BGH, Urt. 21.6.2023 - VIII ZR 303/21

Schadensersatz: Unterbringung in Notunterkunft nach vom Vermieter verschuldeter Räumung

Autor: RiAG Dr. jur. Dr. phil. Andrik Abramenko, Idstein-Walsdorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 09/2023
Der Vermieter muss nach einem von ihm verursachten Scheitern des Mietvertrages grundsätzlich auch für die Kosten einer Notunterkunft einstehen, allerdings nur zeitlich und der Höhe nach beschränkt. Maßgeblich ist im Regelfall die Differenz zur Höhe der Miete einer Ersatzwohnung für eine Zeitspanne, in der der Vermieter hätte am Vertrag festgehalten werden können.

BGB §§ 249 Abs. 1, 536 Abs. 3, 536a Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten um die Kosten der Unterbringung in einer Notunterkunft. Die Mieterin vermietete die von ihr innegehaltenen Wohnräume an einen Flüchtling samt Familie unter. Hiergegen wendete sich der Eigentümer, der hierin eine unerlaubte Untervermietung sah, mit seiner Herausgabeklage. Eigentümer und Hauptmieter schlossen in diesem Rechtsstreit 2018 einen Räumungsvergleich. In der Folge machten Eigentümer und Hauptmieter die Herausgabe der Wohnräume geltend. Dem kam der Untermieter nach, woraufhin er und seine Familie in einer Notunterkunft untergebracht wurden. Deren Kosten übernahm die Klägerin, die dem geräumten Untermieter hierfür mit Kostenbescheid 53.909,60 € in Rechnung stellte. Diesen Betrag verlangt die Klägerin aus übergegangenem Recht von der Mieterin und Untervermieterin. Das Berufungsgericht wies die erstinstanzlich erfolgreiche Klage ab, da sie die Erstattung der Kosten für eine Notunterkunft nicht mehr als vom Schutzzweck der Norm abgedeckt sah. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin wegen eines Betrages von zuletzt 37.423,00 €.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Rechtsmittel hatte einstweilen Erfolg. Das Berufungsgericht ist noch zu Recht davon ausgegangen, dass die Mieterin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist, da sie spätestens durch den gerichtlichen Vergleich mit der Eigentümerin dem Untermieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache entzogen hat. Rechtsfehlerhaft ging es aber davon aus, es sei mangels Zurechnungszusammenhangs kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Die durch die Unterbringung in einer Notunterkunft verursachten Kosten unterfallen dem Schutzzweck der Norm. Dieser Schaden stammt aus dem Bereich der Gefahren, deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht bezweckt. Der Bezug der Notunterkunft war anders als in den Fällen, in denen der BGH den inneren Zusammenhang des Schadens zur Pflichtverletzung verneinte, auch nicht Ausfluss einer freien Interessenausübung des Untermieters. Vielmehr war dies die Folge der Räumung und zur Vermeidung von Obdachlosigkeit erforderlich. Der Schaden des Untermieters ist nicht deswegen entfallen, weil er die Kosten der Unterkunft mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht aufbringen kann und sie deshalb direkt von der Klägerin gezahlt wurden. Denn auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt einen Schaden dar.

Da das Berufungsgericht zur Höhe des Schadens keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache dorthin zurückzuverweisen. Dabei wird das Berufungsgericht den Schaden nach ergänzendem Parteivortrag ggf. im Rahmen einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO zu ermitteln haben. Da der Geschädigte nur den Ersatz der erforderlichen Kosten verlangen kann, ist der Schadensersatz der Höhe und der zeitlichen Dauer nach beschränkt. Maßgeblich ist die Differenz zur Höhe der Miete einer Ersatzwohnung für eine Zeitspanne in der die Vermieterin hätte am Vertrag festgehalten werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Neuvertragsmieten regelmäßig höher liegen als die Bestandsmieten. Die Kosten der Notunterkunft können für einen begrenzten Zeitraum erstattungsfähig sein, wenn der Untermieter als arbeitsloser Flüchtling voraussichtlich keine Wohnung auf dem freien Markt gefunden hätte. Dabei käme es zudem nur auf die Leistungen für den Untermieter, nicht aber an seine Familie an, da der Anspruchsübergang nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II Personenidentität zwischen dem Empfänger von Leistungen und dem Inhaber eines Anspruchs gegen Dritte voraussetzt.


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