BGH, Beschl. 25.9.2024 - XII ZB 244/22
Unwirksamkeit einer Online-Eheschließung vor einer ausländischen Behörde bei Abgabe der Eheschließungserklärungen in Deutschland
Autor: RiAG Alexander Erbarth, Greiz
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2025
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2025
Geben Verlobte die Eheschließungserklärungen in Deutschland ab, handelt es sich um eine Eheschließung im Inland und kann die Ehe daher nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Eine Eheschließung durch von Deutschland aus per Videotelefonie vor einem Trauungsorgan im Ausland (hier: Behörde in Utah/USA) abgegebene Erklärung ist unwirksam (Abgrenzung zu Senat, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 309/21, FamRZ 2022, 93 = FamRB 2022, 46 [Finger] = FamRB 2022, 63 [Stockmann]). (Rz. 16–18)
BGB §§ 1310 Abs. 1 Satz 1, 1311 Satz 1; EGBGB Art. 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 4
So ist die Anmeldung einer Eheschließung mit Auslandsbezug aufwendig:
Muss doch der Standesbeamte bei der Prüfung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 PStG, ob der Eheschließung zwischen Personen verschiedenen Geschlechts ein Hindernis entgegensteht, nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB die Zulässigkeit der Eheschließung in materieller Hinsicht grundsätzlich nach ausländischem Heimatrecht jeder Person untersuchen. Komplizierte rechtliche Probleme stellen sich bei der Untersuchung des Vorliegens etwaiger Ehehindernisse wobei gegebenenfalls Religionszugehörigkeiten der Beteiligten zu ermitteln sind, um interreligiöse Ehehindernisse ausschließen zu können. Bei Scheidung einer Vorehe eines Verlobten im Ausland ist im Rahmen der Eheanmeldung zunächst grundsätzlich das obligatorische Feststellungsverfahren nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG für die Anerkennung der ausländischen Aufhebung oder Scheidung durchzuführen, es sei denn, es handelt sich um eine reine Heimatstaatsentscheidung i.S.v. § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG oder Anerkennung erfolgt nach Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO oder Art. 30 Abs. 1 Brüssel IIb-VO.
Weiterhin erschwert das die Arbeit des Standesbeamten erleichternde nach § 1309 Abs. 1 BGB vorzulegende Ehefähigkeitszeugnis, wie die Erteilung der Befreiung der Vorlage nach § 1309 Abs. 2 BGB, die Anmeldung der Eheschließung für Verlobte verschiedenen Geschlechts erheblich. Hinzu kommt, dass die Verlobten für eine Eheschließung in Deutschland bei der Anmeldung der Eheschließung nach § 12 Abs. 2 PStG ihren Personenstand, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, ihre Staatsangehörigkeit und die Auflösung etwaiger Vorehen grundsätzlich durch öffentliche Urkunden nachweisen müssen; bei ausländischen Urkunden stellen sich gegebenenfalls umfangreiche Fragen nach Echtheitsnachweisen (beispielsweise durch „Haager Apostille“) oder einer Legalisation (§ 438 Abs. 2 ZPO, § 13 KonsG) sowie nach einer fachgemäßen Übersetzung (§ 2 Abs. 1 PStV; A4. 1.2 PStG-VwV). Schließlich muss ein deutscher Standesbeamter intensiv nach § 13 Abs. 2 PStG i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB prüfen, ob eine Schein- bzw. Aufenthaltsehe beabsichtigt ist, um seine Mitwirkung gegebenenfalls nach § 1310 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB zu verweigern.
Die regelmäßig umfangreiche Prüfung, gepaart mit einem teilweise bestehenden Personalmangel deutscher Standesämter, führt bisweilen zu monatelangen Wartezeiten.
So hat sich einmal für die Umgehung Deutschlands als Eheschließungsort die Eheschließung in Dänemark („Dänemark-Ehe“, „Tondern-Ehe“) etabliert. Gründe sind die mit einem Schengen-Visum leichte Erreichbarkeit als direktes Nachbarland, eine moderne, weitgehend digital sowie pragmatisch und unbürokratisch arbeitende Verwaltung, aber auch, dass die Eheschließung in Dänemark bei Ausländern in formeller wie in materieller Hinsicht stets nach dänischem Recht erfolgt (Franck in Yassari/Michaels, Die Frühehe im Recht, 2021, 425, 430). In jüngerer Zeit erfolgt die Umgehung Deutschlands als Eheschließungsort in zwei gegenüber der „Dänemark-Ehe“ einfacheren Formen, weil ohne Reise nach Dänemark mit physischem Verbleib beider oder zumindest eines Verlobten in Deutschland: Im Wege der sog. Handschuhehe sowie der hier gegebenen sog. Online-Ehe. Erfolgt bei der Handschuhehe die Eheschließung der sich in Deutschland aufhaltenden Verlobten im Ausland meist durch einen beide Ehegatten zugleich vertretenden Stellvertreter, so schließen bei der Online-Ehe in Deutschland weilende Nupturienten die Ehe mittels Videokonferenz vor einem ausländischen Trauungsorgan.
Die Antragsteller in dem vom BGH entschiedenen Fall sind nigerianische Staatsangehörige; sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie schlossen im Mai 2021 per Videotelefonie die Ehe vor einer Behörde in Utah/Vereinigte Staaten von Amerika. Während der Eheschließung befanden sich beide Antragsteller in Deutschland und gaben ihre Erklärungen im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton gegenüber der Behörde in Utah ab. Sie erhielten eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille. Die zuständige Meldebehörde sah die Eheschließung in Utah nicht als wirksam an. Hierauf haben die Antragsteller die beabsichtigte Eheschließung beim zuständigen Standesamt angemeldet. Das Standesamt hat eine Zweifelsvorlage beim AG eingereicht mit der Frage, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung entgegenstehe. Das AG hat das Standesamt angewiesen, die Anmeldung zur Eheschließung nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Antragsteller die Ehe in Utah geschlossen haben. Das OLG hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde.
Ob es sich in der vorliegenden Fallkonstellation um eine Eheschließung im Inland handele, sei umstritten.
Zum Teil werde vertreten, im Fall einer nach dem jeweiligen Auslandsrecht für die Wirksamkeit der Eheschließung erforderlichen („konstitutiven“) Registrierung durch die ausländische Stelle liege der Ort der Eheschließung im Ausland und finde Art. 11 EGBGB Anwendung (Mankowski in Staudinger, BGB, 2011, Art. 13 EGBGB Rz. 479; Coester in MünchKomm, Art. 13 EGBGB Rz. 141; BeckOGK/Rensch, Stand: 1.6.2024, Art. 13 EGBGB Rz. 241; Gössl/Pflaum, StAZ 2022, 97, 98 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 4. Aufl., Rz. III – 409; Erbarth, StAZ 2022, 289, 291 ff.; Frank, JZ 2022, 21, 29; Beiderwieden, juris PR-IWR2/2022 Anm. 4; ebenso bereits LG Frankenthal, FamRZ 1975, 698; vgl. auch VerwG Berlin v. 11.10.2023 – 28 K 82/22, StAZ 2024, 87, 88).
Der überwiegende Teil der bislang veröffentlichten instanzgerichtlichen Rechtsprechung und ein Teil der Literatur seien dagegen mit dem Beschwerdegericht der Meinung, dass auf die Abgabe der Erklärungen durch die Eheschließenden abzustellen sei. Sei diese im Inland erfolgt, handle es sich um eine Eheschließung im Inland (VerwG Augsburg, BeckRS 2022, 15351, dazu Bay. VGH v. 20.6.2022 – 10 CS 22.716, StAZ 2022, 306; VerwG Karlsruhe v. 28.9.2023 – 1 K 3074/23, juris Rz. 10 ff.; VerwG Düsseldorf v. 5.7.2024 – 7 K 2728/22, juris; im Ergebnis auch VerwG Düsseldorf v. 15.2.2022 – 7 L 122/22, FamRZ 2022, 681; NK-BGB/Andrae, 4. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 100; BeckOK/Mörsdorf Art. 13 Rz. 64; Wall, StAZ 2022, 33, 38 und StAZ 2022, 202, 204 f.; Mayer, IPrax 2022, 593, 597; Gmehling, Der Ort der Eheschließung im deutschen Kollisionsrecht, 2024, S. 66 ff.).
Die letztgenannte Auffassung treffe zu.
Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 EGBGB sei lex specialis zu Art. 11 EGBGB und ihrer Rechtsnatur nach eine einseitige Kollisionsnorm, die als besondere Bestimmung zur Form der Eheschließung im Inland nach deutschem Recht auszulegen sei. Fragen der Mitwirkung eines Trauungsorgans bei der Eheschließung seien dabei wie die Modalitäten der Eheschließungserklärungen nach einhelliger Ansicht als Formfragen anzusehen. Im Ausgangspunkt finde die Eheschließung dort statt, wo die für ihre Wirksamkeit erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen wurden. Dem stehe ein abweichender Ort des Zugangs der Eheschließungserklärungen oder der ausländische Sitz des Trauungsorgans, an das die Erklärungen übermittelt werden, nicht entgegen. Die Mitwirkung des Standesbeamten und die Notwendigkeit höchst persönlicher Erklärungen stellten Elemente der Form dar, die für den Ort der Eheschließung nicht ausschlaggebend seien. Die Anwendbarkeit von Formvorschriften ergebe sich nach der gesetzlichen Konzeption erst aus dem vorrangig zu bestimmenden Ort der Eheschließung. Dass die Registrierung nach dem in Betracht kommenden Auslandsrecht „konstitutive Ausführung“ Wirkungen habe, ändere daran nichts. Dem Abstellen auf das Auslandsrecht liege vielmehr ein Zirkelschluss zugrunde, der das zu begründende, nämlich die Anwendbarkeit des ausländischen Formstatuts, in unzulässiger Weise voraussetze.
Im Übrigen kenne auch das deutsche Recht (vorbehaltlich der Heilungsmöglichkeit nach § 1310 Abs. 3 BGB) mit § 1310 Abs. 1, § 1311 Satz 1 Formerfordernisse, die für die Wirksamkeit der Eheschließung erfüllt sein müssen. Es dürfe daher ohne dies schon keine entscheidende Besonderheit darstellen, wenn das jeweilige Auslandsrecht die Registrierung im Unterschied zum deutschen Recht als Wirksamkeitsvoraussetzung der Eheschließung vorsehe. Dass auch eine „konstitutive“ Registrierung die Eheschließungserklärungen nicht zu ersetzen vermag, werde dadurch bestätigt, dass eine im Ausland etwa ohne entsprechenden Konsens der Verlobten vorgenommene Eheschließung bei Inlandsbezug mit dem ordre public nach Art. 6 Satz 2 i.V.m. Art. 6 Satz 2 EGBGB unvereinbar wäre. Soweit der Senat einen ordre-public-Verstoß bei sog. Handschuhehen grundsätzlich verneint habe (BGH v. 29.9.2021 – XII ZB 309/21, FamRZ 2022, 93 Rz. 30 f. = FamRB 2022, 46 [Finger] = FamRB 2022, 63 [Stockmann]), beziehe sich dies auf den Fall der Stellvertretung in der Erklärung. Diese setze indessen die Übereinstimmung der Vertreter Erklärung mit dem Willen der Verlobten, also auch deren materiellen Ehe Konsens voraus und betreffe mithin allein die Formfrage.
Es bestehe auch kein Wertungswiderspruch zwischen der Behandlung von Online-Eheschließung und Handschuhehe. In Anbetracht der vom Gesetzgeber in Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bewusst getroffenen Regelung, von der Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB nur eine hier nicht gegebene Ausnahme vorsehe, sei ein Absehen von der zwingend vorgeschriebenen Inlandsform nicht möglich. Im Unterschied zur Handschuhehe würden bei der online-Eheschließung die Erklärungen von den Eheschließenden persönlich an deren jeweiligen Aufenthaltsort abgegeben und nicht durch Vertreter am Ort der Trauungsperson oder registrierenden Behörde. Das entspreche nicht zuletzt auch der Art. 11 EGBGB zugrunde liegenden Systematik, wie insbesondere aus Art. 11 Abs. 3 EGBGB deutlich werde.
Selbst wenn hinsichtlich der Formzwecke möglicherweise kein wesentlicher Unterschied zwischen Online-Eheschließung und doppelter Handschuhehe bestehen sollte, berechtige dies nicht dazu, von der durch Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB zwingend angeordneten Inlandsform abzusehen. Diese sei vom Gesetzgeber allein an die Eheschließung im Inland geknüpft und von weiteren Voraussetzungen nicht abhängig gemacht worden. Wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung könne die Inlandsform (entgegen Erbarth, StAZ 2022, 289, 292; Franck, JZ 2023, 21, 29) selbst durch eine ihr funktional etwa gleichwertige Auslandsform somit nicht ersetzt werden.
Die Missachtung der von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vorgeschriebenen Inlandsform habe zur Folge, dass die Ehe nicht geschlossen sei, so dass die Online-Eheschließung im vorliegenden Fall unwirksam sei und daher der angemeldeten Eheschließung nicht entgegenstehe.
