LAG Köln, Urt. 10.11.2016 - 8 Sa 323/16

Pflicht zur Urlaubsgewährung auch ohne Urlaubsverlangen – Schadensersatz

Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel,Vahle Kühnel Becker, FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2017
Entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BAG hat der Arbeitgeber Urlaub von sich aus, d.h. auch ohne ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers zu gewähren. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, kann der Arbeitnehmer den an sich verfallenen Urlaub im Wege des Schadensersatzes verlangen, es sei denn, den Arbeitgeber trifft kein Verschulden. Den Arbeitgeber, der sich bisher (bis 2013) auf die ständige gegenteilige Rechtsprechung des BAG verlassen hat, trifft kein Verschulden.

LAG Köln, Urt. v. 10.11.2016 - 8 Sa 323/16

Vorinstanz: ArbG Köln - 12 Ca 707/15

BUrlG § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 3; BGB §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1 u. 3, 283

Das Problem

Die Parteien streiten zuletzt insbesondere noch über eine Urlaubsabgeltung. Der Kläger war vom 1.7.2014 bis 21.1.2015 bei der Beklagten beschäftigt. Ihm stand nach dem Arbeitsvertrag ein Jahresurlaub von 28 Tagen zu. 2014 waren dies 14 Urlaubstage, die er unstreitig nicht genommen hat. Für 2015 besteht unstreitig ein Abgeltungsanspruch für zwei Urlaubstage. Der Kläger macht klageweise die Abgeltung dieser Urlaubstage geltend.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LAG hat dem Kläger Urlaubsabgeltung nur für die zwischen den Parteien unstreitigen zwei Tage aus 2015 zugesprochen. Der Urlaub aus 2014 sei gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 BUrlG verfallen, weil er nicht im jeweils laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen worden sei und für eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr kein Übertragungsgrund vorgelegen habe.

Dem Kläger stehe auch kein Schadensersatzanspruch für die verfallenen 14 Urlaubstage gem. §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1 und 3, 283 Satz 1, 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB zu. Die Kammer schließe sich zwar der Rechtsprechung einiger LAG an. Danach sei § 7 Abs. 1 Satz1 BUrlG aufgrund der „Bolacke”-Entscheidung des EuGH (EuGH, Urt. v. 12.6.2014 – Rs. C-118/13, ArbRB 2014, 195 [Schewiola], ArbRB online) europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass der Arbeitgeber Urlaub – entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BAG – von sich aus, d.h. auch ohne ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers zu gewähren habe (LAG Köln, Urt. v. 22.4.2016 – 4 Sa 1095/15, ArbRB 2016, 266 [Gröne], ArbRB online; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14, ArbRB 2014, 265 [Eichelsdörfer], ArbRB online; s. auch LAG München, Urt. v. 6.5.2015 – 8 Sa 982/14, ArbRB online). Komme der Arbeitgeber dem nicht nach, könne der Arbeitnehmer den an sich verfallenen Urlaub im Wege des Schadenersatzes verlangen, es sei denn den Arbeitgeber treffe kein Verschulden.

Die Beklagte treffe kein Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es könne nicht als schuldhaft angesehen werden, wenn ein Arbeitgeber der bislang anders lautenden jahrzehntelangen ständigen Rechtsprechung des BAG gefolgt sei.


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