LG München I, Urt. 23.6.2022 - 31 S 12015/21

E-Mobilität: Wer zuerst kommt, lädt zuerst!

Autor: RA FAMuWR Dr. Michael Sommer, Augsburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 08/2022
Lässt die aktuelle technische Ausstattung die Errichtung einer Elektroladestation (hier in einer Tiefgarage) zu, muss der Vermieter dieser Maßnahme zustimmen. Grundsätzlich ist der Mieter – jedenfalls mittels eines geeigneten Fachunternehmens – berechtigt, die Maßnahmen selbst durchführen zu lassen.

BGB § 554 Abs. 1

Das Problem

Ein Wohnraummieter begehrt von seinem Vermieter die Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeuges durch ein ganz bestimmtes Unternehmen. Der Mieter hat eine Wohnung samt Tiefgaragenstellplatz angemietet. Zu der gesamten Wohnanlage gehören rund 200 Mietparteien mit 200 Tiefgaragenstellplätzen, die über zwei Hausanschlüsse mit Strom versorgt werden. Der Mieter will eine Fachfirma mit der Errichtung einer Ladestation beauftragen, welche die Ladestation direkt an den zur Wohnung gehörenden Stromzähler anschließen würde. Der Vermieter wendet ein, dass über jeden Hausanschluss nur fünf bis zehn Ladestationen angeschlossen werden können und 27 Mietparteien bereits ihr Interesse an einer Ladestation angemeldet hätten. Daher müsse sich der Mieter an einen städtischen Versorger direkt richten.

Die Entscheidung des Gerichts

Dem Mieter steht ein Anspruch auf Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation zu. Nach § 554 Abs. 1 BGB habe der Mieter grundsätzlich einen Anspruch dahingehend, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Wer für die Ausführung jedoch insbesondere das Unternehmen bzw. die Handwerker auswählen darf, regelt § 554 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich. Der vorwiegend dem Interesse des Mieters dienende Regelung des § 554 Abs. 1 BGB sei zu entnehmen, dass der Mieter grundsätzlich selbst diese Veränderungen – jedenfalls mittels eines geeigneten Fachunternehmens – durchführen darf, was beinhaltet, dass er befugt ist dieses auch auszuwählen und auch die konkrete Ausgestaltung des Anschlusses zu bestimmen. Dieser Anspruch bestehe nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur dann nicht, „wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann“. Der Einbau des konkreten Elektroanschlusses seitens des Mieters müsse somit dem Vermieter – als Ausnahme von der Regel – unzumutbar sein. Nur sofern dass der Fall ist, habe das Interesse des Mieters zurückzustehen, welches sonst Vorrang hat. Die derzeitige Kapazität für jedenfalls 5-10 Ladestationen reiche derzeit aus. Da derzeit nur drei Ladestationen vorhanden sind, sei die vom Mieter begehrte Station aus technischer Sicht machbar. Die Einrichtung dieser einen weiteren Station für den Mieter kann für den Vermieter auch nicht als unzumutbar angesehen werden. Dass möglicherweise noch andere Mieter künftig einen solchen Anschluss für sich beanspruchen und die hierfür technische Ausstattung dann gegebenenfalls nur seitens der Stadtwerke installiert werden kann, ändere nichts daran, dass jedenfalls derzeit die begehrte Station für den Mieter ohne weiteres eingerichtet werden kann. Aufgrund einer unbestimmten künftigen Entwicklung, deren Eintritt überhaupt noch nicht sicher ist, kann der gegenwärtige Anspruch des Mieters nicht eingeschränkt werden. Ein allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz existiere im Mietrecht nicht. Der Vermieter habe lediglich über § 242 BGB das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG sowie das Schikaneverbot i.S.v. § 226 BGB zu beachten. Auch wenn es dem Vermieter grundsätzlich nicht verwehrt sei, eine Gleichbehandlung mehrerer Mietparteien anzustreben, stelle sich diese Frage derzeit nicht, sondern allenfalls dann, wenn später auch noch andere Mieter einen Elektroanschluss wünschen. Es sei auch nicht als willkürlich anzusehen, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgeht und nachfolgenden Mietern ein Elektroanschluss möglicherweise nur gewährt werden kann, wenn dieser durch die Stadtwerke eingerichtet wird.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „Miet-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Miet- / WEG-Recht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme