung zu suggerieren.
  • Der Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO sei nicht offensichtlich unbegründet gewesen. Dieser Antrag sei allerdings vorher bereits negativ beschieden, nunmehr aber im Termin nur neu überreicht worden. Der Hinweis auf Pflegestufe 3 habe Interessenten, die in der Regel als Selbstnutzer einziehen wollten, Probleme bei der Vollstreckung aus dem Zuschlagbeschluss gem. § 90 ZVG insinuieren sollen.
  • Vor allen Dingen sei aber der Hinweis auf die vom Erwerber zu übernehmenden dinglichen Zinsen manipulativ gewesen. Zwar habe ein Ersteher gem. §§ 56 S. 2, 180 Abs. 1 ZVG vom Zuschlag an die Lasten zu tragen. Dies gelte auch für die Zinslast aus einer bestehenden Grundschuld. Auf diese Rechtsfolge müsse sogar der Rechtspfleger vor Beginn der Bietstunde aufmerksam machen. Damit sei grundsätzlich der Hinweis auf dinglich zu übernehmende Zinsen durch den Erwerber richtig. Jedoch habe der Verfahrensbevollmächtigte des Miteigentümers ein Szenario gezeichnet, wonach wegen der Zerstrittenheit der Beteiligten und der hierdurch bedingten Ermittlung der Grundschuldgläubigerin mit einer Zahlungspflicht in einer gänzlich unrealistischen Größenordnung von 200.000 € zu rechnen sei.
Vor allem dieser letzte Punkt sei nach der Anhörung des Rechtspflegers durch das LG ausschlaggebend dafür gewesen, dass andere Bietinteressenten kein weiteres Gebot abgegeben hätten. Zu Recht habe der Rechtspfleger daher eine Manipulation des Versteigerungstermins im Termin selber festgestellt. Damit bestünden Anhaltspunkte dafür, dass sich das manipulative Verhalten nachteilig ausgewirkt habe. Regelmäßig seien andere Objekte in Zeiten des Immobilienbooms zu ca. 150 % des Verkehrswertes abgesetzt worden. Die Kausalität der Manipulation müsse nicht einmal positiv festgestellt werden. Wegen des mit dem Zuschlag verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht gem. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz reiche das Vorliegen von Anhaltspunkten für den Erfolg der Manipulation aus.


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