BGB §§ 1310 Abs. 1 Satz 1, 1311 Satz 1; EGBGB Art. 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 4
Das Problem
Die Eheschließung in Deutschland vor einem deutschen Standesbeamten zwischen Personen verschiedenen Geschlechts ist in grenzüberschreitenden Fällen an eine Vielzahl von Voraussetzungen geknüpft. Die erhebliche Anzahl der Hürden macht die Eheschließung für solche Personen schwierig, Ausweichstrategien sind die Folge.So ist die Anmeldung einer Eheschließung mit Auslandsbezug aufwendig:
Muss doch der Standesbeamte bei der Prüfung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 PStG, ob der Eheschließung zwischen Personen verschiedenen Geschlechts ein Hindernis entgegensteht, nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB die Zulässigkeit der Eheschließung in materieller Hinsicht grundsätzlich nach ausländischem Heimatrecht jeder Person untersuchen. Komplizierte rechtliche Probleme stellen sich bei der Untersuchung des Vorliegens etwaiger Ehehindernisse wobei gegebenenfalls Religionszugehörigkeiten der Beteiligten zu ermitteln sind, um interreligiöse Ehehindernisse ausschließen zu können. Bei Scheidung einer Vorehe eines Verlobten im Ausland ist im Rahmen der Eheanmeldung zunächst grundsätzlich das obligatorische Feststellungsverfahren nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG für die Anerkennung der ausländischen Aufhebung oder Scheidung durchzuführen, es sei denn, es handelt sich um eine reine Heimatstaatsentscheidung i.S.v. § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG oder Anerkennung erfolgt nach Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO oder Art. 30 Abs. 1 Brüssel IIb-VO.
Weiterhin erschwert das die Arbeit des Standesbeamten erleichternde nach § 1309 Abs. 1 BGB vorzulegende Ehefähigkeitszeugnis, wie die Erteilung der Befreiung der Vorlage nach § 1309 Abs. 2 BGB, die Anmeldung der Eheschließung für Verlobte verschiedenen Geschlechts erheblich. Hinzu kommt, dass die Verlobten für eine Eheschließung in Deutschland bei der Anmeldung der Eheschließung nach § 12 Abs. 2 PStG ihren Personenstand, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, ihre Staatsangehörigkeit und die Auflösung etwaiger Vorehen grundsätzlich durch öffentliche Urkunden nachweisen müssen; bei ausländischen Urkunden stellen sich gegebenenfalls umfangreiche Fragen nach Echtheitsnachweisen (beispielsweise durch „Haager Apostille“) oder einer Legalisation (§ 438 Abs. 2 ZPO, § 13 KonsG) sowie nach einer fachgemäßen Übersetzung (§ 2 Abs. 1 PStV; A4. 1.2 PStG-VwV). Schließlich muss ein deutscher Standesbeamter intensiv nach § 13 Abs. 2 PStG i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB prüfen, ob eine Schein- bzw. Aufenthaltsehe beabsichtigt ist, um seine Mitwirkung gegebenenfalls nach § 1310 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB zu verweigern.
Die regelmäßig umfangreiche Prüfung, gepaart mit einem teilweise bestehenden Personalmangel deutscher Standesämter, führt bisweilen zu monatelangen Wartezeiten.
So hat sich einmal für die Umgehung Deutschlands als Eheschließungsort die Eheschließung in Dänemark („Dänemark-Ehe“, „Tondern-Ehe“) etabliert. Gründe sind die mit einem Schengen-Visum leichte Erreichbarkeit als direktes Nachbarland, eine moderne, weitgehend digital sowie pragmatisch und unbürokratisch arbeitende Verwaltung, aber auch, dass die Eheschließung in Dänemark bei Ausländern in formeller wie in materieller Hinsicht stets nach dänischem Recht erfolgt (Franck in Yassari/Michaels, Die Frühehe im Recht, 2021, 425, 430). In jüngerer Zeit erfolgt die Umgehung Deutschlands als Eheschließungsort in zwei gegenüber der „Dänemark-Ehe“ einfacheren Formen, weil ohne Reise nach Dänemark mit physischem Verbleib beider oder zumindest eines Verlobten in Deutschland: Im Wege der sog. Handschuhehe sowie der hier gegebenen sog. Online-Ehe. Erfolgt bei der Handschuhehe die Eheschließung der sich in Deutschland aufhaltenden Verlobten im Ausland meist durch einen beide Ehegatten zugleich vertretenden Stellvertreter, so schließen bei der Online-Ehe in Deutschland weilende Nupturienten die Ehe mittels Videokonferenz vor einem ausländischen Trauungsorgan.
