(Fristlose) Verdachtskündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses

Autor: RA FAArbR Werner M. Mues, CBH – Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2015
Auch ein Berufsausbildungsverhältnis kann durch außerordentliche fristlose Verdachtskündigung beendet werden, wenn der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung – auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses – dem Ausbilder die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht. Vor der erforderlichen Anhörung des Auszubildenden muss der Ausbilder grds. nicht den beabsichtigten Gesprächsinhalt mitteilen. Die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers kann es allerdings gebieten, die Anhörung unter Anberaumung eines Fortsetzungstermins zu unterbrechen oder dem Auszubildenden auf dessen Verlangen Gelegenheit zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu geben.

BAG, Urt. v. 12.2.2015 - 6 AZR 845/13

Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz - 2 Sa 490/12

BGB § 626 Abs. 1; BBiG §§ 10 Abs. 2, 22 Abs. 2 Nr. 1; BDSG § 32

Das Problem

Die Parteien streiten um eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Vertrags über die Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Die Kündigung erfolgte wegen des dringenden Tatverdachts des Diebstahls von 500 € im Rahmen der abendlichen Abrechnung des Kassenbestands.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des LAG hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung dadurch Täterwissen offenbart, dass er von sich aus den Fehlbetrag mit 500 € bezifferte, ohne dass ihm dieser Betrag zuvor mitgeteilt worden war. Der Kläger bestreitet dies und hält die Verdachtskündigung schon deshalb für unwirksam, weil ihm das beabsichtigte Gesprächsthema vor der Anhörung nicht mitgeteilt worden sei. Zudem habe ein Hinweis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gefehlt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG bestätigt die Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht und das LAG. Dabei klärt es zunächst, dass entgegen einer in der Rechtsprechung (LAG Köln v. 19.9.2006 – 9 Sa 1555/05, LAGE § 22 BBiG 2005 Nr. 1 = ArbRB online) und in der Literatur vertretenen Auffassung auch im Berufsausbildungsverhältnis nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG eine außerordentliche Verdachtskündigung grds. zulässig ist, wenn konkrete Verdachtsmomente das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts – insbesondere durch die Gelegenheit zur Stellungnahme des Auszubildenden – unternommen hat. Dem besonderen Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses ist jedoch bei der Prüfung einer Verdachtskündigung Rechnung zu tragen. Dies bedarf einer Würdigung der Umstände im Einzelfall.

Auch die Anforderungen an die Anhörung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es ist grds. nicht erforderlich, den Auszubildenden vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten. Bei erkennbarer Überforderung des Auszubildenden kann es allerdings die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gebieten, das Gespräch abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen. Diese Unterbrechung ist auch dann geboten, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts verlangt wird. Auf diese Möglichkeit muss der Arbeitgeber jedoch nicht von sich aus hinweisen.

Schließlich genügt bei dem Verdacht eines Diebstahls bzw. einer Unterschlagung von 500 € die Offenbarung von Täterwissen zur Rechtfertigung der außerordentlichen Verdachtskündigung.


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