Wie viel Videoüberwachung in der Öffentlichkeit ist zulässig?

23.05.2017, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 3 Min. (281 mal gelesen)
Sicherheitskamera,Videoüberwachung,Bahnhof Sicherheitskamera überwacht Bahnsteig © Bu - Anwalt-Suchservice

Von der Öffentlichkeit wenig registriert wurde ein im März 2017 vom Bundesrat verabschiedetes Gesetz zur Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

Das sogenannte “Videoüberwachungsverbesserungsgesetz” ändert das Bundesdatenschutzgesetz und soll für mehr Sicherheit sorgen sowie die Abschreckung von Straftätern erleichtern. Die Regelungen wirken sich auf öffentliche Straßen und Plätze sowie Sportanlagen ebenso aus wie auf Bahnhöfe und öffentliche Verkehrsmittel.

Worum geht es?


Immer wieder kommt es auf belebten Plätzen, in Bahnhöfen oder Zügen zu Diebstählen, Gewalttaten, körperlichen Angriffen und Sexualdelikten. Videoüberwachung wird als ein Mittel gegen die zunehmende Kriminalität im öffentlichen Raum propagiert. Dahinter steckt die Überlegung, dass sich mögliche Täter durch die allgegenwärtige Präsenz von Sicherheitskameras abschrecken lassen und von Straftaten Abstand nehmen. Für den Fall, dass dies nicht so sein sollte, sollen die Kameras eine bessere Identifizierung und Verfolgung der Täter ermöglichen – wie sie ja auch in einigen Fällen bereits stattgefunden hat. Auf der anderen Seite aber ist nicht jeder Bürger davon begeistert, auf Schritt und Tritt beobachtet und gefilmt zu werden. Kaum jemand kennt die Rechte, die er hinsichtlich von Daten über seine Person hat. Was tatsächlich mit dem Bildmaterial geschieht, ob es bearbeitet, gespeichert, weitergegeben oder auch nur sorgfältig verwahrt wird und wer gegebenenfalls der Ansprechpartner für solche Fragen ist, ist für den Einzelnen in der Praxis kaum nachvollziehbar. Datenschützer sprechen sich regelmäßig gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum aus.

Wie ist die alte Rechtslage zu Videoüberwachung?


Die Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze richtet sich nach § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Diese Vorschrift erklärt eine Überwachung mit Kameras nur dann für zulässig, wenn sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist. Zusätzlich dürfen keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der überwachten Personen die Interessen an der Überwachung überwiegen. Dies erfordert eine Interessenabwägung, bei der sich das Interesse an der Überwachung und das Grundrecht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber stehen. Bislang gewann hier oft das letztere. Von dem Ergebnis dieser Abwägung hing es ab, ob die Datenschutzbeauftragten bzw. -behörden der Bundesländer Einwände gegen die Aufstellung von Kameras im konkreten Fall geltend machten.

Was besagt die Neuregelung?


Die Neuregelung hat zwar das oben Beschriebene nicht geändert oder abgeschafft., Es wurde jedoch eine Regelung hinzugefügt, die besagt, dass bei der Videoüberwachung von
- öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder
- Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs,
der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von sich dort aufhaltenden Personen als ein besonders wichtiges Interesse zu gelten hat. Hier wird also gewissermaßen der Schutz vor Straftaten per Gesetz über den Schutz anderer Grundrechte gestellt. Die Datenschutzstellen werden dadurch in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Eine Interessenabwägung im Einzelfall ist weiterhin erforderlich, wird aber nun in der Regel zugunsten der Installation von Kameras ausfallen.

Nicht nur das Filmen an sich wird durch die Neuregelung leichter, sie betrifft auch die Verarbeitung oder Nutzung der gewonnenen Daten. Auch diese ist nun zulässig, wenn sie mit dem Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Passanten begründet wird.

Welche Kritik üben Datenschützer am der Ausweitung der Videoüberwachung?


Datenschützer machen geltend, dass es unklar sei, wie durch eine verbesserte Videoüberwachung mehr Sicherheit als bisher erreicht werden soll. Aus dem Gesetzentwurf sei dies jedenfalls nicht zu ersehen. Hier steht vielleicht der Gedanke im Hintergrund, dass gerade anlasslose Gewalt etwa in U- und S-Bahnhöfen oft von Tätern ausgeübt wird, die sich zumindest bei der Tatbegehung nicht um Konsequenzen scheren. Gegenüber Terroristen sei die Abschreckungsgefahr durch Kameras denkbar gering, da diese ja gerade öffentliche Aufmerksamkeit suchten. Eine Erhöhung der Sicherheit im öffentlichen Raum könne nicht durch Kameras allein erreicht werden, sondern es müsse auch eine Möglichkeit zum unmittelbaren Eingreifen gegeben sein – die aber oft fehle. Umso mehr sei dies der Fall, weil die neue Rechtslage gerade die Aufstellung von Kameras durch private Betreiber erleichtere, welche gar nicht die Mittel hätten, um bei einer Gewalttat einzugreifen. Kritisiert wird auch, dass das neue Gesetz eine viel umfassendere Überwachung als bisher erlaube. Es würden künftig nicht mehr nur Kriminalitätsschwerpunkte überwacht, sondern alles – und dabei entstünden Datenberge, die kaum noch auswertbar seien.

Wann treten die neuen Regeln zu Videoüberwachung in Kraft?


Die Gesetzesänderung ist am 5. Mai 2017 in Kraft getreten.

Weitere Gesetzesänderungen zum Datenschutz


Ebenfalls im März 2017 hat der Bundesrat Gesetzgebungsvorhaben grünes Licht gegeben, die der Bundespolizei den Einsatz von Bodycams an der Uniform sowie von automatischen Kennzeichenscannern gestatten.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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