OLG Rostock, Beschl. 6.2.2025 - 10 UF 78/23
Stufenanträge im Güterrecht: Wertermittlungsanspruch als Aliud gegenüber Wertmitteilung
Autor: RiinAG Dr. Annett Bergmann, München
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2025
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2025
1. Der reine Wertermittlungsanspruch ist gegenüber einem solchen auf „Wertmitteilung“ ein sog. Aliud und nicht nur ein Minus; einem Anliegen des Antragstellers in dem letzteren Sinne kann daher nicht zumindest in Verbindung mit einer Teilzurückweisung eines Antrages in dem ersteren Sinne Rechnung getragen werden.2. Wird der Antragsgegner bereits mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung zu der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit erteilter Auskünfte an Eides statt verpflichtet, stellt sich dies als Teilentscheidung dar, die mangels der erforderlichen Entscheidungsreife entgegen den Voraussetzungen der §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 301 ZPO ergangen ist; die Entscheidung ist in der Folge insoweit unter Einschluss des Verfahrens aufzuheben und die Sache gem. §§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 3 ZPO zurückzuverweisen, ohne dass es eines Antrages eines der Beteiligten bedarf.
BGB § 1379 Abs. 1 S. 1, § 1379 Abs. 1 S. 3 Halbs. 2; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 2 S. 1; ZPO § 301, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 538 Abs. 2 S. 3
Das AG Schwerin wies den Antrag der Antragstellerin auf Auskunftserteilung zum Anfangsvermögen zurück und verpflichtete den Antragsgegner im Übrigen zur Erteilung der beantragten Auskünfte und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Zur Begründung führte das FamG aus, dass wegen der Verpflichtung zur Auskunftserteilung zum Anfangsvermögen bereits Erfüllung eingetreten und für den Auskunftsanspruch zum Endvermögen mangels einer formwirksamen Vereinbarung auf den 15.11.2017 abzustellen sei. Der Auskunftsanspruch zum Trennungszeitpunkt am 5.12.2016 sei nicht verjährt, weil der Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zum Zahlungsanspruch unselbständiger Natur sei. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit einer fristgerecht eingelegten und ordnungsgemäß begründeten Beschwerde.
Im Übrigen ging das Beschwerdegericht davon aus, dass die Beschwerde teilweise begründet sei. Zu Recht sei das FamG davon ausgegangen, dass die Antragstellerin gem. § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Auskunftsanspruch über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung am 5.12.2016 und das Endvermögen am 15.11.2017 hat. Es liege keine formwirksame Vereinbarung von Stichtagen für die Zeitpunkte der Trennung und des Endvermögens i.S.v. §§ 1408, 1378 Abs. 3 BGB vor. Das OLG stellte darauf ab, dass ehevertragliche Vereinbarungen der Ehegatten zum Güterrecht oder solche, die sie dazu für den Fall der Auflösung der Ehe treffen, dem Formzwang der notariellen Beurkundung unterliegen.
Weiter geht das OLG davon aus, dass der Antragsgegner nicht nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt sei, die Leistung im Hinblick auf einen Auskunftsanspruch zum unstreitigen tatsächlichen Trennungsdatum am 5.12.2016 zu verweigern, weil die Verjährung des Auskunftsanspruchs gleichzeitig mit der Verjährung des Zahlungsanspruchs auf Zugewinnausgleich beginne. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Mitteilung der Werte der Gegenstände, zu denen der Antragsgegner Auskunft zu erteilen hat, bestehe hingegen nicht, weil die Auskunftspflicht nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich die Mitteilung wertbildender Faktoren, ohne Wertangaben umfasse. Der reine Wertermittlungsanspruch nach § 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB sei gegenüber einem solchen auf Wertmitteilung ein Aliud und nicht nur ein Minus.
Hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hebt das OLG die Entscheidung des AG auf und verweist sie zurück, weil insoweit eine unzulässige Teilentscheidung vorliege. Über stufenweise erhobene Ansprüche könne nur in der vorgegebenen Reihenfolge im Wege der abgesonderten Antragstellung durch Teil- oder Schlussbeschluss entschieden werden. Erst nach rechtskräftigem Auskunftsbeschluss und auf gesonderten Beteiligtenantrag könne das Verfahren fortgesetzt werden. Weiter merkte das Beschwerdegericht an, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung derzeit gar nicht bestehe, sondern erst, wenn die Auskunftserteilung formell ordnungsgemäß und äußerlich vollständig erfolgt ist.
