LG München I 7.6.2022 - 14 S 2185/22

Der Einsatz von Überwachungskameras als ultima ratio

Autor: RA Dr. Michael Sommer, Augsburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 06/2023
Nur geringfügige und bagatellartige Delikte rechtfertigen nicht die Anbringung einer Überwachungskamera. Dabei ist es unerheblich, dass die überwiegende Mehrzahl der anderen Mieter des Mietobjekts die Überwachungskamera befürworten.

BGB §§  823 Abs. 1, 1004 Abs. 1, 242

Das Problem

Vermieter und Mieter streiten zum einen um die Entfernung und künftige Unterlassung der Installation von insgesamt fünf Überwachungskameras, die der Vermieter im Hausflur (gerichtet auf den Hauseingang), im Erdgeschoss (gerichtet auf die Briefkastenanlage), im Flur des Untergeschosses (gerichtet auf die Türen zu den Kellerräumen und zur Waschküche) sowie im Müllraum (gerichtet auf die Mülltonnen und die dahinterliegende Tür nach draußen) des Mietobjekts hat anbringen lassen. Am Hauseingang des streitgegenständlichen Anwesens ist ein Hinweis angebracht, wonach das Objekt durch Videokameras überwacht werde. Am Aushang des Anwesens befindet sich zudem ein Informationsblatt, in welchem zum Grund der Videoüberwachung und zur Speicherung der Filme für einen Zeitraum von maximal 72 Stunden ausgeführt wird; ferner finden sich darauf weitere Hinweise zum Datenschutz. Der Mieter sieht sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Hintergrund der Kameraanbringung war, dass durch den Hauseingang regelmäßig Fremde das Haus unberechtigt betreten und im Briefkastenbereich Abfall hinterlassen hatten. Auch waren Post und Pakete entwendet sowie im Kellerbereich Sperrmüll und sonstiger Unrat abgestellt worden. Ferner war Müll außerhalb der Müllbehälter abgestellt worden, was zu Ungezieferbefall und Geruchsbelästigungen im gesamten Anwesen geführt habe. In der Waschküche war zudem die Geldbehältnisse für Waschmaschinen aufgebrochen worden. All dies habe zu diversen Beschwerden der Mieter geführt.

Die Entscheidung des Gerichts

Dem Mieter steht ein Unterlassungs- und Beseitigungsrecht zu. Verstöße gegen die Hausordnung in Form der Unterlassung oder nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Mülltrennung die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung – die durch die Installation der Kameras abgewendet werden solle – nicht rechtfertigen könnten. Eine unsachgemäße Müllentsorgung mag zwar lästig und unangenehm sein, rechtfertige jedoch keine Aufstellung von Videokameras, da es sich hierbei nur um geringfügige Delikte handle. Die hierdurch steigenden Kosten der Müllentsorgung seien nach § 2 Nr. 14 BetrKV umlagefähig, so dass auch dieser Umstand keine Rechtfertigung darstelle. Zwar könne die Anbringung von Kameras präventive Wirkung in Bezug auf die Begehung von Straftatbeständen wie z.B. Hausfriedensbruch, Diebstahl und Sachbeschädigung haben. Die bislang verwirklichten Straftaten seien sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht noch nicht in ausreichendem Maße ins Gewicht gefallen. Ihr Charakter stelle sich vielmehr im Wesentlichen als lediglich geringfügig oder gar bagatellhaft dar, ihr Auftreten als von bloß gelegentlicher Natur. Dem Anspruch eines Mieters auf Beseitigung von Überwachungskameras und auf Unterlassung ihrer erneuten Anbringung stehe insbesondere nicht entgegen, dass angeblich die überwiegende Anzahl der anderen Mieter des Anwesens (mehr als 90 %) die Installation der Kameras befürworten.


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