Diesel-Fahrverbote: Was besagt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts?

28.02.2018, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Diesel-Fahrverbote: Was besagt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts? © Rh - Anwalt-Suchservice

Nach dem Abgas-Skandal haben viele Autofahrer Angst, mit ihren Dieselfahrzeugen nicht mehr in Innenstädten fahren zu dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Gemeinden jetzt solche Verbote ermöglicht.

In vielen deutschen Großstädten entspricht die Luftqualität in einzelnen Substanzen nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten. Dies betrifft vor allem Feinstaub und Stickoxide. Es droht eine Klage der EU-Kommission gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Abgas-Skandal im Zusammenhang mit falschen Angaben und manipulierter Software hat zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt. Gemeinden sehen Fahrverbote für mit Dieselmotoren angetriebene Fahrzeuge als mögliches Mittel im Kampf gegen die Nichteinhaltung der Stickoxid-Grenzwerte an. Aber: Was sollen Verbraucher tun, die Besitzer eines Diesel-Autos sind? Was tun Lieferanten, Taxifahrer und Handwerker – ganz zu schweigen vom öffentlichen Nahverkehr? Jedes Diesel-Auto auszurangieren, dürfte schwer fallen.

Welche Ausgangslage herrschte in den beiden vor Gericht verhandelten Fällen?


Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden im Februar 2018 zwei wegweisende Fälle zum Thema Fahrverbot entschieden. Es ging dabei um Entscheidungen von Verwaltungsgerichten gegen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu den Luftreinhalteplänen der Städte Düsseldorf und Stuttgart. Kläger war die Deutsche Umwelthilfe, der die vorgesehenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung nicht ausreichten. Die Verwaltungsgerichte erster Instanz hatten die Möglichkeit eingeräumt, auch durch lokale Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge für bessere Luft zu sorgen. Die Gerichte hatten die Beklagten dazu aufgefordert, ihre Luftreinhaltepläne so umzugestalten, dass die Grenzwerte eingehalten würden – und Fahrverbote zu prüfen. Die beiden Entscheidungen waren von den beklagten Bundesländern im Rahmen der Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht angegriffen worden.

Was hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden?


Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zunächst einmal die bestehende deutsche Regelung zu den Umweltplaketten angesehen. Es hat festgehalten, dass die entsprechende Verordnung (35. Bundesimmissionsschutz-Verordnung) keine Grundlage für die geforderten zonen- oder streckenabhängigen Fahrverbote speziell für Diesel-Autos biete. Aber: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könnten nationale Rechtsvorschriften durchaus auch außer Betracht bleiben, wenn sich die europarechtlichen Vorgaben mit ihnen einfach nicht umsetzen ließen. Gerade im Hinblick auf die EU-Pflicht, schnellstmöglich für die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte zu sorgen, gelte: StVO und Plakettenverordnung könnten unangewendet bleiben, wenn sich das mit ihnen nicht umsetzbare Verkehrsverbot für Diesel-Fahrzeuge als der einzige Weg zur Einhaltung der Grenzwerte erweise.

Was hat das Gericht zum Luftreinhalteplan Stuttgart entschieden?


Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Feststellung der Vorinstanz verwiesen, nach der nur ein Fahrverbot für alle Diesel unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 und für alle Benziner unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart eine geeignete Maßnahme zur Luftreinhaltung sei. Bei deren Umsetzung sei jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Das Bundesverwaltungsgericht schlägt daher für Stuttgart eine zeitlich abgestufte Einführung von Fahrverboten vor: Erst sollen ältere Fahrzeuge bis zur Abgasnorm Euro 4 verbannt werden, dann ab 1. September 2019 auch Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5. Der Termin wird damit begründet, dass dann die Einführung der Schadstoffklasse Euro 6 vier Jahre her sein wird. Zusätzlich regt das Gericht Ausnahmeregelungen unter anderem für Anwohner und Handwerker an (Urteil vom 27. Februar 2018, Az. 7 C 30.17).

Was hat der Gericht zum Luftreinhalteplan Düsseldorf entschieden?


Hier hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass Maßnahmen zur Begrenzung von Diesel-Emissionen bisher nicht ausreichend geprüft worden seien. Dies müsse nun nachgeholt werden. Ergäbe sich dabei, dass Fahrverbote die einzige Möglichkeit zur Senkung der Emissionen wären, seien diese in Erwägung zu ziehen – allerdings unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass die Straßenverkehrsordnung eine Ausschilderung sowohl von zonenabhängigen als auch von streckenabhängigen Fahrverboten erlaube. Dies sei zwar gegenüber einer Plakettenregelung deutlich schwieriger umzusetzen, aber nicht rechtswidrig (Urteil vom 27. Februar, Az. 7 C 26.16).

Wie wird die Praxis aussehen?


Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt Fahrverbote nicht pauschal und ohne weiteres, sondern macht sie von strengen Voraussetzungen abhängig – sie kommen nur als letzter Weg, als “einzige verbleibende Möglichkeit” in Betracht. Dazu kommt die angemahnte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Diese muss zu Übergangsregelungen und Ausnahmen führen. Wie genau die Fahrverbote umgesetzt oder gar kontrolliert werden sollen, ist allerdings offen. Was in Presseberichten über die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig nicht erwähnt wird: Es geht hier nicht allein um Diesel-Fahrzeuge. Betroffen sein können – zumindest nach den Ausführungen im Stuttgarter Fall – auch alle älteren Benziner und damit noch ganz erheblich mehr Fahrzeuge.

Was sind die möglichen Probleme bei der Umsetzung?


Die Kontrolle von Fahrverboten auf einzelnen Straßen oder in bestimmten Gebieten dürfte Probleme aufwerfen. Die derzeitigen Umweltplaketten zeigen die Schadstoffgruppe an, in die das jeweilige Fahrzeug eingestuft wird. Diese ist nicht identisch mit einer Euro-Schadstoffklasse. Daher sind die derzeitigen Plaketten für die Umsetzung auch nicht geeignet. Am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lässt sich nicht rütteln – genau dieser kann aber zu so vielen Ausnahmen führen (LKWs, Taxis, ÖPNV, Anwohner, Dienstfahrzeuge aller Art, Lieferanten, Handwerker), dass schließlich nur noch Pendler, Touristen und Tagesbesucher der entsprechenden Gegenden betroffen wären – ob damit die Luftreinhalteziele der EU erreicht würden, ist fraglich.

Praxistipp


Inwieweit und in welcher Form es tatsächlich zu Fahrverboten in Städten kommen wird, bleibt abzuwarten. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bieten viel Stoff für mögliche gerichtliche Verfahren – etwa im Streit darum, ob Fahrverbote im jeweiligen Ort tatsächlich die einzige Möglichkeit sind und ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wurde.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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