BGB § 1379 Abs. 1 S. 1, § 1379 Abs. 1 S. 3 Halbs. 2; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 2 S. 1; ZPO § 301, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 538 Abs. 2 S. 3
Das Problem
Die Beteiligten hatten am 29.12.1998 die Ehe geschlossen und lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Am 5.12.2016 trennten sich die Beteiligten. Der Scheidungsantrag wurde am 15.11.2017 zugestellt und die Ehe der Beteiligten am 2.7.2018 rechtskräftig geschieden. Bereits vor Einleitung des Scheidungsverfahrens korrespondierten die Beteiligten zum Ausgleich eines etwaigen Zugewinns. Sie verständigten sich auf eine Auskunftserteilung zum Vermögensstand 1.12.2016. Aufgrund der erteilten Auskünfte forderte die Antragstellerin den Antragsgegner außergerichtlich unter Fristsetzung zum 15.10.2021 zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs i.H.v. 136.049,97 € auf. Da eine Zahlung des Antragsgegners ausblieb, beantragte die Antragstellerin beim AG Schwerin im Wege eines Stufenantrags, den Antragsgegner in der Auskunftsstufe zu verpflichten, Auskunft über das Endvermögen zum 15.11.2017, das Anfangsvermögen zum 29.12.1998 und über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung am 1.12.2016 zu erteilen sowie die Werte aller Vermögensgegenstände mitzuteilen und alle Unterlagen herauszugeben, die die erteilten Auskünfte belegen. In der zweiten Stufe beantragte die Antragstellerin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte. Mit einem späteren Schriftsatz beantragte die Antragstellerin hilfsweise die Verpflichtung zur Auskunftserteilung zu dem Vermögen des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Trennung am 5.12.2016. Der Antragsgegner erhob seinerseits ebenfalls einen Stufenantrag und beantragte, die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen. Zudem wendete der Antragsgegner Verjährung im Hinblick auf den Anspruch der Antragstellerin auf Auskunft zum Trennungsvermögen am 5.12.2016 ein.Das AG Schwerin wies den Antrag der Antragstellerin auf Auskunftserteilung zum Anfangsvermögen zurück und verpflichtete den Antragsgegner im Übrigen zur Erteilung der beantragten Auskünfte und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Zur Begründung führte das FamG aus, dass wegen der Verpflichtung zur Auskunftserteilung zum Anfangsvermögen bereits Erfüllung eingetreten und für den Auskunftsanspruch zum Endvermögen mangels einer formwirksamen Vereinbarung auf den 15.11.2017 abzustellen sei. Der Auskunftsanspruch zum Trennungszeitpunkt am 5.12.2016 sei nicht verjährt, weil der Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zum Zahlungsanspruch unselbständiger Natur sei. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit einer fristgerecht eingelegten und ordnungsgemäß begründeten Beschwerde.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG geht von der Zulässigkeit der Beschwerde des Antragsgegners aus, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den notwendigen Betrag von 600 € übersteige. Der Wert der Beschwer bemesse sich nicht nach dem Wert des geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse des verpflichteten Beteiligten, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei sei auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert. Die Beschwer erhöhe sich um die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten, wenn die Auskunftsverpflichtung keinen vollstreckbaren Inhalt habe. Der ausgesprochene Verpflichtung zur Herausgabe „aller Unterlagen“ fehle die Vollstreckungsfähigkeit i.S.v. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil das Vollstreckungsorgan selbst beurteilen müsse, welche Unterlagen als Nachweis einzelner Vermögensgegenstände in Betracht kommen.Im Übrigen ging das Beschwerdegericht davon aus, dass die Beschwerde teilweise begründet sei. Zu Recht sei das FamG davon ausgegangen, dass die Antragstellerin gem. § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Auskunftsanspruch über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung am 5.12.2016 und das Endvermögen am 15.11.2017 hat. Es liege keine formwirksame Vereinbarung von Stichtagen für die Zeitpunkte der Trennung und des Endvermögens i.S.v. §§ 1408, 1378 Abs. 3 BGB vor. Das OLG stellte darauf ab, dass ehevertragliche Vereinbarungen der Ehegatten zum Güterrecht oder solche, die sie dazu für den Fall der Auflösung der Ehe treffen, dem Formzwang der notariellen Beurkundung unterliegen.
Weiter geht das OLG davon aus, dass der Antragsgegner nicht nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt sei, die Leistung im Hinblick auf einen Auskunftsanspruch zum unstreitigen tatsächlichen Trennungsdatum am 5.12.2016 zu verweigern, weil die Verjährung des Auskunftsanspruchs gleichzeitig mit der Verjährung des Zahlungsanspruchs auf Zugewinnausgleich beginne. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Mitteilung der Werte der Gegenstände, zu denen der Antragsgegner Auskunft zu erteilen hat, bestehe hingegen nicht, weil die Auskunftspflicht nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich die Mitteilung wertbildender Faktoren, ohne Wertangaben umfasse. Der reine Wertermittlungsanspruch nach § 1379 Abs. 1 Satz 3 BGB sei gegenüber einem solchen auf Wertmitteilung ein Aliud und nicht nur ein Minus.
Hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hebt das OLG die Entscheidung des AG auf und verweist sie zurück, weil insoweit eine unzulässige Teilentscheidung vorliege. Über stufenweise erhobene Ansprüche könne nur in der vorgegebenen Reihenfolge im Wege der abgesonderten Antragstellung durch Teil- oder Schlussbeschluss entschieden werden. Erst nach rechtskräftigem Auskunftsbeschluss und auf gesonderten Beteiligtenantrag könne das Verfahren fortgesetzt werden. Weiter merkte das Beschwerdegericht an, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung derzeit gar nicht bestehe, sondern erst, wenn die Auskunftserteilung formell ordnungsgemäß und äußerlich vollständig erfolgt ist.