BGH, Urt. 8.7.2020 - VIII ZR 270/18

Unrenovierte Wohnung: Neurenovierung durch Vermieter gegen Kostenbeteiligung

Autor: RA Robert Harsch, Lörrach
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 09/2020
1. Die Übernahme einer unrenovierten oder renovierungsbedürftigen Wohnung ohne Regelung eines angemessenen Ausgleichs für die Vorabnutzung führt zur Unwirksamkeit der Renovierungsregelung. In diesem Fall tritt nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und damit die Renovierungspflicht des Vermieters ein.2. Übernimmt der Mieter die Wohnung in einem nicht renovierten oder renovierungsbedürftigen Zustand und verschlechtert sich dieser nach längerer Mietzeit erheblich, kann er vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen. Dies gilt auch, wenn der Mieter den anfänglichen Zustand als vertragsgemäß anerkannt hat.3. Die insoweit eintretende Besserstellung des Mieters durch Neurenovierung gegenüber dem als vertragsgemäß geltenden anfänglichen Zustand ist durch eine angemessene Kostenbeteiligung des Mieters auszugleichen.

BGB §§ 307, 535 Abs. 1 S. 2, 536a

Das Problem

Bei Vertragsbeginn 2002 befanden sich die Mieträume in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Im Mietvertrag ist in § 6 unter der Überschrift „Instandhaltung, Schönheitsreparaturen“ geregelt:

„6.4 Der Mieter übernimmt die Schönheitsreparaturen.

6.6 Zu den Schönheitsreparaturen gehören. ...“

Unter § 7 ist festgehalten:

„7.1 Der Vermieter gewährt den Gebrauch der Mietsache in dem Zustand der Übergabe.

7.2 Der Mieter versichert, dass er den Mietgegenstand ausreichend besichtigt hat. Er übernimmt den Mietgegenstand –wie er steht und liegt- im besichtigten Zustand und erkennt den Mietgegenstand als vertragsgemäß an.“

Die Mieter forderten den Vermieter nach 14 Jahren Mietdauer auf, die Wohnung zu tapezieren und zu streichen, ohne Erfolg. Daraufhin verlangten sie einen Vorschuss für die Renovierung. Beide Instanzen wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung des Gerichts

Die erhebliche Verschlechterung des Wohnungszustands seit Vertragsbeginn stellt sich, so der BGH, als Mangel dar, dessen Beseitigung dem Vermieter nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB obliegt. Die formularvertragliche Renovierungspflicht war nach § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen fehlender Ausgleichsregelung bei Wohnungsübernahme aufgrund der Vorabnutzung nicht wirksam (BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 [Harsch]; v. 22.8.2018 – VIII ZR 277/16, MDR 2018, 1304 = MietRB 2018, 289 [Börstinghaus]). Folge ist nach § 306 Abs. 2 BGB die Instandhaltungslast des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB (BGH v. 8.7.2008 – v. 9.7.2008 – VIII ZR 181/07, MDR 2008, 1149 = MietRB 2008, 225 [Lehmann-Richter]; v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578 = MietRB 2015, 161 [Harsch]). Da wegen der Klauselnichtigkeit die spezielle Regelung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung findet, war kein Raum für ergänzende Vertragsauslegung. Im Übrigen kann, so der BGH nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Kenntnis der Klauselunwirksamkeit eine dem Vermieter einseitig vorteilhafte Regelung getroffen haben würden.

Der unrenovierte Wohnungszustand war vertragsgemäß, da die Räume vor Anmietung besichtigt wurden und damit dieser Zustand als Soll-Zustand festgelegt wurde. Durch die wesentliche Verschlechterung nach längerer Vertragszeit war der insoweit eingetretene Mangel vom Vermieter zu beseitigen. Auch eine schon renovierungsbedürftige Wohnung kann weiter abgenutzt werden (BGH v. 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86, MDR 1987, 927; zur Abgrenzung der unrenovierten zur renovierungsbedürftigen Wohnung Harsch, WuM 2010, 723).

Die Besserstellung des Mieters gegenüber dem Anfangszustand führt nach § 242 BGB zu einer Kostenbeteiligungspflicht des Mieters. In der Regel ist die Wiederherstellung der ursprünglichen Dekoration bei Übernahme einer unrenovierten Wohnung nicht praktikabel, zumindest aber unwirtschaftlich. Deswegen ist allein die tatsächliche Vornahme der Schönheitsreparaturen mit frisch renoviertem Zustand sach- und interessengerecht. Der Umfang der Beteiligung obliegt dem Tatrichter, der § 287 ZPO einsetzen kann. Im Regelfall erscheint dem BGH die hälftige Kostenteilung sachgerecht. Die Darlegung der Höhe der Ausgleichsforderung ist aber Sache des Vermieters (BGH v. 8.7.2020 – VIII ZR 270/18, juris).


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