Impfentscheidung kein Teil der Alltagssorge

Autor: RAin Monika Clausius, FAinFamR, Saarbrücken
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2016
Die Entscheidung zur (Nicht-)Vornahme von Impfungen ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1628 Satz 1 BGB. Von einem Elternteil nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission der Bundesrepublik Deutschland (STIKO) befürwortete Schutzimpfungen indizieren in der Regel seine Eignung zur kindeswohlkonformen Impfentscheidung.

OLG Jena, Beschl. v. 7.3.2016 - 4 UF 686/15 (nrkr.)

Vorinstanz: AG Erfurt, Beschl. v. 28.10.2015 - 34 F 1498/14

BGB §§ 1628 S. 1, 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 1687 Abs. 1 S. 2, 1697a; FamFG § 58 Abs. 1

Das Problem

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen einen Beschluss, durch den dem Antragsteller, der die Übertragung der alleinigen Gesundheitssorge beantragte, das Entscheidungsrecht zur Durchführung bestimmter Impfungen für die bei ihr lebende gemeinsame Tochter übertragen wurde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat hat die Beschwerde als begründet angesehen, soweit dem Antragsteller die Gesundheitssorge in ihrer Gesamtheit übertragen wurde. Es bestünden zwar zwischen den Eltern ernste Spannungen. Mit Ausnahme der Impfproblematik gebe es jedoch zu sonstigen Gesundheitsfragen keinen § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB rechtfertigenden Dissens. Da aus Impfungen folgende Gesundheitsschäden aber nicht außergewöhnlich selten seien und auch die Entscheidung zur Nichtimpfung mittelbar erhebliche Tragweite erlangen könne, werde das Kindeswohl von einer positiven oder negativen Entscheidung in jedem Fall in erheblicher Weise betroffen. Es handele sich daher nicht um eine der Alltagssorge unterfallende Frage. Orientiert an den Kindesbedürfnissen erscheine es zur Begegnung gravierender, teilweise nicht behandelbarer Erkrankungen geboten, Impfungen nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Wissenschaft vorzunehmen. Die von der STIKO empfohlenen Impfungen beruhten auf einer zutreffenden Risiko-Abschätzung und -gewichtung. Der vorzunehmenden abstrakten Nutzen-Risiko-Abschätzung einer Impfung stünden im konkreten Fall auch keine Besonderheiten entgegen, da es keine Hinweise auf spezifische Dispositionen des Kindes gebe, dieses vielmehr Impfungen gegen Tetanus und Diphterie gut vertragen habe. Bei der Auswahl des zur Entscheidung befugten Elternteils sei der Antragsteller zu präferieren, da er toleranter und eher bereit sei, auch Fragen und Probleme der Antragsgegnerin in seine Erwägungen und Pläne einzubeziehen.


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