BGH, Beschl. 2.11.2016 - XII ZB 583/15

Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren

Autor: RiOLG Dr. Alexander Schwonberg, Celle
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2017
Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft ist die allein sorgeberechtigte und mit dem rechtlichen Vater nicht verheiratete Mutter von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen, so dass für den Beginn der das Kind betreffenden Anfechtungsfrist auf die Kenntnis der Mutter abzustellen ist.

BGH, Beschl. v. 2.11.2016 - XII ZB 583/15

Vorinstanz: OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.2015 - 12 UF 217/13

BGB §§ 166, 1600b, 1629, 1795, 1796; FamFG §§ 172

Das Problem

Der Antragsteller wurde im September 2004 als eheliches Kind der aus Weißrussland stammenden Beteiligten zu 2 geboren. Nach Anfechtung der Vaterschaft zum früheren Ehemann erkannte der Beteiligte zu 3 im Dezember 2008 die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter an, obwohl die Beteiligten wussten, dass er nicht der leibliche Vater des Antragstellers ist. Zwischen den Beteiligten sind Sorge- und Umgangsverfahren anhängig. Der Antragsteller hat vertreten durch seine Mutter im Februar 2012 das Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft eingeleitet. Nach Abweisung des Antrags durch das AG hat das OLG für den Antragsteller einen Ergänzungspfleger bestellt, weil die Mutter ihren Sohn im Verfahren nicht vertreten könne, und die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil die Mutter nicht gem. §§ 1629 Abs. 2, 1795 Nr. 3, 181 BGB von der Vertretung des Antragstellers ausgeschlossen und deswegen die Anfechtungsfrist abgelaufen sei. Bereits nach einer Entscheidung aus dem Jahr 1972 könne die allein sorgeberechtigte Mutter das Kind im Anfechtungsverfahren vertreten (BGH v. 14.6.1972 – IV ZR 53/71, FamRZ 1972, 498), zumal das Vertreterhandeln der Mutter durch die Kindeswohldienlichkeit des Antrags nach § 1600a Abs. 4 BGB als Zulässigkeitsvoraussetzung einer gerichtlichen Kontrolle unterliege. Nach der Neuregelung des Abstammungsverfahrens sei eine dem früheren Recht vergleichbare Gegnerstellung nach materiellen Kriterien zu beurteilen, die für den rechtlichen Vater und das Kind als Beteiligte des zu beseitigenden Abstammungsverhältnisses gegeben sei (BGH v. 21.3.2012 – XII ZB 510/10, FamRZ 2012, 859 = FamRB 2012, 212). Die mit dem Kindesvater verheiratete Mutter sei ebenfalls von der Vertretung ausgeschlossen. Auch wenn für die Anfechtung der Kindesmutter aus eigenem Recht eine Kindeswohlprüfung nicht erforderlich sei, begründe dies keine für den Ausschluss von der gesetzlichen Vertretung erforderliche Gegnerstellung. Allerdings könne im Einzelfall die Bestellung eines Verfahrensbeistands gem. § 174 FamFG oder die Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 1 Satz 3, 1796 BGB in Betracht kommen.

Ebenso wie im Vaterschaftsfeststellungsverfahren folge allein aus der Verfahrensbeteiligung der Mutter für das Anfechtungsverfahren kein Vertretungsausschluss, zumal es in beiden Verfahren um die elementare Frage gehe, ob das Kind von einem Mann rechtlich abstamme. Nach der gesetzlichen Wertung sei die Mutter als geeignete Vertreterin anzusehen, wobei es keinen Unterschied mache, ob sie sich gegen eine Vaterschaftsfeststellung oder zu einer Vaterschaftsanfechtung im Namen des Kindes entscheide. Die Regelung des § 1629 Abs. 2a BGB, wonach die Kindeseltern im Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB von der Vertretung ihres Kindes ausgeschlossen sind, lasse sich nicht auf das Vaterschaftsanfechtungsverfahren übertragen. Im Hinblick auf das verfassungsrechtlich in Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht dürfe die Sonderregelung des statusunabhängigen Klärungsverfahrens nicht ohne zwingenden Grund auf das statusbezogene Anfechtungsverfahren erweitert werden (a.A. Stößer, FamRZ 2012, 862).

Als Alleinsorgeberechtigte habe die Mutter des Kindes über das „ob” der Anfechtung wirksam entscheiden können (BGH v. 18.2.2009 – XII ZR 156/07, FamRZ 2009, 861 = FamRB 2009, 206). Die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen Kenntnis erlange. Für das nicht voll geschäftsfähige Kind komme es für die den Fristlauf auslösende Kenntnis in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB auf die Person des gesetzlichen Vertreters an, der das Kind im Anfechtungsverfahren vertreten könne (vgl. BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 421/00, FamRZ 2004, 1950, 1951 = MDR 2005, 211 [zur Verjährung]; OLG Celle v. 4.10.2011 – 15 WF 84/11, FamRZ 2012, 567).


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