Insolvenzverschleppung: Was droht Unternehmern und Geschäftsführern?
12.08.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. rechtzeitige Antragstellung: Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss der Insolvenzantrag spätestens innerhalb von 3 Wochen gestellt werden (§ 15a InsO).
2. Strafbarkeit: Unternehmer, Vorstände bzw. Geschäftsführer, die diese Frist schuldhaft überschreiten, begehen eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe geahndet werden kann.
3. Haftungsrisiken: Geschäftsführer haften persönlich für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden.
1. rechtzeitige Antragstellung: Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss der Insolvenzantrag spätestens innerhalb von 3 Wochen gestellt werden (§ 15a InsO).
2. Strafbarkeit: Unternehmer, Vorstände bzw. Geschäftsführer, die diese Frist schuldhaft überschreiten, begehen eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe geahndet werden kann.
3. Haftungsrisiken: Geschäftsführer haften persönlich für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was versteht man unter einer "Insolvenzverschleppung"? Wie viel Zeit hat man, um den Insolvenzantrag zu stellen? Wer muss den Insolvenzantrag stellen? Wann ist ein Unternehmen zahlungsunfähig? Wann liegt Überschuldung vor? Wann ist Überschuldung ein Insolvenzgrund? Woher weiß ich, ob mein Unternehmen Überlebenschancen hat? Wann finden Ermittlungen wegen Insolvenzstraftaten statt? Darf man sich bei drohender Insolvenz auf den Steuerberater verlassen? Welche zivilrechtliche Haftung gibt es bei Insolvenzverschleppung? Welche Insolvenzstraftaten gibt es außerdem? Weitere Fragen und Antworten zur Insolvenzverschleppung Praxistipp zur Insolvenzverschleppung Was versteht man unter einer "Insolvenzverschleppung"?
Die Insolvenzverschleppung ist ein Delikt aus dem Insolvenzstrafrecht. Das Gesetz erwähnt diesen Begriff jedoch nicht. Nach § 15a der Insolvenzordnung (InsO) müssen Unternehmen "ohne schuldhaftes Zögern" einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, sobald sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind.
Die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen, trifft Kapitalgesellschaften wie GmbH, UG und AG sowie Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person als unbeschränkt haftender Gesellschafter auftritt (GmbH & Co. KG, Limited). Stellen die Verantwortlichen den Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig, spricht man umgangssprachlich von Insolvenzverschleppung. Rechtlich handelt es sich um einen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht. Nach § 15a Abs. 4 InsO droht dafür eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Selbst für eine fahrlässige Begehung kann immer noch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe verhängt werden. Sonderregeln gelten für Vereine und Stiftungen.
Wie viel Zeit hat man, um den Insolvenzantrag zu stellen?
Der Insolvenzantrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das heißt aber nicht, dass man dafür immer so viele Wochen Zeit hat. Der Antrag muss nämlich laut Gesetz "ohne schuldhaftes Zögern" gestellt werden. Das bedeutet: unverzüglich, also sofort. Bestehen für das Unternehmen Sanierungschancen und wird über diese noch verhandelt, kann sich der Unternehmer höchstens drei bzw. sechs Wochen Zeit lassen. Aber: Sanierungsverhandlungen unterbrechen die Frist für die Insolvenzanmeldung nicht, diese läuft also weiter.
Wer muss den Insolvenzantrag stellen?
Zuständig für den Insolvenzantrag sind die Mitglieder des Vertretungsorgans des Unternehmens oder dessen Abwickler. Bei einer GmbH oder UG (Unternehmergesellschaft) hat in der Regel der Geschäftsführer den Insolvenzantrag zu stellen. Bei einer Aktiengesellschaft (AG) ist der Vorstand dazu verpflichtet.
Keine Insolvenzantragspflicht haben persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft wie einer OHG oder GbR. Hier sind die Gläubiger abgesichert, weil diese Personen ohnehin unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haften. Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft wiederum eine andere Gesellschaft ist, bei der keine natürliche Person haftet. Dann besteht Insolvenzantragspflicht und auch die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung.
