Kettenbefristungen trotz dauerhaften Arbeitsbedarfs – Verstoß gegen Unionsrecht

Autor: RAin FAinArbR Mediatorin Kerstin Gröne,Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2016
Eine gesetzliche Regelung, die den Abschluss mehrerer aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines zeitweiligen Personalbedarfs ermöglicht, steht der unionsrechtlichen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge entgegen, wenn nicht gleichzeitig dem Risiko des Missbrauchs vorgebeugt wird.

EuGH, Urt. v. 14.9.2016 - Rs. C-16/15 „„Pérez López””

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Nr. 4 Madrid – Spanien

Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge v. 18.3.1999 im Anhang der RL 1999/70/EG § 5 Nr. 1

Das Problem

Die Klägerin wird zwischen Februar 2009 und Juni 2013 im Universitätskrankenhaus Madrid mittels identisch formulierter Arbeitsverträge ohne Unterbrechung insgesamt acht Mal befristet als Krankenschwester angestellt. Die Befristungen werden dabei jeweils mit der „Ausführung bestimmter zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Dienste” begründet. Den letzten befristeten Vertrag verlängert die Krankenhausverwaltung nicht mehr.

Auf die gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage legt das Verwaltungsgericht Madrid dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die gesetzliche Regelung in Spanien, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge im Bereich der Gesundheitsdienste zulässt, gegen die europäische Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verstößt, insbesondere im Hinblick auf die sachlichen Gründe, die eine Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass eine nationale gesetzliche Regelung gegen das Unionsrecht verstößt, wenn diese eine Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines vorübergehenden Personalbedarfs ermöglicht, während dieser Bedarf tatsächlich dauerhaft besteht. Gemäß § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang zur RL 1999/70/EG seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, zur Vermeidung der missbräuchlichen Verwendung befristeter Arbeitsverträge eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen in ihrer Gesetzgebung zu regeln:
  • sachliche Gründe, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen, oder
  • die insgesamt maximal zulässige Dauer, für die solche aufeinanderfolgenden Verträge geschlossen werden können, oder
  • die zulässige Anzahl ihrer Verlängerungen.
Das spanische Befristungsrecht sehe nur das Erfordernis des Vorliegens sachlicher Gründe für eine Befristung vor. Es sei zwar anzuerkennen, dass die vorübergehende Vertretung eines Beschäftigten zur Kompensation eines zeitweiligen Arbeitsbedarfs einen solchen Sachgrund darstellen könne. Gleichzeitig müsse aber sichergestellt sein, dass keine Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zum Zweck einer ständigen und dauerhaften Wahrnehmung von normalen Aufgaben des festen Personals erfolge.

Vorliegend würden die Befristungen der Klägerin offensichtlich nicht auf einem bloß vorübergehenden Bedarf des Krankenhauses beruhen. Die spanische Regelung verletze auch deshalb die unionsrechtlichen Befristungsvorgaben, weil für die öffentliche Verwaltung keinerlei Verpflichtung zur Schaffung von Planstellen bestünde und es dort somit möglich sei, Stellen durch Interimskräfte zu besetzen.


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