Keine Unterhaltsherabsetzung bei 33-jähriger Ehe

Autor: RiOLG Volker Bißmaier, Stuttgart
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 12/2011
Hat eine Ehe über 30 Jahre gedauert und sind ehebedingte Nachteile eingetreten, so kann dies sowohl einer Unterhaltsbefristung als auch einer Unterhaltsherabsetzung entgegenstehen.

OLG Hamm, Beschl. v. 16.5.2011 - II-8 UF 246/10

Vorinstanz: AG Essen-Borbeck - 12 F 74/10

BGB §§ 1573 Abs. 2, 1578b Abs. 1, Abs. 2

Das Problem:

Die Beteiligten schlossen am 23.1.1976 die Ehe, am 20.2.2009 wurde der Scheidungsantrag zugestellt. Bei Eheschließung arbeitete die Ehefrau bei einem Kinderarzt; zuletzt war sie in wechselnden Tätigkeiten auf Geringverdienerbasis beschäftigt. Bei Ehescheidung Anfang 2010 war die Ehefrau 56 Jahre alt. Das AG nahm zwar ehebedingte Nachteile an, befristete ihren Unterhalt gleichwohl auf den 31.12.2016. Dagegen wendet sie sich mit der Beschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG gab der Beschwerde statt. Entscheidendes Kriterium für die Billigkeitsabwägung des § 1578b BGB sei das Vorhandensein ehebedingter Nachteile. Die Ehedauer allein sei hingegen kein entscheidendes, gegen eine Befristung oder Begrenzung sprechendes Kriterium. Die Ehedauer gewinne aber trotzdem durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit während der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintrete. Allein schon dieser Gesichtspunkt könne in Fällen, in welchen keine ehebedingten Nachteile vorliegen, aus Billigkeitsgründen gegen eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts auf den eigenen angemessenen Lebensbedarf sprechen.

Als Arzthelferin würde die Ehefrau monatlich netto 1.500 € erzielen und bei durchgehender Berufstätigkeit wegen ihrer dann langjährigen Berufserfahrung entweder eine vollschichtige Arbeitsstelle bekleiden oder eine solche jedenfalls finden können. Berücksichtige man weiter ihr Alter von fast 56 Jahren, erscheine es unter Abwägung sämtlicher Umstände gerechtfertigt, den zuerkannten Aufstockungsunterhaltsanspruch nicht zu befristen. Da sie ihren eigenen angemessenen Bedarf durch Unterhalt und Eigeneinkünfte aller Voraussicht nach zukünftig nicht decken könne, komme auch eine Herabsetzung des Unterhalts nicht in Betracht.


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