LG Berlin, Beschl. 1.9.2020 - 67 S 108/20

Verfrüht ausgesprochene Modernisierungsankündigung

Autor: Dr. Olaf Riecke, Hamburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 01/2021
Eine weit verfrüht ausgesprochene Modernisierungsankündigung ist rechtsmissbräuchlich. Der Vermieter kann aus ihr keine Duldungsansprüche gegenüber dem Mieter herleiten.

BGB §§ 242, 555c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. 3, 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 2 u. 3, 555d, 555e

Das Problem

Die Vermieterin begehrt mit ihrer Modernisierungsankündigung v. 25.9.2018 die Duldung von Maßnahmen, die erst ab dem Februar 2020 in dem von dem Mieter bewohnten Gebäude durchgeführt werden sollten. Zu den Eigeninteressen des Vermieters, die geeignet sein sollen, die mit einer so frühen Modernisierungsankündigung verbundenen erheblichen Rechtsnachteile des Mieters zu rechtfertigen, wird angeführt: Es handele sich um ein 253 Wohnungen und unterschiedliche Straßenzüge betreffendes Großvorhaben und es solle der sozialverträgliche Ablauf der Modernisierung und hinreichende Planungssicherheit für den Vermieter sowie umfassende Information und Beratung für den Mieter gewährleistet sein.

Wie lang darf der Zeitraum zwischen dem Zugang der Modernisierungsankündigung und dem beabsichtigten Beginn der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen sein? Wann ist eine – gesetzlich allerdings nicht geregelte – Höchstfrist überschritten? Wann verliert der Vermieter seine Ansprüche aus der Modernisierungsankündigung?

Die Entscheidung des Gerichts

Ein auf eine weit vor dem beabsichtigten Beginn der Modernisierungsmaßnahmen ausgesprochene Modernisierungsankündigung gestützter Duldungsanspruch ist wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht durchsetzbar. Die beabsichtigte Modernisierung wurde weit über ein Jahr vor deren beabsichtigtem Beginn angekündigt. Durch eine solche weit verfrühte Ankündigung untergräbt der Vermieter nicht nur das an den Zugang der Duldungsankündigung geknüpfte und zeitlich befristete Sonderkündigungsrecht des Mieters aus § 555e Abs. 1 BGB, sondern beschränkt gleichzeitig zu dessen Nachteil die Möglichkeiten zur erfolgreichen Geltendmachung von Härtegründen nach § 555d Abs. 2 BGB. Anders als bei einer in einem hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Maßnahmen stehenden Modernisierungsankündigung, bei der die vom Mieter geltend zu machenden Härtegründe regelmäßig bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Ankündigung bestehen oder jedenfalls bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB auftreten werden, steigt bei einer weit verfrühten Ankündigung die Wahrscheinlichkeit des erstmaligen Auftritts oder Hinzutritts eines Härtegrundes erst nach Ablauf der Monatsfrist mit zunehmender Dauer des zwischen dem Zugang der Ankündigung und dem Beginn der Modernisierung liegenden Zeitraums. Damit geht eine auf dem gesteigerten Präklusionsrisiko des Mieters beruhende Verschlechterung seiner Rechtsposition einher. Denn einen erstmals nach Ablauf der Einwendungsfrist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB auftretenden Härtegrund muss der Mieter gem. § 555d Abs. 4 Satz 1 BGB „unverzüglich“ geltend machen. Hinzu tritt eine Verschlechterung seiner Beweislage, da der Mieter darzutun und ggf. zu beweisen hat, dass der Härtegrund erstmals nach Ablauf der Einwendungsfrist des § 555d Abs. 3 S. 1 BGB entstanden ist (vgl. OLG München v. 15.10.2019 – MK 1/19, MDR 2020, 87 = ZMR 2020, 30).

Eine weit verfrühte Ankündigung läuft auch dem Gesetzeszweck des § 555c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. 3 BGB zuwider, dem Mieter durch die Angabe des voraussichtlichen Beginns und der Dauer der Maßnahmen (§ 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) sowie der zu erwartenden Mieterhöhung (§ 555c Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB) eine hinreichend verlässliche Planungs- und Entscheidungsgrundlage für den weiteren Verlauf des Mietverhältnisses zu verschaffen.

Die Hoffnung des Vermieters auf ein die Anwendung des § 259 ZPO rechtfertigendes Verhalten des Mieters ist nicht schutzwürdig, da sie von der ebenfalls rechtsmissbräuchlichen Absicht getragen wäre, sich eine, zu erheblichen Rechtsnachteilen des Vertragspartners führende Rechtsposition zu verschaffen, die nicht in den Schutzbereich des ausgeübten Rechts fiele (vgl. BGH v. 22.5.1989 – II ZR 206/88, MDR 1989, 1081 = NJW 1989, 2689). Die in § 555c Abs. 1 BGB statuierten Ankündigungs- und Informationspflichten dienen vornehmlich dem Mieterschutz.


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