OLG Zweibrücken, Beschl. 18.6.2024 - 2 UF 166/23

Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags mit Globalverzicht

Autor: VorsRiOLG Prof. Dr. Alexander Schwonberg, Celle
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2025
Soweit der Abschluss eines Ehevertrages (mit Globalverzicht) von der im Zuge der notariellen Beratung angestellten Erwägung getragen ist, die Ehefrau könne und wolle die finanziellen Risiken eines Familienunternehmens nicht tragen, so spricht dies für eine unterlegene Verhandlungsposition der Ehefrau. Dies gilt vor allem dann, wenn die Ehefrau in der irrigen Annahme bestärkt wurde, sie mindere durch Abschluss des Ehevertrages ein Haftungsrisiko, das in Wirklichkeit überhaupt nicht bestanden hat.

BGB § 138

Das Problem

Kurz vor ihrer Eheschließung vereinbarten die Beteiligten im April 1995 in einem notariellen Ehevertrag den Güterstand der Gütertrennung und schlossen sowohl den Versorgungsausgleich als auch „jeglichen nachehelichen Unterhalt“ wechselseitig aus. Für den Fall, dass gleichwohl ein Unterhaltsanspruch bestehen sollte, wurde dieser auf den Zeitraum von drei Jahren und der Höhe nach beschränkt. Der Antragsgegner war Geschäftsführer des als GmbH geführten Familienunternehmens. Darüber hinaus war er Alleineigentümer des als Ehewohnung genutzten Hauses sowie eines weiteren Mehrfamilienhauses. Die Antragsgegnerin war nach einem abgebrochenen Lehramtsstudium, aus dem BAföG-Schulden von rund 30.000 DM resultierten, als Sachbearbeiterin für einen Bundestagsabgeordneten tätig und danach als Arzthelferin angestellt. Ein Studium mit Fachrichtung Krankenhausmanagement nahm sie mit Blick auf den Umzug zum Antragsgegner nicht auf.

Bei Abschluss des Ehevertrages war die Antragstellerin schwanger. In der Ehe war sie mehrfach wegen psychischer Erkrankungen aufgrund einer Alkoholabhängigkeit in stationärer Behandlung und erhält seit August 2020 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Scheidungsverfahren hat sie im Stufenantrag die Zahlung von Zugewinnausgleich sowie Ehegattenunterhalt von monatlich rund 2.500 € geltend gemacht.

Das AG hat die Ehe geschieden und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet und die Anträge auf Ehegattenunterhalt und Zugewinnausgleich abgewiesen, da der Ehevertrag einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalte. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und macht geltend, dass der kompensationslose Globalverzicht sittenwidrig sei, zumal sie sich wirtschaftlich, emotional und sozial in einer unterlegenen Verhandlungsposition befunden habe.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Beschwerde hat Erfolg, weil der notarielle Ehevertrag einer Inhaltskontrolle nicht standhalte und gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH zur vertraglichen Disposition der Scheidungsfolgen einerseits sowie deren Schutzzweck andererseits sei bereits im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle festzustellen, dass der Ehevertrag objektiv erkennbar auf eine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Antragstellerin abziele. Während der Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Hinblick auf die erwartete Übernahme des Familienbetriebs regelmäßig nicht als sittenwidrig anzusehen sei (BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 6/07, FamRZ 2008, 2011 = FamRB 2008, 358 [Grziwotz]), wiege der Unterhaltsverzicht umso schwerer. Auch wenn hilfsweise eine Begrenzung etwaiger Ansprüche vereinbart worden sei, stelle dies keine Einschränkung des vereinbarten Verzichts dar. Von diesem sei auch der Betreuungsunterhalt erfasst, obwohl die Antragstellerin bei der Beurkundung schwanger gewesen und wegen der voraussehbaren Betreuung des Kindes unmittelbar benachteiligt sei. Dies gelte in gleicher Weise für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, aus dem eine erhebliche betriebliche Altersversorgung zu erwarten wäre. Ein solcher Ausschluss sei mit der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar, wenn schon bei Vertragsschluss geplant sei, dass sich ein Ehegatte der Betreuung der gemeinsamen Kinder widme und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichte.

Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung sei aufgrund der Chronologie der Ereignisse von einer ungleichen Verhandlungsposition auszugehen, auch wenn der berufliche Werdegang der Antragstellerin wenig stringent gewesen sei. Hinsichtlich ihrer Lebensplanung habe sie sich beruflich und persönlich an der Situation des Antragsgegners orientiert und dieser sich in allen wesentlichen Fragen bei Abschluss des Ehevertrages durchgesetzt. Darüber hinaus sei es ihr schwer gefallen, sich während der Schwangerschaft und inmitten der Hochzeitsvorbereitungen dem Wunsch nach Abschluss des Ehevertrages zu widersetzen.

Dass der Beurkundung mehrere Beratungstermine vorausgegangen seien, stehe der Sittenwidrigkeit nicht entgegen. Für die Disparität spreche wesentlich, dass aus Sicht des Antragsgegners die erheblichen finanziellen Risiken für die Antragstellerin durch das Familienunternehmen ausgeschlossen werden sollten. Ein solches Haftungsrisiko habe indessen rechtlich in der Zugewinngemeinschaft bereits nach § 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht bestanden. Der gesetzliche Güterstand ändere nicht die Berechtigungsverhältnisse an in die Ehe eingebrachtem Vermögen, noch würden Verbindlichkeiten durch die Ehe vergemeinschaftet. Werde der Ehevertrag nach notarieller Beratung in der irrigen Annahme geschlossen, das Haftungsrisiko zu reduzieren, spreche dies für eine unterlegene Verhandlungsposition.


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