BGH, Urt. 27.5.2020 - VIII ZR 45/19

Mietpreisbremse: Rüge nur durch einen Mitmieter möglich

Autor: RiAG Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2020
Bei einer Mietermehrheit genügt es den Anforderungen des § 556g Abs. 2 BGB a.F., wenn die Rüge (nur) von einem Mieter erhoben wird. Es handelt sich hierbei nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine geschäftsähnliche Handlung.

BGB § 556g Abs. 2

Das Problem

Die Regelungen über die Mietpreisbremse haben sich seit deren Einführung im Jahre 2015 schon zweimal geändert. Bis Ende 2018 verlangte § 556g Abs. 2 BGB eine sog. qualifizierte Rüge. Der Mieter durfte nur Zahlungen zurückverlangen, die er nach dieser Rüge geleistet hatte. Seit 1.1.2019 sind die Anforderungen an die Rüge herabgesetzt worden und hängen vor allem davon ab, welche Informationen der Vermieter dem Mieter vor Vertragsschluss gem. § 556g Abs. 1a BGB erteilt hat. Seit 1.4.2020 kann der Mieter auch die Rückzahlung von Überzahlungen ab Mietvertragsbeginn verlangen, wenn er die Rüge spätestens 30 Monate nach Vertragsbeginn erhoben hat. Aber unabhängig von den inhaltlichen Anforderungen an die Rüge und deren Rechtsfolge ist eine Rüge für den Rückzahlungsanspruch immer erforderlich. Umstritten war die Frage, ob diese bei einer Mietermehrheit von allen Mietern erhoben werden muss oder ob auch die Rüge nur eines Mieters ausreicht.

Die Entscheidung des Gerichts

Im Fall des BGH hatten zwei Personen eine Wohnung angemietet. Eine hat ihre Ansprüche an das Legal Tech-Unternehmen, das die Plattform wenigermiete.de betreibt, abgetreten. Dieses hatte die Höhe der Miete gerügt, die Rückzahlung der Überzahlung und die Feststellung der zukünftigen Miethöhe gegenüber der Vermieterin eingeklagt.

Nach Ansicht des VIII. Senats reichte die Rüge durch eine von zwei Mieterinnen völlig aus. Der Senat bewertet die Rüge nicht als eine Willenserklärung, die von allen Mietern hätte abgegeben werden müssen, sondern um eine geschäftsähnliche Handlung. Eine solche kann auch im Falle einer Mietermehrheit nur von einem Mieter erhoben werden. Der Unterschied zwischen einer Willenserklärung und einer geschäftsähnlichen Handlung besteht darin, dass eine Willenserklärung unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist; sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck. Aber genau eine solche Gestaltungswirkung hat die Rüge gerade nicht. Vielmehr ordnet bereits das Gesetz (§ 556g Abs. 1 S. 1 bis 3 BGB) an, dass eine Vereinbarung über eine die ortsübliche Vergleichsmiete um 10 % übersteigende Miete unzulässig ist, soweit die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind und keine der vier Ausnahmen vorliegt. Dem Mieter steht kraft Gesetzes ein Anspruch auf Rückzahlung der Überzahlung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zu. Die Funktion der Rüge besteht darin, den Vermieter „vorzuwarnen“, dass er mit Rückzahlungsansprüchen rechnen muss. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung dem Umstand Rechnung tragen, dass die Ermittlung der zulässigen Miethöhe schwierig ist. Das Rügeerfordernis ist somit zwar als Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen des Anspruchs ausgestaltet und stellt nicht nur eine bloße Fälligkeitsanforderung dar, es dient jedoch nicht dazu, das Mietverhältnis teilweise umzugestalten, sondern allein dazu, die sich bereits aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen (§ 556g Abs. 1 BGB) im Interesse des Vermieters abzumildern. Deshalb ist die Rüge nur eine geschäftsähnliche Handlung. Eine solche zeichnet sich dadurch aus, dass die mit der Erklärung eintretenden Rechtsfolgen nicht durch den Willen des Erklärenden, sondern durch das Gesetz bestimmt werden.

Dies hat zur Folge, dass bei einer Mietermehrheit die Rüge nicht durch sämtliche Mieter erforderlich ist. Die Rüge dient dazu, den Vermieter darüber in Kenntnis zu setzen, aus welchen Gründen, in welcher Höhe und ab welchem Zeitpunkt eine Rückerstattung verlangt wird. Diesen Anforderungen genügt aber auch eine Rüge, die nur im Namen eines Mieters ausgesprochen wird.


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