BGH, Urt. 18.11.2020 - VIII ZR 123/20

Mieterhöhung: Einfacher Mietspiegel als Schätzgrundlage oder Sachverständigengutachten

Autor: RAin FAinMuWR Dr. Catharina Kunze, Rathjensdorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 02/2021
Das Gericht kann die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einem einfachen Mietspiegel als Schätzungsgrundlage entnehmen, kann aber auch ein Sachverständigengutachten hierüber einholen.

BGB §§ 558 Abs. 1 u. 2, 558a, 558c, 558d Abs. 3; ZPO § 287

Das Problem

Die klagende Vermieterin verlangte von der Mieterin einer 84,06 qm großen Dreizimmerwohnung in Berlin die Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 5,65 €/qm. Sie wies auf den einschlägigen Berliner Mietspiegel 2017 hin, der eine Spanne von 4,90 € bis 7,56 €/qm für eine derartige Wohnung vorsieht. Die Mieterin stimmte nicht zu. Das AG zog den Mietspiegel als Schätzgrundlage heran und kam zu dem Ergebnis, die ortsübliche Miete übersteige die gezahlte Miete nicht. Im Berufungsverfahren hielt das LG den Mietspiegel als Schätzungsgrundlage nicht für geeignet, nachdem die Klägerin die Grundlagen des Mietspiegels „hinreichend konkret angegriffen“ habe, und holte ein Sachverständigengutachten ein, wonach die Vergleichsmiete bei 5,92 €/qm lag. Die genaue Lage der von ihm herangezogenen Vergleichswohnungen teilte der Gutachter nicht mit, was das Gericht für unerheblich hielt. Gegen das der Berufung stattgebende Urteil legte die Mieterin Revision ein, mit der u.a. die Einholung des Gutachtens angegriffen wurde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH bestätigt das Urteil des LG. Die Annahme des LG, es gebe Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen der 1. Instanz, werde revisionsrechtlich nicht geprüft. Wenn das Berufungsgericht die Schätzung der Vorinstanz nicht für überzeugend halte, sei es daran nicht gebunden, sondern müsse neue Feststellungen treffen. Zwar dürfe es gemäß der Beweiserleichterung des § 558d Abs. 3 BGB nicht ohne weiteres vom Mietspiegel abweichen, es könne aber entweder seinerseits schätzen oder aber ein Sachverständigengutachten einholen. Falls die Qualifikation des einschlägigen Mietspiegels „hinreichend bestritten“ werde, ob dieser also nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt sei, könne ggf. auch dies durch Sachverständigengutachten geklärt werden. Die Parteien streiten aber vorliegend über die Einordnung der Wohnung gemäß der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung des Mietspiegels, die nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels gehört, aber nach § 558c BGB Indizwirkung habe. Das Gericht könne ihn zwar als Schätzgrundlage i.S.d. § 287 Abs. 2 ZPO heranziehen, müsse das aber nicht. Die größere Breite der Datengrundlage des Mietspiegels allein führe nicht zu dessen Überlegenheit gegenüber einem Sachverständigengutachten. Das LG müsse nicht im Interesse der Prozessökonomie den Aufwand eines unnötigen und kostenaufwendigen Gutachtens vermeiden. In dessen Einholung liege auch kein Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren; das LG habe nicht auf Beweisaufnahme verzichten müssen. Ein (etwa übergangener) Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen sei nicht gestellt worden. Das LG habe auch akzeptieren können, dass der Gutachter die Vergleichswertmethode angewendet, 15 Vergleichswohnungen herangezogen und die ortsübliche Miete anhand einer Nutzwertanalyse bestimmt habe.


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