Wann ist ein Unternehmen zahlungsunfähig?
Ist ein Unternehmen nicht mehr in der Lage, seinen Zahlungspflichten nachzukommen, oder hat es seine Zahlungen sogar schon eingestellt, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Zumindest der erste Punkt sorgt oft für Probleme. Schließlich kann aus Sicht des Unternehmers durchaus noch ein Auftrag oder ein neuer Kredit in Aussicht stehen, während andere Leute die Lage schon als aussichtslos ansehen.
Wann liegt Überschuldung vor?
Überschuldung liegt nach der Insolvenzordnung vor, wenn das Vermögen des Schuldners nicht mehr seine Verbindlichkeiten deckt. Auch dieser Punkt sorgt immer wieder für Probleme, da es nun einmal zum kaufmännischen Leben gehört, Kredite aufzunehmen. Läuft das Geschäft nicht mehr ganz rund, können die Passiva eines Unternehmens schnell die Aktiva übersteigen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den Punkt "Überschuldung" etwas eingeschränkt: Sie liegt nach § 19 InsO nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten nach den jeweiligen Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.
Wann ist Überschuldung ein Insolvenzgrund?
Wichtig: Ein Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren ist die Überschuldung nur bei:
- einer juristischen Person (z. B. Aktiengesellschaft, GmbH, Kommanditgesellschaft auf Aktien) oder
- einer Personengesellschaft, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter hat.
Die Überschuldung ist kein Eröffnungsgrund, wenn der persönlich haftende Gesellschafter eine andere Gesellschaft ist, bei der wiederum ein bestimmter Mensch persönlich haftet (§ 19 Abs. 3 InsO).
Beispiele für Personengesellschaften sind: Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), offene Handelsgesellschaft (oHG), Kommanditgesellschaft (KG).
Woher weiß ich, ob mein Unternehmen Überlebenschancen hat?
Häufig ist es gar nicht so einfach, festzustellen, wie groß die Wahrscheinlichkeit für eine Fortführung des Unternehmens ist. Hier kann die Fortführungsprognose eines Wirtschaftsprüfers helfen. Diese kann auch als Nachweis im Streitfall verwendet werden. Das Unternehmen wird für eine solche Prognose gründlich durchleuchtet. Dabei werden alle Bereiche vom Personalmanagement über die Rentabilität von Investitionen bis zur Wettbewerbslage einbezogen.
Wann finden Ermittlungen wegen Insolvenzstraftaten statt?
Kurz gesagt: Bei jedem eröffneten Insolvenzverfahren prüft die Staatsanwaltschaft, ob Insolvenzstraftaten wie die Insolvenzverschleppung begangen worden sind. Sobald Polizei oder Staatsanwaltschaft Maßnahmen ergreifen, um gegen jemanden konkret vorzugehen, wird diese Person zum "Beschuldigten".
Dies wirkt sich auf seine Rechte aus. Zum Beispiel können Äußerungen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gegen ihn verwendet werden. Als Beschuldigter hat man aber auch das Recht, jederzeit einen Strafverteidiger hinzuzuziehen (§ 137 Strafprozessordnung).
Der Beschuldigte wird nach § 157 StPO zum Angeschuldigten, wenn gegen ihn die öffentliche Klage erhoben worden ist. Angeklagter ist der Beschuldigte oder Angeschuldigte, sobald die Eröffnung eines Hauptverfahrens beschlossen wurde.
Darf man sich bei drohender Insolvenz auf den Steuerberater verlassen?
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes sind Steuerberater auch bei einem Dauermandat nicht zwingend dazu verpflichtet, den Geschäftsführer einer GmbH darauf hinzuweisen, dass er jetzt eine mögliche Insolvenzreife seines Betriebs prüfen sollte. Der Steuerberater hat eine solche Pflicht nur, wenn er ausdrücklich mit der Prüfung beauftragt wurde, ob eine Insolvenz droht (Urteil vom 7.3.2013, Az. IX ZR 64/12).
Welche zivilrechtliche Haftung gibt es bei Insolvenzverschleppung?