Die Antragsteller in dem vom BGH entschiedenen Fall sind nigerianische Staatsangehörige; sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie schlossen im Mai 2021 per Videotelefonie die Ehe vor einer Behörde in Utah/Vereinigte Staaten von Amerika. Während der Eheschließung befanden sich beide Antragsteller in Deutschland und gaben ihre Erklärungen im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton gegenüber der Behörde in Utah ab. Sie erhielten eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille. Die zuständige Meldebehörde sah die Eheschließung in Utah nicht als wirksam an. Hierauf haben die Antragsteller die beabsichtigte Eheschließung beim zuständigen Standesamt angemeldet. Das Standesamt hat eine Zweifelsvorlage beim AG eingereicht mit der Frage, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung entgegenstehe. Das AG hat das Standesamt angewiesen, die Anmeldung zur Eheschließung nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Antragsteller die Ehe in Utah geschlossen haben. Das OLG hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde.
Die Entscheidung des Gerichts
Der der BGH sieht die zulässige Beschwerde der Standesamtsaufsicht als unbegründet an. Die per Videotelefonie von Deutschland aus erfolgte Eheschließung der Antragsteller vor einer Stelle in Utah sei im Inland unwirksam. Nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB könne eine Ehe zwischen Personen verschiedenen Geschlechts im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Nach § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB müssen die Erklärungen der Eheschließenden vor dem Standesbeamten abgegeben werden. Die Eheschließenden müssen die Erklärungen gem. § 1311 Satz 1 BGB persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgegeben. Das sei nicht geschehen.Ob es sich in der vorliegenden Fallkonstellation um eine Eheschließung im Inland handele, sei umstritten.
Zum Teil werde vertreten, im Fall einer nach dem jeweiligen Auslandsrecht für die Wirksamkeit der Eheschließung erforderlichen („konstitutiven“) Registrierung durch die ausländische Stelle liege der Ort der Eheschließung im Ausland und finde Art. 11 EGBGB Anwendung (Mankowski in Staudinger, BGB, 2011, Art. 13 EGBGB Rz. 479; Coester in MünchKomm, Art. 13 EGBGB Rz. 141; BeckOGK/Rensch, Stand: 1.6.2024, Art. 13 EGBGB Rz. 241; Gössl/Pflaum, StAZ 2022, 97, 98 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 4. Aufl., Rz. III – 409; Erbarth, StAZ 2022, 289, 291 ff.; Frank, JZ 2022, 21, 29; Beiderwieden, juris PR-IWR2/2022 Anm. 4; ebenso bereits LG Frankenthal, FamRZ 1975, 698; vgl. auch VerwG Berlin v. 11.10.2023 – 28 K 82/22, StAZ 2024, 87, 88).
Der überwiegende Teil der bislang veröffentlichten instanzgerichtlichen Rechtsprechung und ein Teil der Literatur seien dagegen mit dem Beschwerdegericht der Meinung, dass auf die Abgabe der Erklärungen durch die Eheschließenden abzustellen sei. Sei diese im Inland erfolgt, handle es sich um eine Eheschließung im Inland (VerwG Augsburg, BeckRS 2022, 15351, dazu Bay. VGH v. 20.6.2022 – 10 CS 22.716, StAZ 2022, 306; VerwG Karlsruhe v. 28.9.2023 – 1 K 3074/23, juris Rz. 10 ff.; VerwG Düsseldorf v. 5.7.2024 – 7 K 2728/22, juris; im Ergebnis auch VerwG Düsseldorf v. 15.2.2022 – 7 L 122/22, FamRZ 2022, 681; NK-BGB/Andrae, 4. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 100; BeckOK/Mörsdorf Art. 13 Rz. 64; Wall, StAZ 2022, 33, 38 und StAZ 2022, 202, 204 f.; Mayer, IPrax 2022, 593, 597; Gmehling, Der Ort der Eheschließung im deutschen Kollisionsrecht, 2024, S. 66 ff.).
Die letztgenannte Auffassung treffe zu.
Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 EGBGB sei lex specialis zu Art. 11 EGBGB und ihrer Rechtsnatur nach eine einseitige Kollisionsnorm, die als besondere Bestimmung zur Form der Eheschließung im Inland nach deutschem Recht auszulegen sei. Fragen der Mitwirkung eines Trauungsorgans bei der Eheschließung seien dabei wie die Modalitäten der Eheschließungserklärungen nach einhelliger Ansicht als Formfragen anzusehen. Im Ausgangspunkt finde die Eheschließung dort statt, wo die für ihre Wirksamkeit erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen wurden. Dem stehe ein abweichender Ort des Zugangs der Eheschließungserklärungen oder der ausländische Sitz des Trauungsorgans, an das die Erklärungen übermittelt werden, nicht entgegen. Die Mitwirkung des Standesbeamten und die Notwendigkeit höchst persönlicher Erklärungen stellten Elemente der Form dar, die für den Ort der Eheschließung nicht ausschlaggebend seien. Die Anwendbarkeit von Formvorschriften ergebe sich nach der gesetzlichen Konzeption erst aus dem vorrangig zu bestimmenden Ort der Eheschließung. Dass die Registrierung nach dem in Betracht kommenden Auslandsrecht „konstitutive Ausführung“ Wirkungen habe, ändere daran nichts. Dem Abstellen auf das Auslandsrecht liege vielmehr ein Zirkelschluss zugrunde, der das zu begründende, nämlich die Anwendbarkeit des ausländischen Formstatuts, in unzulässiger Weise voraussetze.
Im Übrigen kenne auch das deutsche Recht (vorbehaltlich der Heilungsmöglichkeit nach § 1310 Abs. 3 BGB) mit § 1310 Abs. 1, § 1311 Satz 1 Formerfordernisse, die für die Wirksamkeit der Eheschließung erfüllt sein müssen. Es dürfe daher ohne dies schon keine entscheidende Besonderheit darstellen, wenn das jeweilige Auslandsrecht die Registrierung im Unterschied zum deutschen Recht als Wirksamkeitsvoraussetzung der Eheschließung vorsehe. Dass auch eine „konstitutive“ Registrierung die Eheschließungserklärungen nicht zu ersetzen vermag, werde dadurch bestätigt, dass eine im Ausland etwa ohne entsprechenden Konsens der Verlobten vorgenommene Eheschließung bei Inlandsbezug mit dem ordre public nach Art. 6 Satz 2 i.V.m. Art. 6 Satz 2 EGBGB unvereinbar wäre. Soweit der Senat einen ordre-public-Verstoß bei sog. Handschuhehen grundsätzlich verneint habe (BGH v. 29.9.2021 – XII ZB 309/21, FamRZ 2022, 93 Rz. 30 f. = FamRB 2022, 46 [Finger] = FamRB 2022, 63 [Stockmann]), beziehe sich dies auf den Fall der Stellvertretung in der Erklärung. Diese setze indessen die Übereinstimmung der Vertreter Erklärung mit dem Willen der Verlobten, also auch deren materiellen Ehe Konsens voraus und betreffe mithin allein die Formfrage.
Es bestehe auch kein Wertungswiderspruch zwischen der Behandlung von Online-Eheschließung und Handschuhehe. In Anbetracht der vom Gesetzgeber in Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bewusst getroffenen Regelung, von der Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB nur eine hier nicht gegebene Ausnahme vorsehe, sei ein Absehen von der zwingend vorgeschriebenen Inlandsform nicht möglich. Im Unterschied zur Handschuhehe würden bei der online-Eheschließung die Erklärungen von den Eheschließenden persönlich an deren jeweiligen Aufenthaltsort abgegeben und nicht durch Vertreter am Ort der Trauungsperson oder registrierenden Behörde. Das entspreche nicht zuletzt auch der Art. 11 EGBGB zugrunde liegenden Systematik, wie insbesondere aus Art. 11 Abs. 3 EGBGB deutlich werde.
Selbst wenn hinsichtlich der Formzwecke möglicherweise kein wesentlicher Unterschied zwischen Online-Eheschließung und doppelter Handschuhehe bestehen sollte, berechtige dies nicht dazu, von der durch Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB zwingend angeordneten Inlandsform abzusehen. Diese sei vom Gesetzgeber allein an die Eheschließung im Inland geknüpft und von weiteren Voraussetzungen nicht abhängig gemacht worden. Wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung könne die Inlandsform (entgegen Erbarth, StAZ 2022, 289, 292; Franck, JZ 2023, 21, 29) selbst durch eine ihr funktional etwa gleichwertige Auslandsform somit nicht ersetzt werden.
Die Missachtung der von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vorgeschriebenen Inlandsform habe zur Folge, dass die Ehe nicht geschlossen sei, so dass die Online-Eheschließung im vorliegenden Fall unwirksam sei und daher der angemeldeten Eheschließung nicht entgegenstehe.