Nach einer Insolvenzverschleppung können sowohl alte als auch neue Gläubiger, die bei Insolvenzreife der Gesellschaft noch Geschäftsbeziehungen mit dieser begonnen haben, Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer bzw. die zum Insolvenzantrag verpflichtete Person geltend machen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2012, Az. II ZR 130/10). Die verantwortliche Person haftet auch gegenüber dem insolventen Unternehmen selbst, wenn zum Beispiel nach Eintritt der Insolvenzreife noch Zahlungen nach außen getätigt wurden, die nicht unbedingt nötig waren. Auch der Insolvenzverwalter kann solche Ansprüche durchsetzen.
Ein Schadensersatzanspruch von Kunden gegen den Geschäftsführer einer GmbH kann sich auch ergeben, wenn diese vor Insolvenzreife Aufträge erteilt haben, die erst nach der unerkannten Insolvenzreife zu einem Rechtsstreit führen, der für den Kunden Kosten verursacht. Auch dies hat der BGH entschieden. Es ging dabei um eine Fassadenbau-Firma, die einen Auftrag angenommen und diesen nur zum Teil und mangelhaft ausgeführt hatte. Der Geschäftsführer hatte nicht rechtzeitig Insolvenz angemeldet. Der Kunde beantragte ein selbstständiges Beweisverfahren, bei dem Sachverständige herausfinden sollten, wie viel Prozent des Auftrags die Firma erledigt hatte. Hier haftete am Ende der Geschäftsführer selbst für Verfahrenskosten und Sachverständigenhonorare. Das Argument "wir sind insolvent" half also nicht. Der BGH sah hier eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Kunden im Sinne von § 826 BGB (Urteil vom 27.7.2021, Az. II ZR 164/20).
Welche Insolvenzstraftaten gibt es außerdem?
Bei einer Insolvenz kommen weitere Straftatbestände in Betracht. Dies können zum Beispiel Betrug, Steuerhinterziehung, Unterschlagung, Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen und Bankrott sein.
Weitere Fragen und Antworten zur Insolvenzverschleppung
Hier noch einige eher selten gestellte, aber rechtlich interessante Fragen zur Insolvenzverschleppung mit kurzen Antworten:
1. Gilt die Pflicht zur Insolvenzanmeldung auch, wenn noch eigene Forderungen offen sind, die bald beglichen werden könnten?
Ja, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, muss trotzdem der Antrag gestellt werden. Hoffnung auf baldige Zahlungen reicht nicht aus.
2. Muss auch bei saisonal schwankenden Einnahmen sofort Insolvenz angemeldet werden?
Nur wenn die Liquiditätslücke nicht kurzfristig geschlossen werden kann und eine Fortführung realistisch ausgeschlossen ist, greift die Antragspflicht.
3. Kann ein Geschäftsführer für Insolvenzverschleppung belangt werden, wenn er von der Lage nichts wusste, weil die Buchhaltung extern war?
Ja, denn Unkenntnis durch Auslagerung entlastet nicht. Er muss sich aktiv informieren.
4. Ist es Insolvenzverschleppung, wenn das Unternehmen nur kurzzeitig zahlungsunfähig ist?
Nicht zwingend – wenn innerhalb von drei Wochen die Zahlungsfähigkeit gesichert wird, liegt keine Pflichtverletzung vor.
5. Spielt es eine Rolle, ob die verspätete Insolvenzanmeldung Gläubiger tatsächlich geschädigt hat?
Für die Strafbarkeit nicht. Der Verstoß liegt schon im verspäteten Antrag, unabhängig vom tatsächlichen Schaden.
Praxistipp zur Insolvenzverschleppung
Besteht die Möglichkeit, dass Ihr Unternehmen von einer Insolvenz betroffen ist, sollten Sie sofort Schritte einleiten und die Finanzlage Ihres Unternehmens gründlich prüfen. Ein Fachanwalt für Insolvenzrecht kann Sie beraten und mit Ihnen besprechen, was am besten zu tun ist.
(Bu)